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Blutiger Strand – Warum kennt den keiner?

09 Nov

Beach Red

Von Volker Schönenberger

Kriegsdrama // Ein paar infernalische Aufnahmen von Bombeneinschlägen und -explosionen eröffnen den im Zweiten Weltkrieg angesiedelten „Blutiger Strand“. Ihnen folgt der Vorspann mit den bittersüßen Klängen des wunderschönen Titelsongs, geschrieben vom philippinischen Komponisten Antonio Buenaventura (1904–1996), gesungen von der im Film auch in Rückblenden mitwirkenden Schauspielerin Jean Wallace (1923–1990). Dieser Vorspann bietet mit der Musik und seinen teils idyllischen, gemalten Bildern eine reizvolle Einstimmung auf das Kommende. Dabei handelt es sich anscheinend um Motive aus dem US-amerikanischen und japanischen Zivilleben, die gespickt sind mit ebenfalls gemalten Ansichten von Soldaten im tödlichen Kriegsgeschehen. Eine gelungene Idee und gleichsam eine feine Antikriegsbotschaft gleich zu Beginn.

Angriff!

Das letzte Motiv schwenkt mit einem simplen und deshalb umso bemerkenswerteren Trick über zu den Bewegtbildern einer Einheit von US-Soldaten: Das letzte Bild wurde mit ein paar davor stehenden GIs abgefilmt. Diese bereiten sich an Bord eines Truppentransporters auf die Erstürmung einer von den Japanern gehaltenen philippinischen Insel vor. Die amerikanische Artillerie hat das Gebiet zuvor ausgiebig unter Beschuss genommen, dennoch ist mit heftiger Gegenwehr zu rechnen. Mit diesem Wissen besteigen die Soldaten unter der Führung von Captain McDonald (Cornel Wilde) die Landungsboote. Viele von ihnen werden die Attacke nicht überleben. Während die Kriegsschiffe weiter die Geschützrohre in Richtung Land glühen lassen, nähert sich eine Armada aus randvoll mit Soldaten bestückten Booten dem Ufer, das alsbald ein blutiger Strand werden wird.

Inspiration für Steven Spielberg

Wie mag sich ein Soldat fühlen, der im brusthohen Wasser ausgesetzt wird und von dort unter feindlichem Gewehr- und Granatfeuer ohne jede Chance auf Deckung an Land waten muss, während er links und rechts von sich reihenweise getroffene Kameraden in den Fluten versinken sieht? Man mag es sich nicht vorstellen und will auf keinen Fall je in eine solche Lage kommen. 1998 bekam das Filmpublikum davon weltweit mit der legendären Einstiegssequenz von „Der Soldat James Ryan“ einen Eindruck. Näher konnte man sich vor der Kinoleinwand dem tödlichen Geschehen an den Stränden der Normandie sicher nicht fühlen. Sonderbar, dass „Blutiger Strand“ im Zuge des Erfolgs von Steven Spielbergs Invasions-Epos keine Aufmerksamkeit bekommen hat (sofern mich meine Erinnerung nicht täuscht), hat sich Spielberg doch speziell bei erwähnter Erstürmungssequenz klar von Cornel Wildes 1967er-Regiearbeit inspirieren lassen. Für die damalige Zeit fallen die Bilder denkbar drastisch aus – ein abgetrennter Fuß treibt im Wasser, eine japanische Granate fetzt einem GI den Arm ab (der Bedauernswerte steht sogar noch auf und wankt ein paar Schritte, bevor er einem Sanitäter in die Arme fällt). Die Intensität der Bilder ist beachtlich und die Beklemmung spürbar.

Die GIs rücken vor …

Gedreht wurde „on Location“ auf den Philippinen und in Japan – natürlich die richtige Entscheidung für einen Film, der den Schmutz des Kriegsgeschehens zeigen will. Bei den Darstellern der japanischen Soldaten handelte es sich tatsächlich um Angehörige der philippinischen Armee. Der Regisseur lässt uns per Stimmen aus dem Off an den Gedanken einzelner Soldaten teilhaben. Der eine hofft, Nahkämpfen mit Bajonetten ausweichen zu können, der andere sinniert darüber, wie er sich mit einer leichten Wunde in den Heimaturlaub retten kann. Zwischendurch bekommen wir die Ängste und Träume der Soldaten auch als Fotografie/Standbild und teils auch in Bewegtbildern zu sehen, beispielsweise in der Abbildung von Captain McDonalds Ehefrau Julie (Cornel Wildes Ehefrau Jean Wallace). Wir lernen somit viel über die Ängste der GIs, über vereinzelte Soldaten auch Persönliches.

