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Switchback – Gnadenlose Flucht: Weshalb floppt so ein Film?

25 Jun

Switchback

Von Volker Schönenberger

Thriller // Die Babysitterin (Claudia Stedelin) will gerade den kleinen Andy (Ian Nelson) ins Bett bringen, als es an der Tür klingelt. Ein Mann (Brent Hinkley) stellt sich als Freund der Familie vor. Sie wimmelt ihn ab, erwähnt, die Eltern würden in 30 Minuten wieder zurück sein. Die Frau ist beunruhigt, prüft die Hintertür. Doch jemand ist bereits im Haus …

Doppelmord in Amarillo

Ein paar Monate später: Andernorts untersuchen Sheriff Buck Olmstead (R. Lee Ermey), seine Mitarbeiter Nate (Ted Levine) und Bud (Walton Goggins) sowie die Spurensicherung einen Mordschauplatz. In einem Motel im texanischen Amarillo wurden ein Mann und eine Putzfrau erstochen. Bald darauf taucht der FBI-Agent Frank LaCrosse (Dennis Quaid) auf und schaltet sich in die Ermittlungen ein.

Auf der Jagd: Frank LaCrosse ist ein Getriebener

Parallel dazu lernen wir den jungen Lane Dixon (Jared Leto) kennen, der per Anhalter nach Salt Lake City unterwegs ist. Er lässt sich von Bob Goodall (Danny Glover) mitnehmen, der das Innere seines Autos mit Fotos nackter Frauen geschmückt hat und Dixon in einer Kneipe im tiefen Hinterland aus den Fängen von ein paar übel gesinnten Typen befreit. Die beiden setzen ihren Trip gemeinsam fort und freunden sich an.

Regiedebüt als Kassengift

Weshalb dreht jemand, der mit einem Thriller wie „Switchback – Gnadenlose Flucht“ debütiert, im Anschluss satte 13 Jahre lang keinen Film mehr und danach nur noch einen einzigen? Ein Blick auf die Kritikerstimmen und das Einspielergebnis bringt die Antwort: Bei Kosten von 38 Millionen Dollar erwirtschaftete Jeb Stuarts erste Regiearbeit lediglich sechseinhalb Millionen Dollar. Und ein Wert von 32 Prozent im Tomatometer von Rotten Tomatoes belegt, dass viele Kritiker seinerzeit offenbar kein gutes Haar an dem Werk ließen.

Bob Goodall rettet …

Zu Unrecht! Allein schon das vorzügliche Ensemble hebt „Switchback“ vom Einheitsbrei ab. Mit zwei oder drei gut besetzten Hauptrollen sind solche Thriller meist schon gut bedient, aber hier sind es ein paar mehr: Dennis Quaid als FBI-Agent mit einem düsteren Geheimnis, das sich nach einiger Zeit offenbart, ist schon mal eine Bank. Die übrigen Vertreter der Ordnungsmacht sind aber auch nicht von schlechten Eltern, allen voran Lee R. Ermey („Full Metal Jacket“) als knorriger Sheriff. Als seine Mitarbeiter überzeugen Ted Levine („Das Schweigen der Lämmer“) und Walton Goggins („The Hateful Eight“), hinzu kommt William Fichtner („Lone Ranger“) als Police Chief Jack McGinnis, der sich gerade im Wahlkampf mit Sheriff Olmstead um dessen Posten befindet (Sheriffs werden in den USA üblicherweise von den Bürgerinnen und Bürgern ihres Counties gewält). Diese feine Besetzung ergänzen Danny Glover („Silverado“, „Lethal Weapon“-Reihe) und der spätere Oscar-Preisträger Jared Leto („Dallas Buyers Club“) als zwei ungleiche Typen, die sich zufällig zusammenfinden. Ihre Fäden laufen bald mit denen der erwähnten Mordermittler zusammen.

