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Horror für Halloween (XXII) / Lucio Fulci (III): Zombi 3 – Ein neuer Anfang: Der fliegende Kopf aus dem Kühlschrank

08 Okt

Zombi 3

Von Volker Schönenberger

Horror // In einer US-Forschungseinrichtung auf den Philippinen liegt ein lebloser nackter Mann in einem Behälter. Give me Death One!, befiehlt der Professor Dr. Holder (Robert Marius) seiner Asisstentin. Dann injiziert er dem Körper die Substanz „Death One“. Es scheint zu klappen, der Mensch erwacht zum Leben. Doch die Freude währt nur kurz: Der Proband beginnt, sich vor den entsetzten Augen der beiden zu zersetzen. Bis die Reaktion endet und das im Gesicht nun furchtbar entstellte Wesen sich abrupt aufsetzt und dabei die gewölbte Scheibe über dem Behälter durchschlägt, als sei es nichts.

Wenn Vögel Untoten-Asche einatmen

Kurz darauf überfallen Terroristen die Einrichtung. Bis auf einen können sie zwar ausgeschaltet werden, doch dieser eine reicht schon: Er stiehlt einen Koffer mit „Death One“ und entkommt zu Fuß, verfolgt von einem Helikopter. Dabei wird der Koffer beschädigt und der darin befindliche Glasbehälter mit der Substanz zerbricht. Der Terrorist verletzt sich an den Scherben und flüchtet sich in ein nahe gelegenes Hotel. Dort spüren ihn schließlich US-Soldaten in Schutzanzügen auf, nachdem er bereits eine Bedienstete ermordet hat. Der Mann stirbt und wird auf Geheiß von General Morton (Mike Monty) verbrannt. Der Rauch aus dem Schornstein des Krematoriums erreicht einige Vogelschwärme. In der Folge entwickelt sich eine zünftige Zombie-Apokalypse, da die Vögel Menschen attackieren und die Verwundeten zügig zu entstellten Untoten mutieren, die nach Menschenfleisch gieren.

Fällt gegenüber „Über dem Jenseits“ deutlich ab

Potztausend – da fliegt nach 50 Minuten doch urplötzlich der Kopf eines Zombies aus einem Kühlschrank. Wer das für Trash hält, liegt sicher nicht falsch. Angeblich gehört die Szene zu den wenigen Aspekten von „Zombi 3 – Ein neuer Anfang“, auf die Regisseur Lucio Fulci stolz ist. Nun ja, originell ist sie jedenfalls. Der Plot und die Handlung des Streifens haben wenig von der geradezu surrealen Klasse, die Fulcis Zombie-Großtaten „Ein Zombie hing am Glockenseil“ (1980) und „Über dem Jenseits“ (1981) auszeichnet. Dieses Deliriende schimmert lediglich ein paar Mal in einzelnen, statischen Einstellungen durch. Auch das Make-up der Zombies haben wir schon mal deutlich besser gesehen, und wenn Menschen und Untote in den Infight gehen, wirkt das arg unbeholfen, geradezu amateurhaft. Oben erwähnte Einstiegsszene trägt mit dem sich langsam zersetzenden Gesicht des Probanden durchaus Fulcis Handschrift, obgleich die Intensität einer vergleichbaren Sequenz zu Beginn von „Über dem Jenseits“ bei Weitem nicht erreicht wird.

Der Hauptteil der Handlung wird bestimmt von ein paar jungen Touristinnen, die mit drei US-Soldaten als Beschützern ihr Heil in der Flucht suchen. Über sie erfahren wir nicht viel, ihre Charaktere bleiben blass, aber für das Innenleben des menschlichen Zombiefutters interessieren wir uns in der Regel ohnehin nicht allzu sehr. Die Untoten wirken motorisch uneinheitlich. Einige wanken in gewohnt lahm-schlurfender Weise, andere sind erstaunlich flink. Die Soldaten in ihren weißen Schutzanzügen erinnerten mich in Aussehen und Verhalten übrigens stark an diejenigen in George A. Romeros „Crazies“ (1973), eine Hubschrauberflucht am Ende wiederum ans Finale von Romeros „Zombie“ (1978). Zum Finale gibt es noch einen netten kleinen Gag mit dem Radio-DJ Blue Heart, der bereits zuvor das Geschehen über den Äther kommentiert hatte.