Der Kriegsgegner als Mensch

Bemerkenswert für einen US-Kriegsfilm der 1960er, dass auch der Feind zu seinem Recht kommt, als Mensch mit denselben Ängsten dargestellt zu werden. Ein japanischer Soldat streckt einen GI mit dem Bajonett nieder, erschrickt im selben Moment über das, was er da gerade getan hat, und bekommt sogleich selbst ein Messer in den Leib gerammt. Und während er seinen letzten Atemzug tut, denkt er an Frau und Kind daheim – beide bekommen wir als Fotografien zu sehen. Wen das kaltlässt, der hat kein Herz, und die Szene hat seinerzeit hoffentlich auch in den US-Kinos ihre Wirkung nicht verfehlt.

… und setzen auch Flammenwerfer ein

Natürlich bleibt Wilde vornehmlich bei den US-Soldaten. Eine nahezu gleichberechtigte Betrachtung beider Seiten wie in Clint Eastwoods 2006er-Regiedoppel „Flags of Our Fathers“ und „Letters from Iwo Jima“ wird nicht geboten, dafür war in den 1960er-Jahren die Zeit wohl noch nicht reif. Gleichwohl hebt sich „Blutiger Strand“ wohltuend von vielen Hollywood-Kriegsfilmen seit Ende des Zweiten Weltkriegs ab, in denen aufrechte Recken heldenhaft in den Einsatz ziehen und Krieg geradezu ein Abenteuer ist, das nur darauf wartet, von echten Kerlen bewältigt zu werden. Nichts gegen diese Art Kriegsfilm, die schaue ich auch sehr gern, aber sie fallen doch oft arg kriegsbejahend aus. Zugegebenermaßen erscheint es in Bezug auf den Zweiten Weltkrieg auch nachvollziehbar, es zu bejahen, gegen Hitler-Deutschland oder das kaiserliche Japan in den Kampf zu ziehen. Umso bemerkenswerter, dass es Cornel Wilde augenscheinlich überhaupt nicht darum ging, eine ideologische Rechtfertigung zu liefern. Stattdessen bleibt der Hintergrund des Pazifikkriegs in „Blutiger Strand“ irrelevant, die weltpolitische Gemengelage unerwähnt. Wilde bricht die große Auseinandersetzung auf die Soldaten herunter, die ihr Leben lassen. Das tut er ohne Pathos, verzichtet über weite Strecken auch auf musikalische Untermalung und lässt die Bilder für sich wirken.

Antikriegsfilm?

Macht das „Blutiger Strand“ zu einem Antikriegsfilm? Eine heikle Frage, die ebenso schwer zu beantworten ist, wie bei vielen großartigen Kriegsfilmen mit kritischer Botschaft. Meines Erachtens ist Cornel Wildes pazifistische Botschaft deutlich zu erkennen (er schrieb übrigens auch am Drehbuch mit). Krieg ist ihm ein Gräuel, und er missbilligt es, dass der Krieg zuhauf gewaltsame Tode verursacht. Das Problem dabei ist der Fokus auf die Kampfhandlungen, und diese fallen nun mal – bei aller abstoßender Gewalt und Tragik – auch faszinierend aus. Vielleicht entspricht es der Quadratur des Kreises, einen Antikriegsfilm zu drehen, in welchem die Darstellung der militärischen und kämpferischen Auseinandersetzung einen gewichtigen Anteil ausmacht. Das ändert nichts an der meines Erachtens herausragenden Qualität von „Blutiger Strand“, der viel mehr Bekanntheit verdient hat.

