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Draculas Hexenjagd – Wenn der große Vampirfürst fehlt, tut es auch Graf Karnstein

21 Jul

Twins of Evil

Von Volker Schönenberger

Horror // Das Dorf Karnstein in der Steiermark in Österreich, 17. Jahrhundert: Der religiöse Fanatiker Gustav Weil (Peter Cushing) wütet als unerbittlicher Hexenjäger und bringt mit den Getreuen seiner Bruderschaft immer wieder junge Frauen auf den Scheiterhaufen. Nicht die besten Voraussetzungen für die jüngst zu Waisenmädchen gewordenen Zwillingsschwestern Maria und Frieda Gellhorn (Mary und Madeleine Collinson), fortan bei ihm und seiner Ehefrau Katy (Kathleen Byron) zu leben. Sie sind gerade aus Venedig eingetroffen, und kaum erblickt Gustav seine halbwüchsigen Nichten, stört er sich an ihrer seiner Ansicht nach unzüchtigen Kleidung, die ihre Eltern im Grabe entehre.

Erneut fällt eine Unschuldige der Bruderschaft zum Opfer

Weils ärgster Feind ist der vergnügungssüchtige Graf Karnstein (Damien Thomas), der hoch über dem Dorf in seiner Burg lebt. Ihm kann der gottesfürchtige Mann allerdings nichts anhaben, da der Graf die Gunst des Hofes genießt. Und bei dem Adligen liegt Weil ausnahmsweise sogar richtig, denn Graf Karnstein fröhnt der schwarzen Magie und dem Satanismus. Mit einem Menschenopfer – na klar: eine nackte junge Frau – trachtet er danach, seine 1547 gestorbene Vorfahrin Gräfin Mircalla Karnstein (Katya Wyeth) ins Leben zurückzuholen.

Wo ist Dracula?

Wann bekommen wir endlich die titelgebende Hexenjagd des Grafen Dracula zu sehen? Die Antwort lautet: gar nicht! „Draculas Hexenjagd“ (1971) reiht sich in die bundesdeutsche Tradition der Etikettenschwindel-Filmtitel ein, die etwas suggerieren, was gar nicht vorkommt – in diesem Fall der Vampirfürst Graf Dracula. Keine Sorge, ein Vampirfilm ist es gewiss, nur eben keiner mit dem von Bram Stoker ersonnenen Blutsauger. Theoretisch lässt auch der Originaltitel „Twins of Evil“ zu wünschen übrig, da die beiden Gellhorn-Mädchen keine Zwillinge des Bösen sind. Praktisch jedoch beginnt ihr Onkel das zu glauben und spricht es auch aus, was den Originaltitel dann doch passend erscheinen lässt. Außerdem – aber seht es euch selbst an!

Graf Karnstein will’s wissen

Der Horrorfilm stammt aus einer Ära, in der das ehrwürdige Studio Hammer Films darauf erpicht war, seine Produktionen vermehrt mit ein paar Anzüglichkeiten zu würzen, um dem freizügigeren Zeitgeist Rechnung zu tragen. Hier eine blanke Brust, da eine lesbische Andeutung – und wenn beim Liebesspiel eine weibliche Hand wie zufällig eine Kerze umfasst und diese auf und ab zu reiben beginnt, ist das an Eindeutigkeit kaum zu überbieten. Nicht umsonst bekommen es die Herren der Schöpfung mit Vampirinnen zu tun. Da passt die Besetzung der Zwillingsschwestern gut ins Bild: Die aus Malta stammenden Mary und Madeleine Collinson waren just im Oktober 1970 die ersten Zwillinge, die es gemeinsam als Playmates des Monats in den „Playboy“ schafften. Die „Playboy“-Leserschaft als neue Zielgruppe für Hammer-Horror – warum nicht?

Da geht einiges

Szenenbild, Ausstattung und Kostüme halten das Niveau, das wir von Hammer Films kennen und schätzen – wer sich stilsicheren Gothic-Horror erhofft, liegt völlig richtig. Der von John Hough („American Gothic – Ein amerikanischer Alptraum“, 1987) inszenierte „Draculas Hexenjagd“ reiht sich als dritter und abschließender Teil der Karnstein-Trilogie würdig hinter seine beiden Vorgänger „Gruft der Vampire“ (1970) und „Nur Vampire küssen blutig“ (1971) ein, übertrifft jedenfalls den zweiten Film locker. Alle drei übernahmen in sehr freier Form Motive des Romans „Carmilla“ des irischen Schriftstellers Joseph Sheridan Le Fanu (1814–1873), der als erster Vampirroman überhaupt gilt.

