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Trespass (1992) – Von wegen Rap-Gang

04 Jun

Trespass

Von Volker Schönenberger

Actionthriller // In einem lichterloh in Flammen stehenden Appartementhaus in Arkansas entdecken die beiden Feuerwehrmänner Vince Gillian (Bill Paxton) und Don Perry (William Sadler) einen verzweifelten Mann (Hal Landon Jr.). Er übergibt ihnen einen Lageplan, hält die beiden mit einer Pistole auf Distanz und stürzt sich in die Flammen. Der Lageplan und ein uralter Zeitungsbericht über einen Kirchenraub in East St. Louis in Illinois veranlasst die beiden, dorthin zu fahren. In einer Ruine auf einem aufgelassenen Industriegelände beginnen sie ihre Suche nach dem Kirchengold, lassen sich auch nicht aufhalten, als sie auf den Obdachlosen Bradlee (Art Evans) treffen – er wird kurzerhand gefesselt.

Schatzsucher: Vince (l.) und Don

Pech für die zwei goldgierigen Brandbekämpfer: Der Gangster King James (Ice-T) nutzt das Gebäude für ein Treffen mit seinen Leuten, darunter der heißblütige Savon (Ice Cube), und einem Rivalen namens Goose (John Toles-Bey). Der stürzt alsbald in den Tod. Vince beobachtet das, wird aber seinerseits von King James erblickt. Vince und Don gelingt es, King James’ Bruder Lucky (De’voreaux White) in ihre Gewalt zu bringen und sich zu verbarrikadieren. Beginn einer Belagerungssituation, in der sich die Schlinge um die beiden Feuerwehrmänner zuzieht, weil King James weitere seiner Leute herbeikommandiert.

Unbefugten ist das Betreten verboten

Belagerung ist das Stichwort – das ist der Plot auf dem Bierdeckel. „Trespass“ bedeutet unbefugtes Betreten und Hausfriedensbruch, und dieses vergleichsweise harmlose Vergehen begehen letztlich alle Figuren im Film (ausgenommen zwei kurz auf der Bildfläche erscheinende Polizisten), von Vince und Don über Bradley über King James und seine Leute. Die tatsächlichen Eigentümer des Geländes mag das nicht interessieren, sie treten überhaupt nicht in Erscheinung und werden auch nicht thematisiert. Aber der Obdachlose Bradlee hält Vince und Don für unbefugte Eindringlinge in seine Wohnstatt, denn hier hat er sich eingerichtet, wenn auch nicht gerade behaglich. Auch King James erhebt Ansprüche, hält er doch die gesamte Gegend für „sein“ Viertel. Dass ihn zwei Weiße auch noch dabei beobachtet haben, wie er in „seiner“ Hood aufgeräumt hat (indem er einen Mord begeht), lässt die Luft schnell bleihaltig werden.

Gangster: King James (M.) und seine Spießgesellen

Walter Hill fällt es als actionerfahrenem Regisseur nicht schwer, die Belagerungsstory mit Leben zu füllen. Er drehte „Trespass“ anderthalb Jahre nach „Und wieder 48 Stunden“ (1990) von November 1991 bis Februar 1992. Für das verlassene Gebiet hielt der Industriekomplex der Fulton Bag and Cotton Mills in Atlanta im US-Staat Georgia her. Einige Szenen im Innern des Gebäudes entstanden in der Tennessee Brewery in Memphis.

Wenn alle Skrupel dahin sind

Die Gier nach Gold und Reichtum treibt die Handlung voran und lässt insbesondere Don einige Skrupel ablegen, was seine und Vinces brenzlige Lage zusätzlich verschärft – die Gangster haben ohnehin keine Hemmungen. Die Figuren sind eher mit grobem Strich gezeichnet, was sowohl für die beiden Protagonisten als auch für die Gangster gilt. Letztgenannte schrammen scharf am Klischee vorbei, wenn sie es nicht gar bedienen. Aber das erfüllt seinen Zweck. Als heimlicher Held erweist sich nach und nach sowieso der Obdachlose Bradlee, der weitgehend gefesselt zum Zusehen verdammt ist, bis er irgendwann in der Lage ist, das Heft des Handelns an sich zu reißen.

