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John Carpenter (XVII): Das Dorf der Verdammten (1995) – Die Krux mit den Remakes

16 Jan

Village of the Damned

Von Volker Schönenberger

SF-Horror // An einem ganz normalen Sommertag fallen um 10 Uhr morgens alle Menschen von Midwich in eine tiefe Bewusstlosigkeit. Mit ihnen auch die Haus- und Nutztiere des kalifornischen Küstenstädtchens. Für Frank (Michael Paré), den seine Ehefrau Jill (Linda Kozlowski) um eine Besorgung im Nachbarort gebeten hatte, endet das fatal: Weil er gerade mit dem Auto unterwegs ist, als ihn die Ohnmacht ereilt, verunglückt er tödlich, sein Fahrzeug geht in Flammen auf. Als herbeieilende Polizisten ebenfalls in Ohnmacht fallen, wird Midwich abgeriegelt. Der ebenfalls abwesende örtliche Arzt Dr. Alan Chaffee (Christopher Reeve) trifft an der Abgrenzung auf die Wissenschaftlerin Dr. Susan Vurner (Kirstie Alley). Exakt sechs Stunden nach Einsetzen der Bewusstlosigkeit erwachen alle wieder zum Leben. Fast alle: Einer der Einwohner Midwichs war auf seinen Grill gefallen und ist bis zur Unkenntlichkeit verbrannt.

Einige Wochen später stellt Dr. Chaffee bei zehn Frauen eine Schwangerschaft fest, unter ihnen seine Gattin Barbara (Karen Kahn), die nunmehr verwitwete Jill und die Jungfrau Melanie Roberts (Meredith Salenger). Es stellt sich heraus, dass die Schwangerschaft wohl am Tag der kollektiven Bewusstlosigkeit einsetzte. Weil Dr. Vurner im Namen ihres staatlichen Forschungsinstituts die Übernahme aller Kosten der Schwangerschaft plus monatlich 3.000 Dollar in Aussicht stellt, beschließen die Frauen durchweg, die Kinder zu gebären. Ein Fehler …

Noch ahnt Dr. Chaffee nicht, was in Midwich vorgeht

Ein Remake eines Klassikers stellt stets ein heikles Unterfangen dar, wird es doch zwangsläufig am Original gemessen und wird in der Regel daran scheitern (wobei John Carpenter selbst 1982 mit „Das Ding aus einer anderen Welt“ eine Ausnahme dieser Regel inszeniert hat). Dieses Schicksal ereilte auch Carpenters Adaption des britischen Schockers „Das Dorf der Verdammten“ (1960) von Wolf Rilla. Sparen wir uns an dieser Stelle die Diskussion, ob es sich bei der Zweitverfilmung eines Romans – hier: John Wyndhams „The Midwich Cuckoos“ – um ein Remake handelt oder eine Neuverfilmung; die Bezeichnung Remake ist in diesem Fall meines Erachtens legitim. Jedenfalls floppte Carpenters Regiearbeit ein Jahr nach dem bemerkenswerten „Die Mächte des Wahnsinns“ (1994) an den Kinokassen, und auch die heimische Filmkritik ließ kaum ein gutes Haar daran. So Richard Harrington am 28. April 1995 in der Washington Post: Hat John Carpenter den Verstand oder lediglich sein Talent verloren? Leider mache Carpenter Hackfleisch aus dem Klassiker. Gary Kamiya wiederum stellte am selben Tag im San Francisco Examiner die gemeine, aber nicht ganz unberechtigte Frage: Weshalb wurde dieser Film gemacht?

Ein böses Erwachen

So schlecht ist der neue „Das Dorf der Verdammten“ nun auch wieder nicht, tatsächlich gar nicht so schlecht. Die Bewusstlosigkeitssequenz zu Beginn ist sogar verdammt (die Pointe gönne ich mir) stark. Ebenfalls stark ist grundsätzlich sowieso der Gedanke an Kinder, denen eine eiskalte Skrupellosigkeit bis hin zur Bösartigkeit innewohnt, die der Film konsequent zu Ende verfolgt. Die Midwich-Kuckuckskinder entwickeln mit schlohweißen Haaren große Ähnlichkeit zueinander und paranormale Fähigkeiten, die sie in furcheinflößender Weise zu ihrem Vorteil einsetzen. Das ist in Original wie Remake angetan, uns frösteln zu lassen. Die leuchtenden Augen der Kinder müssen einem nicht gefallen, sie erfüllen aber ihren Zweck.

