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The Rental – Tod im Strandhaus: Mit Beherbergungsverbot wäre das nicht passiert

10 Mai

The Rental

Von Tonio Klein

Horrorthriller // Sollte dies jemand in fernen Jahren lesen: Wir befinden uns im Jahre 2021. Die ganze Welt ist von der Corona-Pandemie erobert. Die ganze Welt? Nein! In einem Traumhaus an einer Steilküste in Oregon gibt es kein Beherbergungsverbot und überhaupt kein Corona (zum Drehzeitpunkt 2019 war COVID-19 noch nicht bekannt, die Atemwegskerkrankung trat erstmals im Dezember auf und erhielt zwei Monate später ihren Namen). Dieses Haus haben zwei junge Pärchen für ein Wochenende über ein Online-Portal gemietet: die Brüder Charlie (Dan Stevens) und Josh (Jeremy Allen White), Charlies Frau Michelle (Alison Brie) und Charlies Geschäftspartnerin Mina (Sheila Vand), gleichzeitig Joshs Freundin. Zwar scheint der Vermieter und/oder Hausverwalter Taylor (Toby Huss) ein Rassist zu sein, weil Mina Mohammadis (!) Mietgesuch zuvor abgelehnt worden war und Taylor gerade ihr gegenüber unfreundlich ist. Aber das Haus gefällt, und Michelle hat eine Tüte Ecstasy mitgebracht, was will man mehr?

Rätselhafte Figur: Taylor

Natürlich gibt’s mehr, als den Vieren lieb ist. Anscheinend betritt Taylor das Haus in der Anwesenheit der Mieter, wie es ihm passt. Zudem finden sie sogleich einen Kellerraum, der mit einem Zahlencode gesichert ist – aaah, der berühmte Raum, den niemand betreten darf. Ist dieser sogar bewohnt, ist unser Quartett nicht allein?

Schon im Stillen dräuendes Unheil

Der nicht gerade lange Film lässt sich reichlich Zeit, um Spannung zu erzeugen, wobei die erste Hälfte in der Nachbetrachtung dann doch besser ist, als es schien, denn einige Probleme werden bereits geschickt angedeutet. Als wir die Protagonisten kennenlernen und sich Mina vor dem PC lächelnd über Charlies Schulter beugt, vermuten wir zunächst, dass eigentlich Charlie und Mina ein Pärchen wären. Umso irritierender der nicht nur freundschaftlich wirkende Kuss, als Josh eintrifft.

Noch passen alle zusammen

Später im Haus folgen ein paar zunächst rätselhafte Szenen, die schon einen ungebetenen Mitbewohner andeuten. Die Tatsache, dass ein Fernrohr zum Beobachten des Sternenhimmels herangekarrt wird, als Hinweis, dass man sich damit nicht nur als Spanner betätigen, sondern auch Opfer eines solchen werden kann. Josh nimmt unangekündigt seinen Hund mit, was nicht nur gegen die Vermieterregeln verstößt und verheimlicht werden muss, sondern was auch Charlie äußerstes Unbehagen verursacht, der anscheinend Angst vor Hunden hat. Über Josh erfahren wir, dass er schon einmal gewalttätig geworden war und daher Bekanntschaft mit der Justiz gemacht hatte – hat er das wirklich überwunden? Charlie hatte Michelle verheimlicht, dass er nicht nur mit ihr, sondern auch mit ihrer „Vorgängerin“ etwas angefangen hatte, als er noch anderweitig liiert war. Charlie und Mina im Whirlpool – ist da nur das Wasser heiß? Michelle besteht am zweiten Abend am Energischsten darauf, sich zuzudröhnen. Viele Probleme …

Mina wird große Augen machen

Irgendwann gibt es eine Leiche und wir erfahren, dass es definitiv einen geheimnisvollen Sechsten gibt. Hier nimmt „The Rental – Tod im Strandhaus“ endlich Fahrt auf und der Horrorthriller präsentiert uns eine spannende Parallelmontage in morbider Stimmung und Lichtsetzung, in der einige des Nachts im Gegenlicht von Autoscheinwerfern die Leiche beseitigen wollen und zwei im Horror-Haus Katz und Maus spielen. Die Dezimierungen folgen sodann Schlag auf Schlag und wir können miträtseln, ob es ein Final Girl, Boy oder Dog gibt.