Ron fesselt den Obdachlosen Bradlee …

In der Original-Sprachfassung stellt der Kontrast zwischen den eher mit breitem Slang versehenen Dialogen der beiden Feuerwehrmänner und den stakkatoartigen Sprüchen der Gangster einen Reiz dar. Es passt gut, dass mit Ice-T und Ice Cube zwei angesagte Rapper tragende Rollen übernahmen. Walter Hill überließ ihnen eigenen Angaben zufolge starken Einfluss bei den Sprachpassagen ihrer Figuren. Eine gute Entscheidung.

Ein Gangster filmt mit

Optisch platziert der Regisseur seine Actioneinlagen stimmig ins abbruchreife Gebäude hinein. Kugeln perforieren Wände und zerlegen das, was an Mobiliar noch übrig ist, Fensterscheiben bersten. Der Regisseur baute auch ein reizvolles visuelles „Found Footage“-Element ein, indem er ein Gangmitglied namens Video (T. E. Russell) das Geschehen per Camcorder filmen lässt. Klingt unwahrscheinlich? Walter Hill hat im Interview geäußert, genau über dieses Verhalten von Leuten von der Straße in einem Artikel in der „Washington Post“ gelesen zu haben.

… und nimmt den Ganoven Lucky als Geisel

Zwei Weiße dringen in von Schwarzen beherrschtes, heruntergekommenes Territotirum ein, um dort vermutete Reichtümer abzuschöpfen – da liegt es nahe, den Plot von „Trespass“ als gesellschaftlichen oder politischen Kommentar zu interpretieren. Hal Hinson von der „Washington Post“ ging in seiner Rezension vom 25. Dezember 1992 sogar soweit, dem Actionthriller vorzuwerfen, er sei geistlos brutal, vulgär und auf dreiste Weise rassistisch („mindlessly violent, profane and insultingly racist“) vorzuwerfen. Aber da liegt er meines Erachtens falsch. Zum einen dient die explizite Gewalt des Films keinem Selbstzweck, sondern bleibt stets den Absichten der sie ausübenden verpflichtet (dem Streben nach Reichtum auf der einen, der Beseitigung von Zeugen auf der anderen Seite); zum anderen ist es nicht zielführend, die Darstellung derber bis vulgärer Verhaltensweisen zu kritisieren, wenn sie doch der Glaubwürdigkeit der vulgären Figuren dient; zum Letzten werden hier zwar mehr Schwarze als Weiße als Schwerverbrecher skizziert, aber speziell an Don demonstriert „Trespass“ doch eindrucksvoll, wie schnell auch bei Weißen die Zivilisationstünche abfällt. Und die einzige Figur, die annähernd als Sympathieträger durchgeht, ist eben ein Schwarzer. Aber das ignoriert Hinson, dessen gesamter Text ohnehin erkennen lässt, dass es ihm in erster Linie darum ging, einen zünftigen Verriss zu schreiben. So klärt er seine Leserinnen und Leser darüber auf, es wäre ihren Interessen gegenüber gegenläufig, den Film zu schauen („It would be counter to your best interests to see it.“). Und er schließt mit den Worten, der einzige Mythos, der hier entlarvt werde, sei derjenige, der um Hills Talent gewachsen sei („The only myth debunked here is the one that has grown up around Hill’s talent.“). „Trespass“ mag nicht zu den Glanzstücken des Regisseurs wie „The Warriors“ (1979), „Die letzten Amerikaner“ (1981), „Straßen in Flammen“ (1984) und „Red Heat“ (1988) aufschließen, verdient aber als so konsequenter wie schnörkelloser Reißer ebenfalls Beachtung. Jedenfalls mehr Beachtung, als ihm in Hills Filmografie nach meiner Wahrnehmung zuteil wird.

Goldgier macht aus Freunden Feinde

Das Drehbuch zu „Trespass“ schrieben im Übrigen die beiden „Zurück in die Zukunft“-Schöpfer Bob Gale und Robert Zemeckis, und das bereits in den 1970er-Jahren. Bei einigen Motiven haben sie sich womöglich bei John Hustons Goldgier-Klassiker „Der Schatz der Sierra Madre“ (1948) mit Humphrey Bogart bedient.

