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Horror für Halloween (XXXVI) / Dario Argento (XI): Dämonen 2 – Terror im Lichtspielhaus

29 Okt

Dèmoni

Von Volker Schönenberger

Weil Dario Argento Lamberto Bavas Regiearbeit produzierte und als einer von vier Drehbuchautoren gelistet wird, reihen wir „Dämonen 2“ kurzerhand in unsere Argento-Werkschau ein.

Horror // Lamberto Bavas Regiearbeiten „Dèmoni“ von 1985 und „Dèmoni 2 …l’incubo ritorna“ von 1986 bereichern die reiche Geschichte sonderbarer deutscher Titelschöpfungen um ein sehr spezifisches Kuriosum: Weil der erstgenannte Film seinerzeit gar nicht in die Kinos gekommen war, strich der deutsche Verleih der Fortsetzung zum Kinostart im Juli 1987 kurzerhand die „2“ aus dem Titel, sodass sie hierzulande als „Dämonen“ verbreitet wurde. Als später der Vorgänger den Weg in die deutschen Videotheken fand, machte man aus der Not eine Untugend und verpasste ihm ebenso kurzerhand die 2 im Titel. Das ergibt aber insofern überhaupt keinen Sinn, als die Handlung von „Dèmoni 2 …l’incubo ritorna“ ganz klar auf den Ereignissen in „Dèmoni“ aufbaut. Wer beide Filme somit aus prinzipiellen oder sonstigen Erwägungen unbedingt in der Reihenfolge der deutschen Nummerierung schauen will, sollte sich darüber im Klaren sein, dass beim zweiten Film Prequel-Feeling aufkommt. Kann man machen, muss man aber nicht.

Ein Blinder geht ins Kino

Hier jedenfalls geht es mit „Dämonen 2“ los, also – zur Sicherheit noch einmal – dem ersten Film: Das Geschehen spielt sich in West-Berlin ab. Die Studentin Cheryl (Natasha Hovey) fühlt sich in der U-Bahn beobachtet und verfolgt, doch im Bahnhof stößt sie lediglich auf einen seltsam maskierten Mann (Michele Soavi), der ihr wortlos eine Freikarte fürs Kino Metropol in die Hand drückt und auch ihre Bitte nach einer zweiten erfüllt. Sie und ihre Freundin Kathy (Paola Cozzo) besuchen abends die Vorstellung. Dort werfen sogleich die beiden Kumpels George (Urbano Barberini) und Ken (Karl Zinny) ein Auge auf die jungen Frauen. Unter den Zuschauern befindet sich sogar ein Blinder – Werner (Alex Serra) mit seiner ihm als Führerin behilflichen Tochter Liz (Sally Day). Auch der Zuhälter Tony (Bobby Rhodes) und seine beiden Prostituierten Rosemary (Geretta Geretta) und Carmen (Fabiola Toledo) wollen die Vorführung besuchen.

Gezeigt wird ein Horrorfilm, in welchem zwei junge Pärchen das Grab von Nostradamus aufstöbern. Doch darin liegen keineswegs die Überreste des legendenumwobenen Propheten. Dafür entfacht der Inhalt ein dämonisches Grauen. Dieses macht zügig auch vor dem Publikum im Metropol-Kino nicht halt.

Immer noch indiziert und beschlagnahmt

Zugegeben: „Dämonen 2“ ist so blutig wie brutal und mit satten Splattereffekten gespickt. Dennoch bleibt es unverständlich, weshalb die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien den Schocker noch 2013, 2017 und 2018 folgeindizierte – die erste Indizierung datiert von 1988. Da sind in diesen Jahren reichlich andere Horrorklassiker der 70er- und 80er-Jahre vom Index gestrichen worden, die auch nicht harmloser waren. Erklärbar hingegen, dass „Dämonen 2“ nach wie vor beschlagnahmt ist, denn damit die Beschlagnahme aufgehoben wird, müsste der Inhaber der Lizenzrechte für den deutschen Markt den mit Kosten verbundenen Rechtsweg beschreiten, die Aufhebung also beim zuständigen Amtsgericht beantragen. Die Gerichtspraxis der vergangenen Jahre zeigt, dass die Erfolgsaussichten dafür hoch sind, aber das Label hat sich offenbar entschieden, den Film stattdessen in Österreich zu veröffentlichen – im Wissen, dass die potenzielle deutsche Kundschaft die einschlägigen Händler und Vertriebswege (etwa Filmbörsen) kennt.

Die Story des sich von der Leinwand aufs Kino übertragenen Dämonenterrors hat reichlich Potenzial, das allerdings kaum ausgereizt wird. Es geschieht eben, woraus sich in der Folge ein Survival-Horror entwickelt, den erwartungsgemäß viele der Figuren nicht überleben werden. „Dämonen 2“ könnte auch als Zombiefilm durchgehen, da die Kreaturen in blutrünstiger Absicht und äußerst bissig über ihre Opfer herfallen und diese zu ihresgleichen machen. Aber wie der Titel schon sagt, handelt es sich eben um Dämonen, also belassen wir es dabei, auch wenn wir keinerlei Hintergründe über die Kreaturen erfahren.

