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Hügel der blutigen Augen (1977) – Wes Cravens raues Original

11 Aug

The Hills Have Eyes

Von Volker Schönenberger

Horror // „Hügel der blutigen Augen“ mag keine wörtliche Übersetzung des Originaltitels „The Hills Have Eyes“ (engl. für „Die Hügel haben Augen“) sein, verströmt aber eine krude und raue Stimmung, die gut zum Gezeigten passt. Wes Craven hatte fünf Jahre zuvor mit dem berüchtigten Rape-and-Revenge-Streifen „The Last House on the Left – Das letzte Haus links“ (1972) als Regisseur und Drehbuchautor debütiert. Für sein Skript zu „The Hills Have Eyes“ ließ er sich von der schottischen Legende von Alexander „Sawney“ Bean inspirieren. Auch der Einfluss von Tobe Hoopers „Blutgericht in Texas“ („The Texas Chainsaw Massacre“, 1974) ist deutlich erkennbar. Craven hat daraus auch nie ein Hehl gemacht und sich zweifellos darüber gefreut, dass sein Art Director Robert A. Burns diverse Requisiten und Ausstattungsstücke vom Tobe-Hooper-Dreh mitbrachte.

Ein letzter Tankstopp vor der Fahrt in die Wüste

Die Handlung von „Hügel der blutigen Augen“ spielt sich in einer Wüste des US-Staats Nevada ab (gedreht wurde in der kalifornischen Mojave-Wüste). Big Bob Carter (Russ Grieve) und seine Frau Ethel (Virginia Vincent) sind mit Auto und Wohnwagen unterwegs in den Urlaub in Kalifornien, aber leider völlig vom Weg abgekommen. Im Schlepptau haben sie ihre Töchter Brenda (Susan Lanier) und Lynne (Dee Wallace), Sohn Bobby (Robert Houston), Lynnes Ehemann Doug (Martin Speer), das Baby das jungen Paars sowie die beiden Schäferhunde Beauty und Beast.

Der Tankwart (l.) gibt dem Ehepaar Carter guten Rat mit auf den Weg

Als über sie hinwegfliegende Kampfflugzeuge Bob irritieren und ein Kaninchen auf der Straße hockt, verreißt der pensionierte Polizist das Lenkrad und das Auto kommt unsanft mit Achsbruch zum Stehen. Das Funkgerät funktioniert nicht, und so bricht Bob nach kurzer Beratschlagung auf, um zur meilenweit entfernten Tankstelle zu gehen, an der die Familie kurz zuvor vorbeigekommen war. Sein Schwiegersohn Doug versucht sein Glück in Richtung Norden. Längst werden die Carters aus der Ferne beobachtet …

Von „The Hills Have Eyes“ zu „Wrong Turn“

Für schlappe 300.000 Dollar entstanden, hat „Hügel der blutigen Augen“ (1977) zahlreiche Epigonen hervorgebracht, darunter ab 2003 die „Wrong Turn“-Reihe, die sich großer Beliebtheit erfreut. An die Räudigkeit des Vorbilds kommen sie alle jedoch nicht heran. Der Plot um das Aufeinanderprallen einer Famile von Städtern und einer Sippe degenerierter kannibalistischer Mörder wirkt dabei simpler, als er tatsächlich ist, dafür sorgen einige Drehbucheinfälle. So scheint es zwar eine Weile, als würden sich die Carters nahezu wehrlos abschlachten lassen, aber ganz so einfach machen es die vermeintlich verweichlichten Großstädter der Landbevölkerung dann doch nicht. Die mordlüsterne Brut um ihr Familienoberhaupt Jupiter (James Whitworth) veranlasst ihre Beute, ihrerseits jegliche Zivilisiertheit abzustreifen, um den Jägern Paroli bieten zu können. Dazu passt auch, dass sich die Bedrohung dem Publikum vergleichsweise früh offenbart, sodass der Eindruck entstehen mag, nun würden die Carters peu à peu nach bekanntem Prinzip dahingemetzelt werden. Irrtum! Eine schöne Entwicklung, und das abrupte Ende ist das Tüpfelchen auf dem gnadenlosen i. Es entlässt uns unvermittelt aus dem staubtrockenen Würgegriff der „Hügel der blutigen Augen“.

