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The Pope’s Exorcist – Von einem, der auszog, Dämonen auszutreiben

23 Jun

The Pope’s Exorcist

Von Volker Schönenberger

When we jeer at the Devil and tell ourselves that he does not exist, that is when he is happiest. – Wenn wir den Teufel verspotten und uns einreden, er existiere nicht, ist er am glücklichsten. (Pater Gabriele Amorth, gemäß Texttafel zu Beginn des Films)

Horror // Der in „The Pope’s Exorcist“ (2023) von Russell Crowe verkörperte Teufels- und Dämonenaustreiber Gabriele Amorth hat wirklich gelebt. Er war von 1986 tatsächlich Exorzist der Diözese (des Bistums) von Rom, von 1994 bis 2000 zudem Vorsitzender der Internationalen Vereinigung der Exorzisten, anschließend bis zu seinem Tod 2016 im Alter von 91 Jahren ihr Ehrenvorsitzender. Angeblich behauptete er im Mai 2013, mehr als 160.000 Exorzismen vorgenommen zu haben, hielt dem Vernehmen nach sogar Yoga und die Harry-Potter-Romane für satanisch. Amorths Erinnerungen „Ein Exorzist erzählt“ und „Neue Berichte eines Exorzisten“ bildeten die Grundlage fürs Drehbuch von „The Pope’s Exorcist“.

Pater Gabriele Amorth treibt auch mal eine psychische Störung aus

Die Handlung setzt am 4. Juni 1987 im kalabrischen Küstenstädtchen Tropea ein. Pater Amorth sucht eine Familie auf, deren erwachsener Sohn anscheinend vom Teufel besessen ist. Es gelingt dem Geistlichen, den Mann – oder den Leibhaftigen? – davon zu überzeugen, Satan in ein Schwein fahren zu lassen. Dieses wird sogleich erschossen – Problem gelöst. Einem Tribunal in Rom erklärt Amorth, er habe dem offensichtlich geistig verwirrten Mann ein Theater vorgespielt, um ihm seine eingebildete Besessenheit auszutreiben.

Audienz beim Papst

Im Anschluss an ein Gespräch mit dem Papst (Franco Nero) reist Pater Amorth ins spanische Kastilien, wo der amerikanische Junge Henry (Peter DeSouza-Feighoney) Zeichen dämonischer Besessenheit zeigt. Dessen Mutter Julia (Alex Essoe) ist dort mit der Restauration einer alten Abtei beschäftigt, sein Vater war einige Zeit zuvor bei einem Autounfall ums Leben gekommen, bei dem Henry im Wagen saß. Exorzist Amorth lässt sich von dem in solchen Sachen unerfahrenen jungen Pater Esquibel (Daniel Zovatto) unterstützen. Noch ahnen die beiden Geistlichen nicht, dass sie sich mit dem Dämon Asmodeus eingelassen haben.

Doch dann stößt er in Spanien …

Bemerkenswert, dass mit „The Pope’s Exorcist“ und „Evil Dead Rise“ (2023) im April 2023 gleich zwei Horrorfilme in die deutschen Kinos gelangten, bei denen dämonische Besessenheit einen elementaren Bestandteil darstellt. Wer an die Existenz der Hölle, Satans und der Dämonen glaubt, könnte geneigt sein, „The Pope’s Exorcist“ als Dokudrama zu klassifizieren. Mit gesundem Menschenverstand erscheint allerdings die Einordnung ins Horrorgenre als die bessere Wahl. Der vierte abendfüllende Spielfilm von Julius Avery nach „Son of a Gun“ (2014), „Operation: Overlord“ (2018) und „Samaritan“ (2022) folgt den üblichen Pfaden, die das Horrorsubgenre des Exorzistenfilms seit William Friedkins epochalem „Der Exorzist“ (1973) beschreitet – wüste Beschimpfungen, schmerzhaft anzusehende Verrenkungen von Gliedmaßen, blutunterlaufene Augen, dazu Geistliche, die Beschwörungen mal murmeln, mal herausbrüllen und sich ihren inneren Dämonen stellen müssen (die ganz nach dem Gusto der Kirche natürlich weiblich sind). Und natürlich verfügen die Dämonen über psychokinetische Kräfte, die es ihnen ermöglichen, Menschen von sich weg und durch die Luft zu schleudern (was in vielen dieser Filme die Frage aufwirft, weshalb sie diese Kräfte nicht häufiger anwenden – etwa, wenn es drauf ankommt).

