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Clint Eastwood (XXXVI): – Sinola: Der Richter und sein Henker

16 Mär

Joe Kidd

Von Tonio Klein

Western // Ein ungewöhnliches Werk für Clint Eastwood im Jahre 1972: Er war ein Star und Künstler in der Entwicklung, und zwar in einer damals schon beachtlichen Entwicklung. Viele seiner Filme aus dieser Zeit haben Ecken, Kanten, immense Stärken, teils aber auch deutliche Schwächen. „Sinola“ hingegen ist „nur gut“. Er präsentiert ein paar urtypische Eastwoodmomente sardonischer Coolness, kombiniert dies mit einer ordentlichen Geschichte und schönen Fotografie und kann gut unterhalten, war aber für Eastwood im Grunde Stillstand. Immerhin, so perfekt Eastwood seinen Colt und die sorg- und sparsam platzierten Sprüche einsetzt, so unperfekt ist er hier im Taktieren. Nachdem er als Joe Kidd zunächst den typischen unangepassten Individualisten gibt, entschließt er sich dennoch, sich im Städtchen Sinola in New Mexico einer Posse anzuschließen (um zu rächen, dass die Gejagten einen Freund fast zu Tode geprügelt haben). Dann muss er aber merken, mit einem Haufen durchgeknallter Brutalos zu reiten, angeführt von Großgrundbesitzer Frank Harlan (Robert Duvall), einem eiskalten Killer, dem es lediglich um seine Grundstücksgeschäfte geht.

Eine etwas unausgegorene Mischung

Ein paar Mexikaner, die ihre Ansprüche auf das Land durchsetzen wollen, stören da nur und sollen unter fadenscheiniger Rechtfertigung aus dem Weg geräumt werden. Für Unruhe sorgt obendrein der mexikanische Revolutionär Luis Chama (John Saxon).

Erst ist die Sache der Mexikaner …

Duvall spielt Joe Kidds Antagonisten Harlan mit charismatischer, aber auch grimmiger Boshaftigkeit sehr überzeugend. Doch ist das letztlich nichts gegen die wesentlich ausgefeiltere Geschichte um Coy LaHood im späteren „Pale Rider – Der namenlose Reiter“ (1985), dem ein paar Goldschürfer im Wege sind und denen Eastwoods namenloser Reiter beisteht.

… nicht sein Bier

Dass „Sinola“ trotz fehlender manifester Schwächen nicht so richtig zünden kann, mag an einem Mix unterschiedlicher Einflüsse liegen. Die Regie stammt von John Sturges, zu der Zeit schon ein Veteran im positiven Sinne. Wenn er ein ums andere Mal die imposante Kulisse bei strahlendem Sonnenschein in extremer Totale zeigt und die Menschen ganz klein darin positioniert, erinnert dies sowohl an William Wylers „Weites Land“ (1958) als auch an Sturges’ eigene prachtvolle Panoramen, etwa in der Westernkomödie „Vierzig Wagen westwärts“ (1965) oder in dem grimmigen Beinahe-Western „Stadt in Angst“ (1955). Wo „Leone Country“ deutlich karger war, setzt Sturges auf Pracht. Doch finden wir hier bereits gewisse Hell-Dunkel-Gegenlicht-Gegensätze, die für spätere Eastwoods und seinen bereits hier tätigen Kameramann Bruce Surtees kennzeichnend sind. Und wenn die Panoramen mit extremen Nahaufnahmen kombiniert werden, auf denen man nur die zusammengekniffenen Augen Eastwoods sieht, so ist dies eine direkte Reminiszenz an Sergio Leone und den Italowestern, aus dem Eastwood kam.

Hauswände, so zerklüftet wie die Berge? Harlan war hier!

Aus dem ist vielleicht auch die bedauerliche Tatsache übernommen, dass Frauen hier nichts zu sagen haben. Eine kann man beschützen, eine andere ist willig und lässt sich nur allzu gern von Joe Kidd küssen, obwohl sie eigentlich Harlans Freundin ist. Wären beider Rollen nicht so arg klein, könnte man in ihnen wieder einmal die Liebende und die Libidinöse sehen (dass Eastwoodcharaktere der späten Sechziger und frühen Siebziger mit diesen beiden Frauentypen konfrontiert werden, ist ein interessanter Gedanke, den ich einem Aufsatz von Roman Mauer in dem Buch „Film Konzepte 8: Clint Eastwood“ zu verdanken habe). Aber letztlich sind Frauen hier nur Staffage.

Das Beste kommt zum Schluss

Dennoch, als grundsolide Unterhaltung ist „Sinola“ sehenswert. Und am Schluss wenigstens hat er ein hübsch irres Bild: Joe Kidd ist mit dem Zug in diverse Häuser der Stadt hineingebrettert und bis zum Gerichtsgebäude durchgedrungen. Plötzlich dreht sich der Richterstuhl – und schön bedrohlich in leichter Aufsicht fotografiert, sitzt dort Kidd mit schwarzem Hut, grimmigem Blick und gezückter Waffe. Das Weitwinkelobjektiv und die Kameraposition gönnen ihm die ganze Macht des Richtertisches, der sich groß im Vordergrund abhebt und das gesamte Cinemascopebild durchmisst. Und dann geht der Richter und sein Henker in Personalunion an die Arbeit.

Noch vor Gericht, später richtend

Alle bei „Die Nacht der lebenden Texte“ berücksichtigten Filme von John Sturges und von oder mit Clint Eastwood haben wir in unserer Rubrik Regisseure aufgelistet, Filme mit Robert Duvall und John Saxon unter Schauspieler.

Veröffentlichung: 8. Mai 2013 als Blu-ray, 19. September 2019 und 2. August 2007 als DVD

Länge: 88 Min. (Blu-ray), 84 Min. (DVD)
Altersfreigabe: FSK 16
Sprachfassungen: Deutsch, Englisch u. a.
Untertitel: Deutsch, Englisch u. a.
Originaltitel: Joe Kidd
USA 1972
Regie: John Sturges
Drehbuch: Elmore Leonard
Besetzung: Clint Eastwood, Robert Duvall, John Saxon, Don Stroud, Stella Garcia, James Wainwright, Paul Koslo, Gregory Walcott, Dick Van Patten, Lynne Marta, John Carter
Zusatzmaterial: Wendecover
Label/Vertrieb: Universal Pictures Germany GmbH

Copyright 2023 by Tonio Klein

Szenenfotos & Packshots: © Universal Pictures Germany GmbH

 

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