Dialogstärke

Mit „Switchback“ beweist Jeb Stuart, der auch das Drehbuch schrieb, ein Händchen für Dialogregie. Speziell die Gespräche der Cops untereinander verdienen es, genau hinzuhören, besonders im Original. Aber auch die Unterhaltungen zwischen Goodall und Dixon heben das Niveau, insbesondere haben mir Danny Glovers Zeilen gut gefallen. Das hat Esprit, und in Verbindung mit dem raffinierten Serienkiller-Plot ergibt das einen Thriller, der sein Publikum bis zum Finale an die Sitze fesseln sollte. Der Showdown auf einem einen verschneiten Gebirgspass überquerenden Güterzug fällt im Gegensatz zum zuvor Gesehenen dann sogar recht actionreich aus. Toll fotografiert ist das Ganze obendrein.

… Lane Dixon (l.) aus brenzliger Situation

Ein paar geringfügige Ungereimtheiten bei der einen oder anderen Figur könnten erklären, weshalb so viele Kritiker keinen Gefallen an „Switchback“ gefunden haben. Sie auszuführen, würde mich allerdings auf das dünne Eis der Spoilergefahr bringen, also bleibt es bei der Erwähnung, dass diese kleinen Makel den Film in meinen Augen nicht abwerten.

Pause auch als Drehbuchautor

Jeb Stuart war vor „Switchback“ immerhin als Autor an diversen Drehbüchern von Erfolgsthrillern beteiligt, allen voran „Stirb langsam“ (1988), aber auch „Lock Up“ (1989), „Und wieder 48 Stunden“ (1990) und „Auf der Flucht“ (1993). Fürs Tiefseehorror-Abenteuer „Leviathan“ (1989) schrieb er das Skript sogar allein. Nach „Switchback“ kam leider auch seine Autorenkarriere ins Stocken. Seine zweite und letzte Regiearbeit „Blood Done Sign My Name“ (2010) inszenierte er nach eigenem Drehbuch, es war das erste seit „Switchback“. Danach war wieder für lange Zeit Sendepause. Erst die hochgelobte vierteilige Miniserie „Der Befreier“ (2020) brachte ihm wieder Autorenmeriten. Die Serie „Vikings – Valhalla“ (2022) führt ihn als „Creator“, also Schöpfer und Hauptautor. Es sei Jeb Stuart gegönnt, nach einem Thriller wie „Switchback – Gnadenlose Flucht“ hat kein Filmemacher einen solchen Karriereknick verdient.

Wo bleibt die Neuauflage für deutsche Heimkinos?

Die deutsche DVD ist lange vergriffen, und ein Blick auf die einschlägigen Gebraucht-DVD-Handelsplätze zeigt, dass sie nur für viel Geld angeboten wird. Ab 60 Euro muss man dafür zahlen. Höchste Zeit, dass sich ein Label einer Neuauflage annimmt, zumal in den USA im Juni 2021 eine Blu-ray erschienen ist.

Alle bei „Die Nacht der lebenden Texte“ berücksichtigten Filme mit R. Lee Ermey, William Fichtner, Danny Glover, Walton Goggins, Jared Leto, Ted Levine und Dennis Quaid haben wir in unserer Rubrik Schauspieler aufgelistet.

Die beiden reisen gemeinsam weiter

Veröffentlichung: 1. März 2013 als DVD

Länge: 113 Min.
Altersfreigabe: FSK 16
Sprachfassungen: Deutsch, Englisch
Untertitel: Deutsch, Englisch
Originaltitel: Switchback
USA 1997
Regie: Jeb Stuart
Drehbuch: Jeb Stuart
Besetzung: Danny Glover, Dennis Quaid, Jared Leto, R. Lee Ermey, Walton Goggins, Ted Levine, William Fichtner, Claudia Stedelin, Ian Nelson, Brent Hinkley, Louis Schaefer, Gregory Scott Cummins, Tommy Puett, Stuart Proud Eagle Grant, Orville Stoeber
Zusatzmaterial: Trailer, Wendecover
Label: Winklerfilm
Vertrieb: Al!ve AG

Copyright 2022 by Volker Schönenberger

Szenenfotos & unterer Packshot: © 2013 Winklerfilm

 

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