So schnell gibt ein Japaner nicht auf

Die inneren Monologe der Soldaten erinnern an Terrence Malicks epochales Pazifik-Kriegs-Epos „Der schmale Grat“ (1998). Der Filmwissenschaftler und Publizist Prof. Dr. Marcus Stiglegger schreibt in seinem Essay „Spirituelle Reise durch eine verschwindende Welt – Der Kriegsfilm ,Der schmale Grat‘ als existenzialphilosophischer Essayfilm“ (erschienen in Stigleggers Essay-Band „Jenseits der Grenze – Im Abseits der Filmgeschichte“, 2019) über „Blutiger Strand“: … montierte er [gemeint ist Cornel Wilde] mitten in die Kampfszenen subjektive Erinnerungsbilder der Soldaten und legte ihre Off-Kommentare über die Bilder – eine Technik, die Malick für seinen Film übernahm. Es ist allerdings nicht bekannt, ob er „Blutiger Strand“ kannte. Die blutigen Kampfszenen bei der Landung auf der Pazifikinsel nahmen zudem den Anfang von Steven Spielbergs „Der Soldat James Ryan“ (1998) vorweg. Cornel Wildes Regiearbeiten sind also doch vereinzelten Filmkennern ein Begriff. Auf meine Frage, weshalb „Blutiger Strand“ so wenig präsent sei, äußerte Stiglegger mir gegenüber, er denke, Cornel Wilde werde in Deutschland sehr unterschätzt und als Exploitationregisseur missverstanden. Das mag sein, umso besser, dass sich das Label explosive media des Films angenommen und ihn in guter Bild- und Tonqualität auf Blu-ray und DVD veröffentlicht hat. Etwas mehr Bonusmaterial hätte ich mir gewünscht: Außer einem Trailer und einer Bildergalerie findet sich lediglich ein kurzes Interview mit Cornel Wilde, das obendrein keine erhellenden Informationen liefert. Wir erfahren lediglich, dass Wilde ein bodenständiger Typ ohne Jet-Set-Allüren war.

Cornel Wilde – Schauspieler, Produzent, Regisseur

Der als Sohn jüdischer Eltern in Ungarn geborene Cornel Wilde (1912–1989) war hauptsächlich Schauspieler. Seinen 69 Schauspieler-Credits in der IMDb stehen lediglich neun Regiearbeiten gegenüber. Für seine Rolle als Frédéric Chopin in King Vidors „Polonaise“ („A Song to Remember“) wurde er 1946 für den Oscar als bester Hauptdarsteller nominiert. 1960 erhielt er seinen Stern auf dem „Walk of Fame“. Mit seiner Ehefrau Jean Wallace hatte er in den 1950er-Jahren die Produktionsfirma Theodora Productions gegründet, um selbst Filme produzieren und inszenieren zu können. In seinen Regiearbeiten spielte er gern die Hauptrolle, so auch im zwei Jahre vor „Blutiger Strand“ entstandenen „Der Todesmutige“, einem außergewöhnlichen, in Afrika angesiedelten Survival-Abenteuer. Cornel Wilde – ein Schauspieler und Regisseur, den es hierzulande offenbar zu entdecken gilt. Welche weiteren Filme mit ihm auf dem Regiestuhl oder in tragender Rolle könnt Ihr empfehlen? Alle bei „Die Nacht der lebenden Texte“ berücksichtigten Filme mit Cornel Wilde haben wir in unserer Rubrik Schauspieler aufgelistet.

Ein Verwundeter wird versorgt

Veröffentlichung: 8. Oktober 2020 als Blu-ray und DVD

Länge: 104 Min. (Blu-ray), 101 Min. (DVD)
Altersfreigabe: FSK 16
Sprachfassungen: Deutsch, Englisch
Untertitel: Deutsch, Englisch
Originaltitel: Beach Red
USA 1967
Regie: Cornel Wilde
Drehbuch: Clint Johnston, Don Peters, Cornel Wilde (als Jefferson Pascal), nach einem Roman von Peter Bowman
Besetzung: Cornel Wilde, Rip Torn, Burr DeBenning, Patrick Wolfe, Jean Wallace, Jaime Sánchez, Dale Ishimoto, Genki Koyama, Gene Blakely, Michael Parsons, Norman Pak, Dewey Stringer, Fred Galang, Hiroshi Kiyama, Michio Hazama, Linda Albertano
Zusatzmaterial: Interview mit Cornel Wilde (2:35 Min.), Trailer, Bildergalerie, Wendecover
Label: explosive media
Vertrieb: Koch Films

Copyright 2020 by Volker Schönenberger

Szenenfotos & unterer Packshot: © 2020 explosive media

 
 

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24 Antworten zu “Blutiger Strand – Warum kennt den keiner?

  1. Steffen

    2021/01/16 at 08:44

    Da muß ich leider passen. Ist einfach nicht meine Zeit.

     
  2. Thomas Oeller

    2021/01/14 at 22:26

    da musste ich erst einmal nachforschen und kenne nur zwei Filme von ihm:

    Der scharlachrote Rock
    Sturm über Persien

    Das Geheimnis der eisernen Maske kenn ich von der Handlung her, aber ich glaube nicht seine Version davon, zumindest erinner ich mich nicht an sie

     
    • SmileySmile77

      2021/01/20 at 22:33

      „Der scharlachrote Rock“ – den hatte ich völlig überlesen. Der lief vor einigen Jahren mal im Vormittagsprogramm und hatte mich richtig gefesselt. Wäre auch eine Wiederentdeckung auf Blu-ray wert.