… ein Tor auf und gerät an …

Oscar-Preisträger Russell Crowe trägt das Geschehen erwartungsgemäß souverän, sogar mit einem Hauch von Augenzwinkern. Er gibt den Exorzisten als durchaus lebensnahen und vernunftbegabten Priester, der mit Motorroller zu den Einsätzen tuckert, sich von einem Tribunal nicht beeindrucken lässt und auch mal unverblümt profan daherredet, wenn es ihm angebracht erscheint. In Pater Esquibel bekommt er einen jungen Sidekick, der nicht nachhaltig beeindruckt, das Sujet aber weiter auflockert. Dessen Darsteller Daniel Zovatto hat unter anderem mit „It Follows“ (2014) und „Don’t Breathe“ (2016) bereits Horrorerfahrung gesammelt. Es fällt kurzweilig aus, das Priesterduo bei der Arbeit zu beobachten. Franco „Django“ Nero hingegen tritt als Papst zu wenig in Erscheinung, um dem Geschehen seinen Stempel aufzudrücken.

… seine dämonischen Grenzen

Die Abtei umweht ein düsteres Geheimnis aus der Geschichte der katholischen Kirche, welches die zwei Padres beizeiten aufdecken. Ein interessanter Aspekt, den Regisseur Avery leider nur kurz aufgreift. Da wäre viel mehr drin gewesen! Gerade bei diesem Element bringen Kulissen und Produktionsdesign viel düstere Atmosphäre ins Geschehen ein.

Werbung für den Berufsstand der Exorzisten

Mit nur etwas bösem Willen könnte man „The Pope’s Exorcist“ als katholisches Plädoyer für die echte Exorzistengilde kritisieren. Immerhin scheint Gabriele Amorth im 20. und 21. Jahrhundert der wichtigste Vertreter dieses „Berufsstands“ gewesen zu sein. Und er handelt im Film sogar vernünftig, weiß zwischen psychischer Erkrankung und echter Besessenheit zu unterscheiden. Interessant wäre es geworden, hätte der Horrorfilm versucht, die Absurdität der Existenz von Exorzisten mit höchsten katholischen Weihen darzustellen, denn Hand aufs Herz: Wie kann man eine Institution ernst nehmen, die den Leibhaftigen für einen Leibhaftigen (also eine real existierende Wesenheit) hält? Ist das nicht ein ebenso guter Grund, der katholischen Kirche den Rücken zu kehren, wie es die Missbrauchsskandale und ihre Vertuschungen sind? Aber ich schweife ab, messen wir „The Pope’s Exorcist“ nicht mehr Bedeutung zu, als er hat.

Fortsetzung folgt

Das Werk spielte bei einem Budget von 18 Millionen Dollar anständige knapp 75 Millionen Dollar ein, was als Erfolg gewertet werden kann, zumal dazu noch die Heimkino-Einnahmen zu addieren sind. Das reicht locker, um bei den Produktionsstudios die Idee einer Fortsetzung reifen zu lassen, zumal das Ende des Films sogar die Option von 199 weiteren Exorzismen bietet. Und siehe da: Bereits im April 2023 meldete das Horrorfilmportal Bloody Disgusting, ein Sequel befinde sich in Entwicklung. Da „The Pope’s Exorcist“ letztlich wenig originell bekannte Versatzstücke des Exorzistenhorrors aufwärmt, hält sich die Vorfreude in Grenzen, auch wenn wir Russell Crowe gern in einem Horrorfilm wiedersehen würden.

Alle bei „Die Nacht der lebenden Texte“ berücksichtigten Filme mit Russell Crowe, Ralph Ineson und Franco Nero haben wir in unserer Rubrik Schauspieler aufgelistet.

Werden die Exorzisten über den Dämon triumphieren?

Veröffentlichung: 22. Juni 2023 als Blu-ray und DVD

Länge: 103 Min. (Blu-ray), 99 Min. (DVD)
Altersfreigabe: FSK 16
Sprachfassungen: Deutsch, Englisch, Italienisch
Untertitel: Deutsch, Englisch, Italienisch, Türkisch
Originaltitel: The Pope’s Exorcist
USA/GB/SP 2023
Regie: Julius Avery
Drehbuch: Michel Petroni, Evan Spiliotopoulos, R. Dean McCreary, Chester Hastings, Jeff Katz, nach den Vorlagen „Ein Exorzist erzählt“ und „Neue Berichte eines Exorzisten“ von Gabriele Amorth
Besetzung: Russell Crowe, Daniel Zovatto, Alex Essoe, Franco Nero, Peter DeSouza-Feighoney, Laurel Marsden, Cornell John, Ryan O’Grady, Bianca Bardoe, Santi Bayón, Paloma Boyd, River Hawkins, Alessandro Gruttadauria, Jordi Collet, Carrie Munro, Marc Velasco, Edward Harper-Jones, Matthew Sim, Ed White, nur Stimme: Ralph Ineson
Zusatzmaterial: Featurette „Über Pater Amorth“, Featurette „Was ist in Sie gefahren?“
Label: Sony Pictures Entertainment
Vertrieb: Plaion Pictures

Copyright 2023 by Volker Schönenberger
Szenenfotos & Packshots: © 2023 Sony Pictures Entertainment

 

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