Licht und Schatten

Ich bin immer gern bereit, kleinen Genrefilmen eine Chance zu geben. Wenige Personen auf engem Raum, also offenbar überschaubares Budget, keine Stars, da erwarte ich nicht einen neuen Orson Welles und freue mich über nicht mehr als solide Unterhaltung. Aber bitte auch nicht weniger. Ich wollte den Film mögen, aber bei auf den ersten Blick ähnlicher Konstellation ist mir das im Falle von „The Beach House – Am Strand hört dich niemand schreien“ (2019) deutlich besser gelungen. „The Rental“ hat seine Stärken, ist aber insgesamt zu unausgegoren, um zu überzeugen.

Ein Film mit enormer Fallhöhe

Der junge Darsteller Dave Franco gibt sein Langfilm-Regiedebüt und ist im stilistischen Handwerk sicherer als im Geschichtenerzählen. Das sieht alles gut aus, er weiß, wo eine Kamera hin muss, wie man Szenen ausleuchtet, wie man einen wirklich beeindruckenden Drehort findet und nutzt. Auch sein Darstellerensemble schlägt sich ordentlich, wobei ich den Kontrast vom etwas milchgesichtig wirkenden kleinen Bruder Josh und der in ihm brodelnden Gewalt am interessantesten fand.

Stimmungsvolle Ausleuchtung

Dem Film fehlen aber der rechte Rhythmus und die Plausibilität des Verhaltens der Figuren, deren Charakterisierungen zudem nicht über das Schablonenhafte hinauskommen. Zu getragen am Anfang, zu flottes Killen gegen Ende. Und Horrorfilme, die schwächeren jedenfalls, haben oft etwas klischeehaft Konservatives, hier: die potenziellen Ehebrecher, die Drogenkonsumenten, der Macho, der (vormalige?) Gewalttäter. Irgendeine „Rechtfertigung“ für das Abschlachten muss halt her.

Achtung, bald gibt’s kein Halten mehr

Zur mangelnden Plausibilität: Ich bin da eigentlich nicht übermäßig beckmesserisch, und auch ein Großmeister wie Alfred Hitchcock war notorisch schlecht in der Vermeidung von Unplausiblem. Er war aber erstklassig darin, den Zuschauer davon abzulenken. Bei Franco hingegen wird man nicht von der Haupthandlung fortgeführt und hat jede Menge Zeit und Gelegenheit, das Hirn einzuschalten. Was dem Film nicht guttut. Warum gibt es einen supergeheimen Geheimraum, der mit einem Zahlencode gesichert ist, wo sich doch die popelige Holztür samt Code-Schloss mühelos eintreten lässt? Warum können Mina und Charlie das definitiv nicht nur freundschaftliche, lange Küssen nicht lassen, wo doch jeden Moment einer der beiden anderen vorbeikommen kann? Warum entfernen sie auch gegen Ende (für die davor liegende Zeit gibt es eine Erklärung) nicht die Kameras, die sie entdeckt haben?

In der Mauer, auf der Lauer, ist ne kleine Wanze?

Vor allem aber mal wieder: Raus, und zwar zusammen und sofort! Ganz weit weg! Der Film kann zu Anfang noch erfolgreich erklären, warum die Vier dies nicht tun. Aber zu einem Zeitpunkt, an dem einige nun wirklich den Beweis haben, dass ein Killer sein Unwesen treibt und dass er definitiv im selben Haus ist, spielen sie immer noch Detektiv und/oder trennen sich – es ist zum Steinerweichen. Gewisse Szenen muss man einfach mal gesehen haben, um sie zu glauben. Michelle schickt Charlie eine Nachricht, sie habe einen Unfall gehabt und sei nun in Todesangst. Charlie eilt allein (!) zu dem Wagen, frontal gegen einen Baum geprallt, aber Seitenscheibe komplett zerstört, Michelle abwesend. Er ruft sie an, das Handy meldet sich erkennbar im dunklen Wald und Charlie wähnt es allen Ernstes in Michelles Händen. Bei allem, was vorher passiert ist, schier unglaublich. Was dann passiert, ist klar.