Nebendarsteller Michael Berryman

Im Featurette „The Hills Have Eyes – Ein Blick zurück“ im Bonusmaterial der Heimkino-Veröffentlichung des Films verrät Wes Craven, Nebendarsteller Michael Berryman habe sich bei ihm mit den Worten vorgestellt, er habe 26 Geburtsfehler. Der kalifornische Schauspieler leidet unter anderem am Christ-Siemens-Touraine-Syndrom (https://en.wikipedia.org/wiki/Hypohidrotic_ectodermal_dysplasia). Diese überaus selten auftretende Erbkrankheit geht mit Fehlbildungen des Kopfes und der Haut einher und bewirkt ein typisches entstelltes Äußeres. Berryman hat aus seiner Not eine Tugend gemacht und spielt bis heute in vielen Horrorfilmen schräge Gestalten, Monster und Mutanten, etwa in „Army of the Damned – Willkommen in der Hölle“ (2013) mit Tony Todd. Der Part als einer von Jupiters Söhnen in „The Hills Have Eyes“ war seine dritte Filmrolle, zuvor hatte er bereits in Milos Formans Psychiatrie-Meisterwerk „Einer flog über das Kuckucksnest“ (1975) an der Seite von Jack Nicholson mitgewirkt. Wes Craven besetzte ihn 1981 auch im okkulten Sektenschocker „Tödlicher Segen“ und 1985 in der missratenen „Hügel der blutigen Augen“-Fortsetzung „Im Todestal der Wölfe“. In Berrymans Filmografie finden sich Kurzauftritte in zwei „Star Trek“-Filmen sowie Nebenrollen in „L.I.S.A. – Der helle Wahnsinn“ (1985) und „Die Barbaren“ (1987). Rob Zombie buchte ihn für „TDR – The Devil’s Rejects“ (2005) und „The Lords of Salem“ (2012). Berryman ist bis heute aktiv.

In der Ödnis gestrandet – die Carters beratschlagen sich

Außer Berryman gelang nur Dee Wallace, Darstellerin der Lynne, eine nachhaltige Filmkarriere als Schauspielerin. Sie spielte 1981 die Hauptrolle in Joe Dantes großartigem Werwolf-Film „The Howling – Das Tier“, wirkte ein Jahr später in Steven Spielbergs „E.T. – Der Außerirdische“ mit, anschließend in weiteren Genrefilmen wie „Cujo“ (1983), „Critters – Sie sind da!“ (1986) und Peter Jacksons „The Frighteners“ (1996). Rob Zombie erinnerte sich später an sie, besetzte sie in „The Lords of Salem“ und „3 from Hell“ (2019). Wie Michael Berryman ist Wallace bis heute schauspielerisch tätig.

Seit 2007 nicht mehr auf dem Index

Die in den 1980ern erfolgte Indizierung der ungekürzten Fassung von „Hügel der blutigen Augen“ durch die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften (heute: Medien) wurde Anfang 2007 aufgehoben. Eine Schlachtplatte sollte trotz einiger blutiger Szenen niemand erwarten, die nachhaltige Wirkung entfaltet sich eher durch die jederzeit grimmige Stimmung des Films und das Gefühl der Ausweglosigkeit. Gedreht wurde auf 16mm-Film, laut Wes Craven stammten die Kameras von einem Pornofilmer (Craven war zu Beginn seiner Laufbahn selbst in verschiedenen Funktionen hinter der Kamera in der Pornobranche tätig). Der bereits erwähnten Fortsetzung „Im Todestal der Wölfe“ folgte 1995 mit „Mindripper“ („The Outpost“) ein Etikettenschwindel: Weil sich die Handlung in derselben Nevada-Wüstengegend abspielte wie „Hügel der blutigen Augen“ und dessen Sequel, wurde der Streifen kurzerhand auch als „The Hills Have Eyes III“ vermarktet, obwohl die Story gar nichts mit den beiden Vorgängern zu tun hatte.

Brenda erlebt eine Nacht des Grauens

Dem nach Hollywood gegangenen französischen Regisseur Alexandre Aja („High Tension“) wurde nach der Jahrtausendwende die Aufgabe übertragen, ein Remake zu drehen. „The Hills Have Eyes – Hügel der blutigen Augen“ (2006) legte gegenüber dem Original in puncto drastisch gezeigter Gewalt eine gewaltige Schippe drauf und wurde ein Hit, dem viele trotz zwangsläufig mangelnder Originalität den Vorzug geben (meine Sichtung liegt viel zu lange zurück, um hier eine Präferenz angeben zu können – es wird mal wieder Zeit). Auch das Remake erhielt ein Sequel, aber „The Hills Have Eyes 2“ (2007) vom deutschen Regisseur Martin Weisz („Rohtenburg“) blieb sowohl bei den Einnahmen an den Kinokassen als auch qualitativ weit hinter den Erwartungen zurück.