       
  3. SmileySmile77

    2021/01/11 at 20:31

    Sein Name schien mir vertraut, aber beim Durchlesen seiner Filmtitel hat kein einziger bei mir ein Klingeln im Kopf ausgelöst. Und so schön „Mörderhaie greifen an“ auch als Titel klingt, so unwahrscheinlich ist es, dass ich ihn auch gesehen habe.

     
  4. Christian Anger

    2021/01/11 at 14:40

    Ich verehre ihn als Regisseur sehr! Neben der „Naked Prey“ aka „Der Todesmutige“ muss ich seinen visionären Endzeitfilm „No Blade Of Grass“ (als DVD erschienen von Warner On Demand) dringend empfehlen! Der Film nahm zig Motive der späteren Endzeit-Welle (marodierende Biker etc.) vorweg.

    Als Schauspieler habe ich ihn bisher weniger erforscht, allerdings fand ich ihn hervorragend im Gangsterfilm / Film Noir „Geheimring 99“.

    Dass „Blutiger Strand“ nun endlich veröffentlicht wurde, finde ich sensationell! Bin schon lange auf der Suche. Ein Gewinn wäre mega.

     
  5. Dysmas

    2021/01/10 at 13:15

    Konstantin der Große 😍

     
  6. minielli1234

    2021/01/09 at 23:41

    puh ich glaube als kind habe ich mal *Das Geheimnis der eisernen Maske* gesehen und ich steh halt auf so zeugs, deswegen hat er mir echt gut gefallen,… aber sonst, sagt mir der kerl ehrlich nichts… muss sich schleunigst ändern ❤

     
  7. Sascha Klein

    2021/01/09 at 20:19

    Ich kenne noch nichts von ihm, der Film Gargoyles von 1972 und die Abenteuerfilme würden mich interessieren und der hier verloste natürlich.

     
  8. Matthias

    2021/01/09 at 16:01

    Das Geheimnis der eisernen Maske

     
  9. Bernd Rohe

    2021/01/09 at 11:46

    Sturm über Persien, Konstantin der Große. War wohl eher nicht so kinosaalfüllend?

     
  10. Carmen

    2021/01/09 at 10:09

    Das Geheimnis der eisernen Maske

     
  11. Eva

    2021/01/09 at 09:41

    Ich kenne Cornel Wilde nur als Darsteller des Bruce Carlton in „Amber, die große Kurtisane“. Nachdem mir die Buchvorlage von Kathleen Winsor gut gefallen hatte, musste ich natürlich diesen Film unbedingt sehen.

     
  12. Michael Behr

    2021/01/08 at 22:00

    Ich habe vor Jahren die „Mörderhaie“ gesehen. Sonderlichen Eindruck hat der allerdings nicht auf mich gemacht, die Erinnerungen sind jedenfalls sehr verschwommen. Aber der „Blutige Strand“ klingt in der Tat recht interessant.

     
  13. Björn Kramer

    2021/01/08 at 19:52

    Das Geheimnis der eisernen Maske

     
    • Imke

      2021/01/11 at 09:27

      Als Schauspieler wesentlich mehr so kann ich nur Sturm über Persien nennen

       
  14. Andreas H.

    2021/01/08 at 19:29

    Ich kenne leider nur „Sturm über Persien“ und „Mörderhaie greifen an“ von ihm.

     
  15. Christoph

    2021/01/08 at 12:49

    Ich kenne ihn bislang nur als Schauspieler in DeMilles The Greatest Show on Earth. Den kann man sich durchaus mal gönnen.

     
  16. Christoph Leo

    2021/01/08 at 11:28

    Ich kenne peinlicherweise auch keinen. Am interessantesten klingt tatsächlich Blutiger Strand.

     
  17. flolefou

    2021/01/08 at 11:25

    Leave her to heaven (1945).

    Seine Regiearbeiten kenne ich leider (noch) nicht.

     
  18. Robert

    2021/01/08 at 10:36

    Mörderhaie greifen an… Sowohl als Regisseur als auch als Darsteller

     
    • Petra Dietrich

      2021/01/08 at 11:10

      Schaue gerne auch mal ältere Filme, kenne mit ihm aber nur den Film
      Das Geheimnis der eisernen Maske (1979) oder auch der fünfte Musketier
      Cornel Wilde spielte den D’artagnan.
      Hat mit gut gefallen, kann ich auch empfehlen, wenn man Mantel und Degen Filme mag.

       
  19. Frank Warnking

    2021/01/08 at 10:04

    von ihm kenne ich auch keinen 😦

     

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