Hi Schatz, ich bin’s, Michelle

Blu-ray und DVD enthalten ein kurzes „Hinter den Kulissen“-Feature, das im Wesentlichen daraus besteht, dass Regisseur und Darsteller ihre Begeisterung herausstellen. Wobei Franco auch ein Hauptanliegen preisgibt, nämlich eine modern gewordene Widersprüchlichkeit von Misstrauen und Vertrauensseligkeit zu thematisieren. Er hat ja im Ansatz Recht: Wir schützen alles mit Passwörtern, haben aber kein Problem damit, über Online-Portale im Haus eines Fremden zu wohnen und damit vielleicht auch allzu ungeschützt in dessen Leben einzutauchen (was natürlich von der Vermieterseite aus ebenfalls heikel sein kann). Natürlich kann man sich dann einmal ausmalen, wie es wäre, wenn dieser Fremde nur darauf wartet, aus einem verwanzten Haus heraus … ja, die Schlusspointe, dass sich wohl ein Biedermann die Maske des Killers übergestreift hat, ergibt Sinn. Wobei ich mich frage, ob selbst aus Perversensicht die Relation von Aufwand und „Nutzen“ nicht doch zu unbefriedigend ist.

Manchmal sieht auch der Film den Wald vor lauter Bäumen nicht

Alles in allem kein komplett missratener, aber ein nur mittelmäßiger Film, dem dann leider auch noch das Marketing auf die Füße fällt. „Ein Horror-Thriller in bester Hitchcock-Manier“, so zitiert die Rückseite das Magazin „Jumpcut“. Leute, ich erwarte gar nicht das Niveau der ganz Großen; ein solch aberwitziger Vergleich geht nach hinten los. Dazu hat auch Dave Franco beigetragen, dessen Überambitionen im Bonusfeature noch halbwegs gesittet sind, aber der im Wikipedia-Eintrag zum Film mehrere Schippen drauflegt. Man muss das wirklich mal in gewisser Länge lesen, um das Ausmaß des Kopfschüttelns zu verstehen, das das bei mir verursacht hat: Franco wollte nicht nur einen Thriller und Horrorfilm drehen, sondern auch ein Beziehungsdrama schaffen, in dem die zwischenmenschlichen Probleme zwischen den Figuren genauso eine Rolle spielen. Als Einflüsse (…) nennt er (…) „The Shining“, „Rosemaries Baby“, „The Texas Chainsaw Massacre“ und „Halloween“. Einiges übernahm Franco aus neueren Filmen wie „Hereditary – Das Vermächtnis“ (…) und „The Babadook“ (…). Ach du Schreck! Er ist kein Winzling, aber wer in einem solchen Ausmaß größer sein will, als er ist, der muss sich das schon einmal vorhalten lassen. Wer sich vor dem etwaigen Kauf der Blu-ray oder DVD ein Bild machen will, kann das am heutigen 10. Mai ab 22:15 Uhr im ZDF tun – und anschließend vielleicht in der Mediathek des Senders.

Wolken auch über dem Film

Veröffentlichung: 14. Mai 2021 als Blu-ray und DVD

Länge: 88 Min. (Blu-ray), 85 Min. (DVD)
Altersfreigabe: FSK 16
Sprachfassungen: Deutsch, Englisch
Untertitel: Deutsch, Englisch
Originaltitel: The Rental
USA 2020
Regie: Dave Franco
Drehbuch: Dave Franco, Joe Swanberg
Besetzung: Dan Stevens, Alison Brie, Sheila Vand, Jeremy Allen White, Toby Huss, Connie Wellman, Chunk, Anthony Molinari
Zusatzmaterial: Hinter den Kulissen, Originaltrailer, Wendecover
Label: Pandastorm Pictures
Vertrieb: Edel Germany

Copyright 2021 by Tonio Klein

Szenenfotos & unterer Packshot: © 2021 Pandastorm Pictures

 

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