Auf Leben und Tod

Über die Jahre ist Wes Cravens „Hügel der blutigen Augen“ in diversen Editionen für deutsche Heimkinos veröffentlicht worden, von denen viele sogar ungekürzt sind. Die auf 2.000 Exemplare limitierte 3-Disc Collector’s Edition von 2018 aus dem Hause Turbine Medien mit 4K-Master hat schon die Qualität einer Referenz-Edition. Drei Jahre später legte das Label sogar eine 4K UHD Blu-ray nach, die im Mediabook daherkommt und Film und Bonusmaterial zusätzlich auf einer Blu-ray enthält. Parallel sind auch 2-Disc Edition Mediabooks mit Blu-ray und DVD erschienen. Das Bild der Blu-ray hat mir ausgesprochen gut gefallen, es ist nicht zu Tode geglättet und gefiltert worden, sondern hat trotz Politur seine Rauheit behalten. Einen Blick auf die UHD konnte ich mangels geeigneter technischer Ausstattung nicht werfen, gehe aber davon aus, dass Turbine auch bei dem Format sorgfältig gearbeitet hat. Zwar gibt es kein neues Bonusmaterial auf den Discs, aber die bekannten Extras sind enthalten.

Mediabook mit beiden deutschen Synchronisationen

Wichtig: Auf den Discs finden sich beide deutsche Synchronisationen, also sowohl die zeitgenössische aus den 1970ern, in welcher sich die mörderische Familie sinnloserweise als außerirdische Horde entpuppt, als auch eine später entstandene, die inhaltlich der Original-Tonspur entspricht, in der unterschwellig die Möglichkeit angedeutet wird, die mörderische Familie sei durch die radioaktive Strahlung von Atombombentests physisch und psychisch in Mitleidenschaft gezogen worden. Die englische Sprachfassug ist nicht nur in der originalen Mono-Abmischung und in Stereo enthalten, sondern auch in einer 7.1-Variante für entsprechende Heimkino-Surroundsysteme. Das 20-seitige Booklet enthält einen Text von Thorsten Hanisch über Wes Craven, den Film und dessen Entstehung. Wer mit dem Thema vertraut ist, erfährt nicht viel Neues, lesenswert ist das Ganze gleichwohl. Turbine hat mit den Mediabooks von „Hügel der blutigen Augen“ eine Referenz-Edition produziert, die auch der hervorragenden Collector’s Edition des englischen Labels Arrow Video Paroli bieten kann. „Hügel der blutigen Augen“ gehört in jede gut sortierte Sammlung von 70er-Jahre-Horrorfilmen oder Slasherfilmen.

Alle bei „Die Nacht der lebenden Texte“ berücksichtigten Filme von Wes Craven haben wir in unserer Rubrik Regisseure aufgelistet, Filme mit Dee Wallace unter Schauspielerinnen, Filme mit Michael Berryman in der Rubrik Schauspieler.

Veröffentlichung: 14. Mai 2021 als 2-Disc Edition Mediabook (3 Covermotive – Cover A & B: Blu-ray & DVD, Cover C: 4K UHD Blu-ray & Blu-ray, limitiert auf jeweils 333 Exemplare), 19. Oktober 2018 als 3-Disc Collector’s Edition (Blu-ray, DVD & CD, limitiert auf 2.000 Exemplare), 22. Januar und 22. Oktober 2010 als DVD in kleiner Hartbox (3 limitierte Covermotive), 4. September 2010 als DVD in großer Hartbox (3 limitierte Covermotive à 111, 99 und 84 Exemplare), 19. Juni 2006 als DVD im Digipack mit Schuber (mit den beiden Fortsetzungen)

Länge: 90 Min. (Blu-ray), 86 Min. (DVD)
Altersfreigabe: FSK 18
Sprachfassungen: Deutsch 5.1 (werkgetreue Neusynchronisation), Deutsch 2.0 (alte Alien-Synchronisation), Englisch
Untertitel: Deutsch, Englisch
Originaltitel: The Hills Have Eyes
USA 1977
Regie: Wes Craven
Drehbuch: Wes Craven
Besetzung: Susan Lanier, Robert Houston, John Steadman, Janus Blythe, Peter Locke, Russ Grieve, Virginia Vincent, Dee Wallace, Brenda Marinoff, Martin Speer, James Whitworth, Michael Berryman, Lance Gordon, Cordy Clark
Zusatzmaterial: Audiokommentar mit Regisseur & Drehbuchautor Wes Craven und Produzent Peter Locke, „The Hills Have Eyes – Ein Blick zurück“ (54:35 Min.), „Trash Tube – Interview mit Michael Berryman (14:09 Min.), alternatives Ende (11:37 Min.), Schnittmaterial (18:56 Min.), deutscher und US-Trailer, TV-Spots, Trailer „The Hills Have Eyes 2“, nur Mediabook: 20-seitiges Booklet mit einem Text von Thorsten Hanisch, nur Collector’s Edition: Soundtrack-CD
Label/Vertrieb ab 2018: Turbine Medien
Label/Vertrieb 2010 (große Hartbox): ’84 Entertainment
Label 2010 (kleine Hartbox): cmv Laservision
Vertrieb 2010 (kleine Hartbox): Al!ve AG
Label/Vertrieb 2006: NSM Records

Copyright 2021 by Volker Schönenberger

Szenenfotos & 3er-Packshot: © 2021 Turbine Medien

 

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