Mit Dario Argentos Tochter Fiore

Mit namhaften Stars wartet der Film nicht auf, er hat auch keine hervorgebracht. Dario Argentos Tochter Fiore (* 1970) spielt die furchtsame Kinobesucherin Hannah. Für sie war es der zweite Film nach einem Auftritt in „Phenomena“ aus dem selben Jahr, bei dem ihr Vater Regie geführt hatte. Im Anschluss hatte sie nur noch drei weitere kleine Rollen im Abstand von mehreren Jahren, die letzte 2004. Erwähnenswert ist noch der Darsteller des Kartenverteilers: Michele Soavi war zu jener Zeit Regieassistent unter anderem für Dario Argento und Lamberto Bava, auch für diesen Film. Bald darauf reüssierte er selbst als Horrorregisseur, inszenierte beispielsweise „Aquarius – Theater des Todes“ (1987), „The Church“ (1989), „The Sect“ (1991) und „Dellamorte Dellamore“ (1994).

Der Soundtrack ist erstaunlich vielseitig. Wir haben einen typischen 80er-Italo-Synthie-Score von Claudio Simonetti, der das Zeitkolorit der Bilder trefflich untermalt. Am besten hat mir hier das Stück „Demon“ aus dem Finale inklusive Abspann gefallen, welches Motive von „In der Halle des Bergkönigs“ aus Edvard Griegs „Peer Gynt“ enthält. Es erklingen auch Heavy Metal wie „Night Danger“ von den Pretty Maids und „Fast as a Shark“ von Accept sowie die Chart-Hits „We Close Our Eyes“ von Go West, „Walking on the Edge“ von Rick Springfield und „White Wedding“ von Billy Idol.

Reichlich Lokalkolorit von West-Berlin

West-Berlins Status als von der DDR umschlossene Enklave spielt im Film überhaupt keine Rolle. Gleichwohl müht sich „Dämonen 2“, die Jugendkultur und den Stil der damaligen Jugendlichen wie Punks und Popper visuell zu integrieren, beginnend schon mit den ersten Szenen, wenn die etwas bieder wirkende Cheryl in der U-Bahn sitzt und andere, ungleich flippiger gestylte Jugendliche unter den Passagieren beobachtet. Die Außenaufnahmen wurden tatsächlich in West-Berlin gedreht und bringen einiges Lokalkolorit in „Dämonen 2“ ein. So entstand die Bahnhofsszene zum Auftakt im U- und S-Bahnhof Heidelberger Platz. Als Metropol-Kino hielt das 1905/1906 errichtete Theater Neues Schauspielhaus im Berliner Stadtteil Schöneberg her, das ab den 1950er-Jahren tatsächlich unter dem Namen Metropol als Kino fungierte. Seit 1977 diente es allerdings als Diskothek, weshalb die Innenaufnahmen von „Dämonen 2“ womöglich in einem Studio in Rom entstanden. Der Kinosaal fügt sich dabei durchaus stimmig und effektvoll ins Geschehen ein. Achtet auf die Plakate im Foyer des Kinos! Eine schöne Auswahl.

Mario Bavas Sohn Lamberto auf dem Regiestuhl

Regisseur Lamberto Bava hatte sein Handwerk natürlich auch bei seinem berühmten Vater Mario Bava („Die Stunde wenn Dracula kommt“) gelernt, bei einigen von dessen Filmen als Regieassistent mitgewirkt. In dieser Funktion war er später auch an Ruggero Deodatos berüchtigtem „Nackt und zerfleischt“ („Cannibal Holocaust“, 1980) beteiligt, ebenso an „Horror Infernal“ (1980) und „Tenebre – Der kalte Hauch des Todes“ (1982), beides Regiearbeiten von Dario Argento. Diese Kooperation führte schließlich zu „Dèmoni“ (also „Dämonen 2“) und „Dèmoni 2 …l’incubo ritorna“ (also „Dämonen“), die Argento beide produzierte und bei denen er an den Drehbüchern mitschrieb. Heraus kamen zwei moderne Klassiker des italienischen Horrorkinos.

Alle bei „Die Nacht der lebenden Texte“ berücksichtigten Filme von Dario Argento und Lamberto Bava haben wir in unserer Rubrik Regisseure aufgelistet

Veröffentlichung: keine Angabe

Länge: 88 Min. (Blu-ray), 85 Min. (DVD)
Altersfreigabe: FSK ungeprüft
Sprachfassungen: Deutsch, Englisch, Italienisch
Untertitel: keine Angabe
Originaltitel: Dèmoni
Alternativtitel: Dance of the Demons
Internationaler Titel: Demons
IT 1985
Regie: Lamberto Bava
Drehbuch: Dario Argento, Lamberto Bava, Dardano Sacchetti, Franco Ferrini
Besetzung: Natasha Hovey, Paola Cozzo, Karl Zinny, Urbano Barberini, Michele Soavi, Fiore Argento, Nicoletta Elmi, Stelio Candelli, Nicole Tessier, Geretta Geretta, Fabiola Toledo, Bobby Rhodes, Guido Baldi, Bettina Ciampolini, Giuseppe Mauro Cruciano, Sally Day
Zusatzmaterial: keine Angabe
Label/Vertrieb: keine Angabe

Copyright 2021 by Volker Schönenberger

 

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