Untote suchen die Philippinen heim

Gedreht wurde an Originalschauplätzen auf den Philippinen, die womöglich aufgrund der preiswerten Drehmöglichkeiten als Handlungsort auserkoren worden waren. Erkrankte Lucio Fulci während der Arbeit an „Zombi 3“? Oder verhinderte ein Disput mit Produzent Franco Gaudenzi, dass er den Film selbst fertigstellte? So oder so scheint laut Trivia der Internet Movie Database einigermaßen gesichert, dass Fulci das Projekt verließ, nachdem er eine Rohfassung von 70 Minuten angefertigt hatte. Weil diese Gaudenzi dem Vernehmen nach zu langatmig war, wurde sie um 20 Minuten gestrafft. Das reichte bei Weitem nicht mehr für Spielfilmlänge, also übernahmen Bruno Mattei und Drehbuchautor Claudio Fragasso und drehten weitere 40 Minuten neu, darunter wohl etliche Sequenzen vom Anfang des Films. Mattei war verfügbar, weil er für seine eigene Regiearbeit „Heroin Force“ gerade ebenfalls auf den Philippinen weilte. Das Skript stammte im Übrigen wohl hauptsächlich von Fragassos Ehefrau Rossella Drudi, die dafür allerdings aus mir unbekannten Gründen keine Credits zugesprochen bekam.

Das Regieduo von „Die Hölle der lebenden Toten“

Mattei und Fragasso hatten zusammen bereits „Die Hölle der lebenden Toten“ (1980) gedreht, quasi ein Epigone des Romero-Epigonen Fulci. „Zombi 3“ ähnelt dann auch mehr diesem Film als etwa Fulcis „Woodoo – Die Schreckensinsel der Zombies“ (1979). Dessen Originaltitel lautet übrigens „Zombi 2“, international wurde er auch als „Zombie Flesh Eaters“ vermarktet. Da verwundert es nicht, dass „Zombi 3“ fürs Vereinigte Königreich den Titel „Zombie Flesh Eaters 2“ verpasst bekam. Er setzt allerdings keineswegs im Anschluss daran an, sondern erzählt eine ganz eigene, wenn auch alles andere als originelle Geschichte.

Die gewohnte Zensur in Deutschland

In Deutschland fristet „Zombi 3 – Ein neuer Anfang“ das übliche Dasein vieler Zombie-Schocker jener Ära: Die ungeschnittene Fassung des Films unterliegt einem Verbreitungsverbot. Wann unternimmt endlich jemand den Versuch, Lucio Fulci von den Fesseln der deutschen Zensur zu befreien? Gerade im Falle von „Zombi 3“ erscheint es absurd, dass noch im Jahr 2002 ein Staatsanwalt und ein Richter es für nötig hielten, die Beschlagnahmung einer deutschen DVD-Veröffentlichung durchzuziehen. Speziell im Zombiesektor bekommen wir heutzutage Härteres schon im Fernsehen zu Gesicht. Eine deutsche FSK-16-DVD ist natürlich tunlichst zu meiden. Der weltweit ersten Blu-ray des Films – 2015 im Vereinigten Königreich von 88 Films produziert – sind mittlerweile einige Editionen in Österreich gefolgt, sogar vollständig synchronisiert. Haben wir es nun mit einem Fulci-Film oder mit einem Mattei-Fragasso-Film zu tun? Die Wahrheit liegt wohl irgendwo in der Mitte. Fulcis Zombie-Klassiker bleiben unerreicht, aber mit einem zugedrückten Auge lässt sich auch „Zombi 3“ mit Freude schauen, sofern man weiß, dass sich der Streifen doch etwas an den Grenzen des Trashs verortet.

Alle bei „Die Nacht der lebenden Texte“ berücksichtigten Filme von Lucio Fulci haben wir in unserer Rubrik Regisseure aufgelistet.

Veröffentlichung: 2. Mai 2006 als DVD

Länge: 95 Min. (Blu-ray, ungekürzt), 91 Min. (DVD, ungekürzt), 72 Min. (FSK-16-DVD)
Altersfreigabe: FSK 16
Sprachfassungen: Deutsch
Untertitel: keine Angabe
Originaltitel: Zombi 3
Alternativtitel: Zombie Flesh Eaters 2
IT 1988
Regie: Lucio Fulci, ohne Credits: Claudio Fragasso, Bruno Mattei
Drehbuch: Claudio Fragasso
Besetzung: Deran Sarafian, Beatrice Ring, Ottaviano Dell’Acqua, Massimo Vanni, Ulli Reinthaler, Marina Loi, Deborah Bergamini, Luciano Pigozzi, Robert Marius, Antone Pagán
Zusatzmaterial: keine Angabe
Label/Vertrieb: KSM GmbH

Copyright 2020 by Volker Schönenberger

Unterer Packshot: © 2006 KSM GmbH

 

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