HipHop und Ry Cooder

Als musikalische Untermalung diente eine Mischung aus HipHop-Songs (zwei davon von Ice-T) und dem Score von Ry Cooder, Stammkomponist für Walter Hill, der Cooder damit beauftragte, weil er mit dem ursprünglichen Soundtrack nicht zufrieden war. An den Kinokassen floppte der Actionthriller, spielte nicht mal sein Budget von 14 Millionen Dollar ein. Der Film war vielleicht zur falschen Zeit am falschen Ort, war aufgrund der Unruhen in Los Angeles ab Ende April 1992 sogar verschoben worden. Der ursprünglich vorgesehene Titel „The Looters“ („Die Plünderer“) wurde ersetzt, weil man befürchtete, mit dieser Bezeichnung würden die schwarzen Darsteller identifiziert und damit diskreditiert werden (obwohl ganz eindeutig die zwei weißen Feuerwehrmänner die Plünderer sind). So war „Trespass“ am Ende bei der Produktionsfirma Universal Pictures vielleicht ein eher ungeliebtes Kind, was zum Misserfolg im Kino beigetragen haben mag.

FSK 18 wirkt zu streng

Seinerzeit kam der Film unter dem bescheuerten Titel „Die Rap-Gang“ in die deutschen Kinos, und so lautet auch noch der Titel der deutschen DVD-Erstauflage. Er klingt eher nach einer seichten Komödie als nach dem knallharten Action-Abenteuer, das „Trespass“ ist. Wobei die Altersfreigabe ab 18 Jahren nach heutigen Maßstäben zu hart erscheint. FSK 16 reicht völlig, aber verständlich, dass die deutschen Publisher dafür keinen neuen Prüfantrag stellen. Die 2020 von Turbine Medien veröffentlichte deutsche Blu-ray ist weiterhin lieferbar, die zwei Jahre zuvor erschienenen Mediabooks nicht mehr. Für Walter-Hill-Fans ist „Trespass“ ohnehin unverzichtbar, aber auch über diese Personengruppe hinaus sei der Film all jenen angeraten, die Action und Gangsterfilme zu würdigen wissen.

Alle bei „Die Nacht der lebenden Texte“ berücksichtigten Filme von Walter Hill haben wir in unserer Rubrik Regisseure aufgelistet, Filme mit Ice Cube, Ice-T, Bill Paxton und William Sadler unter Schauspieler.

Veröffentlichung: 24. April 2020 als Blu-ray, 9. November 2018 als 2-Disc Edition Mediabook (Blu-ray & DVD, 3 Covermotive à 500 Exemplare), 19. Oktober 2007 als DVD

Länge: 101 Min. (Blu-ray), 97 Min. (DVD)
Altersfreigabe: FSK 18
Sprachfassungen: Deutsch, Englisch
Untertitel: Deutsch, Englisch
Originaltitel: Trespass
Alternativtitel: The Looters
Deutscher Verleihtitel: Die Rap-Gang
USA 1992
Regie: Walter Hill
Drehbuch: Bob Gale, Robert Zemeckis
Besetzung: Bill Paxton, Ice-T, William Sadler, Ice Cube, Art Evans, De’voreaux White, Bruce A. Young, Glenn Plummer, Stoney Jackson, T. E. Russell, Tom Lister Jr., John Toles-Bey, Byron Minns, Tico Wells, Hal Landon Jr., James Pickens Jr., L. Warren Young
Zusatzmaterial 2018/2020: Interview mit Darsteller William Sadler (12:31 Min.), Interview mit Ko-Autor/Produzent Bob Gale (13:15 Min.), Interview mit Produzent Neil Canton (13:50 Min.), Featurette über die Stunts (6:10 Min.), Featurette über die Waffen (6:28 Min.), Hinter den Kulissen (4:07 Min.), Musikvideo-Clip (3:25 Min.), entfernte Szenen (4:49 Min.), Trailer (2:00 Min.), nur Mediabooks: 24-seitiges Booklet mit einem Text von Tobias Hohmann, nur Blu-ray: Wendecover
Label/Vertrieb 2018/2020: Turbine Medien
Label/Vertrieb 2007: Koch Media / Universal Pictures Germany GmbH

Copyright 2024 by Volker Schönenberger

Unterer Blu-ray-Packshot: © 2020 Turbine Medien, DVD-Packshot: © 2007 Koch Media,
Szenenfotos: © 1992 Universal Pictures

 

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