Hexenjäger en vogue

Vampire sind das eine, Hexen das andere. Keine schlechte Entscheidung von Hammer, mit der Figur von Gustav Weil und seiner Bruderschaft auf den Hexenjägerzug aufzuspringen, der mit „Der Hexenjäger“ (1968), „Der Todesschrei der Hexen“ (1970) und „Der Hexentöter von Blackmoor“ (1970) sowie dem österreichischen „Hexen bis aufs Blut gequält“ (1970) und dem tschechoslowakischen „Hexenhammer“ (1970) gerade in voller Fahrt dahinraste. Peter Cushing brilliert einmal mehr, seinen fanatischen Hexenjäger muss man einfach verabscheuen – doch zum spektakulären Finale hin bekommt er sogar ein paar menschliche Züge.

Gustav Weil – vom Hexen- zum Vampirinnenjäger

Anolis Entertainment hat „Draculas Hexenjagd“ 2014 als zweiten Teil seiner herausragenden Hammer-Films-Reihe veröffentlicht. Beide Covervarianten des Mediabooks und die Blu-ray im Amaray-Case waren schnell vergriffen, speziell die Mediabooks gehören zu den gesuchtesten der Reihe. Umso besser, dass sich das Label Pidax Film des Werks angenommen und es im November 2022 auf Blu-ray und DVD veröffentlicht hat. Beim Bonusmaterial musste Pidax gegenüber Anolis ein paar Abstriche machen (Auflistung siehe unten), aber es ist löblich, dass der Horrorfilm wieder verfügbar ist. Ein Hammer-Vampirfilm ganz ohne Christopher Lee – etwas ungewöhnlich, aber Peter Cushing gleicht das Fehlen seines Partners in Horror locker aus. „Draculas Hexenjagd“ ist ein Leckerbissen, nach dem sich nicht nur Blutsauger und „Playboy“-Leser die Finger lecken.

Die Anolis-Entertainment-Reihe mit Produktionen von Hammer Films haben wir in unserer Rubrik Filmreihen aufgeführt. Alle bei „Die Nacht der lebenden Texte“ berücksichtigten Filme mit Peter Cushing haben wir in unserer Rubrik Schauspieler aufgelistet.

Veröffentlichung: 18. November 2022 als Blu-ray und DVD, 7. März 2014 als limitierte Blu-ray im Mediabook (2 Covervarianten) und limitierte Blu-ray, 5. Dezember 2008 und 3. Dezember 2003 als DVD

Länge: 87 Min. (Blu-ray), 84 Min. (DVD)
Altersfreigabe: FSK 16
Sprachfassungen: Deutsch, Englisch
Untertitel: Deutsch
Originaltitel: Twins of Evil
GB 1971
Regie: John Hough
Drehbuch: Tudor Gates, nach Motiven von Sheridan Le Fanu
Besetzung: Peter Cushing, Dennis Price, Mary Collinson, Madeleine Collinson, Damien Thomas, Katya Wyeth, Isobel Black, Kathleen Byron, David Warrbeck, Harvey Hall, Alex Scott
Zusatzmaterial 2022: Trailer und TV-Spots, entfernte Szenen, Super 8-Fassung, Bildergalerie (Werbematerialien, Comic zum Film & Fotos), Wendecover
Zusatzmaterial 2014: Audiokommentar mit Dr. Rolf Giesen und Uwe Sommerlad, britischer Trailer, US-Trailer, US-Double-Feature-Trailer, US-Fernsehspots, Dokumentation „The Flesh and the Fury“ (84:26 Min.), Interview mit John Hough (21:45 Min.), Interview mit Damien Thomas (47:11 Min.), entfernte Szenen (1:09 Min.), Super-8-Fassung (9:40 Min.), Filmprogramm (1:11 Min.), Comic-Adaption (19:40 Min.), Bildergalerie (3:32 Min.), nur Blu-ray: Wendecover, nur Mediabook: 28-seitiges Booklet
Zusatzmaterial DVDs: Bildergalerie, Produktionsnotizen, Comic (DVD-ROM-Inhalt), Trailershow
Label 2022: Pidax Film
Vertrieb 2022: Al!ve AG
Label/Vertrieb 2014: Anolis Entertainment GmbH
Label/Vertrieb 2008 & 2003: Koch Media

Copyright 2023 by Volker Schönenberger

Szenenfotos & Doppel-Packshot: © 2022 Pidax Film,
Dreifach-Packshot: © 2014 Anolis Entertainment GmbH

 

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