Am Drehort von „The Fog“

So effektiv wie effektvoll setzt John Carpenter nicht nur seinen eigenen Elektro-Score ein, sondern auch die pittoreske Landschaft, für die er im Übrigen an einige Drehorte seines Klassikers „The Fog – Nebel des Grauens“ (1980) zurückkehrte. Und wer weiß? Vielleicht hätte Carpenters Verfilmung des Romans ohne die Existenz der 1960er-Umsetzung einen viel höheren Status? Vielleicht liegt es aber auch an der etwas zu glatten Besetzung, dass die Neufassung bei manchen Fans und Kritikern nicht gerade wohlgelitten ist. Kirstie Alley („Kuck’ mal, wer da spricht“) als mysteriöse Wissenschaftlerin, die zwischen skrupellosem Forschungsdrang und Sorge vor einer kosmischen Bedrohung laviert – na ja. Michael Paré hätte uns sicher Freude bereitet, aber seine Figur stirbt ja gleich zu Beginn. Auch Mark „Luke Skywalker“ Hamill als Geistlicher vermag keine Akzente zu setzen. Christopher Reeve macht als Protagonist einen sympathischen, aber auch etwas hölzernen Eindruck. Für den „Superman“-Darsteller war es eine seiner letzten Rollen kurz vor seinem Reitunfall, der eine Querschnittslähmung zur Folge hatte. Reeve starb im Oktober 2004 im Alter von 52 Jahren an den Folgen einer Infektion aufgrund einer wundgelegenen Körperstelle.

Diese Kinder führen nichts Gutes im Schilde

Koch Films hat „Das Dorf der Verdammten“ bereits 2014 als Blu-ray veröffentlicht und im November 2021 eine Neuauflage im Steelbook folgen lassen. Bild und Ton sind hervorragend, wobei ich nicht beurteilen kann, ob es sich gegenüber der älteren Version um eine aufpolierte Fassung handelt. Aber das Steelbook sieht großartig aus, ein Schmuckstück für jede Sammlung. Für John Carpenter war „Das Dorf der Verdammten“ nur eine Auftragsarbeit. Das und die Tatsache, dass es sich „nur“ um ein Remake handelt, verhinderten womöglich ein Werk mit mehr Schockerqualitäten, weshalb es zu keinem Zeitpunkt an die Glanzleistungen des Regisseurs anknüpfen kann. Aber auch darunter ist Platz für soliden Horror, und der ist Carpenter gelungen.

Das bekommt auch der Dorfpfarrer zu spüren

Alle bei „Die Nacht der lebenden Texte“ berücksichtigten Filme von John Carpenter haben wir in unserer Rubrik Regisseure aufgelistet, Filme mit Mark Hamill, Michael Paré und Christopher Reeve unter Schauspieler.

Unwiderstehlich

Veröffentlichung: 18. November 2021 als 2-Disc Limited Steelbook Edition (Blu-ray & DVD), 7. November 2014 als Blu-ray, 31. Mai 2012, 2. September 2004 und 7. November 2000 als DVD

Länge: 98 Min. (Blu-ray), 94 Min. (DVD)
Altersfreigabe: FSK 16
Sprachfassungen: Deutsch, Englisch (Universal-DVD auch Französisch, Spanisch, Italienisch)
Untertitel: Deutsch, Englisch (Universal-DVD auch weitere)
Originaltitel: Village of the Damned
USA 1995
Regie: John Carpenter
Drehbuch: David Himmelstein, nach John Wyndhams Roman „The Midwich Cuckoos“
Besetzung: Christopher Reeve, Kirstie Alley, Linda Kozlowski, Michael Paré, Meredith Salenger, Mark Hamill, Pippa Pearthtree, Peter Jason, Constance Forslund, Karen Kahn, Thomas Dekker, Lindsey Haun, Cody Dorkin, Trishalee Hardy Jessye Quarry
Zusatzmaterial 2021: Featurettes, Making-of, Bildergalerie mit seltenem Werbematerial, Trailer
Zusatzmaterial 2014: Bildergalerie, Originaltrailer
Zusatzmaterial 2012/2004/2000: Production Notes, Cast and Filmmakers, Kinotrailer, Universal-Weblinks
Label/Vertrieb 2021 & 2014: Koch Films
Label/Vertrieb bis 2012: Universal Pictures Germany GmbH

Copyright 2022 by Volker Schönenberger

Szenenfotos & Packshot Steelbook: © 2021 Koch Films,
Packshot DVD: © 2004 Universal Pictures Germany GmbH

 

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