DragonHeart
Fantasy-Abenteuer // In der HBO-Hitserie „Game of Thrones“ (2011–2019) flogen die Drachen dank der Arbeit der deutschen Effekteschmiede Pixomondo so realistisch wie nie zuvor über die Bildschirme. Ähnlich tricktechnisch beeindruckend in jüngster Vergangenheit war der Drache Smaug in Peter Jacksons „Der Hobbit – Smaugs Einöde“ (2013), hergestellt von Weta Workshop in Neuseeland.
Doch bis diese mystischen Fantasy-Wesen filmisch derart detailgetreu ihre Flügel spannen und abheben konnten, war es ein langer Weg. Das 20 Meter lange Modell von Fafnir, dem Lindwurm aus „Die Nibelungen – Siegfried“ (1924) von Fritz Lang, wurde von 17 Männern im Inneren bewegt. Auch die Stop-Motion-Technik war für Drachen beliebt, besonders natürlich von Ray Harryhausen (1920–2013) perfektioniert, etwa in „Sindbads siebente Reise“ (1958), in dem der Held gegen den echsenartigen Taro antritt. Zeichentrick-Drachen gab es viele, besonders die „Drachenzähmen leicht gemacht“-Trilogie (2010–2019) hatte zahlreiche verschiedene Exemplare zu bieten, und es gab natürlich auch Disneys „Elliott, das Schmunzelmonster“ (1977), dessen Animationen in einen Realfilm einkopiert wurden. Einer der bekanntesten Animatronic-Drachen, auf dem viele Kinder in den Bavaria Filmstudios schon ritten, ist der Glücksdrache Fuchur aus „Die unendliche Geschichte“ (1986).
Anfang der 1980er-Jahre wurde das altbekannte Stop-Motion-Verfahren durch Go-Motion zunehmend abgelöst. Die Technik kam zum Beispiel bei den Fabelwesen in „Der Drachentöter“ (1981) und „Willow“ (1988) zum Einsatz. An beiden Werken war Phil Tippett von Industrial Light & Magic maßgeblich beteiligt, der 1993 mit einigen Kollegen die filmische Tricktechnik schließlich revolutionierten sollte: Die atemberaubend echt wirkenden Dinos aus „Jurassic Park“ waren fast komplett am Computer entstanden. Der Oscar für die besten visuellen Effekte war der Lohn – und für ihn und seine Firma ein weiterer Auftrag bereits im Anflug: In „Dragonheart“ (1996) sollte dem Drachen Draco noch aufwendiger als bei Steven Spielbergs Urzeitviechern per CGI-Technik digitales Leben eingehaucht werden.
Ritter und Drache schmieden eine Allianz gegen den König
984 nach Christus: Ritter Bowen (Dennis Quaid) hat schon viele Schlachten geschlagen. Er lebt nach dem alten Kodex und will auch seinen jungen Schüler, Prinz Einon (Lee Oakes), auf den ehrenhaften Pfad der Tugend führen. Besonders deshalb, weil dessen Vater ein echter Tyrann ist. Als jedoch König Freyne (Peter Hric) von aufständischen Bauern getötet und Prinz Einon von dem Bauernmädchen Kara (Sandra Kovacicova) schwer verletzt wird, weiß nur Königin Aislinn (Julie Christie), wer ihrem Sohn das Leben retten kann: ein Drache, der dem Prinzen schließlich sein halbes Herz zum Überleben schenkt.
Zwölf Jahre später hat sich König Einon (David Thewlis) im Vergleich zu seinem Vater zu einem noch schlimmeren Herrscher entwickelt. Ritter Bowen ist darüber so verbittert, dass er nun als Drachentöter durch die Lande zieht. Er ist überzeugt davon, dass das halbe Drachenherz Einon in einen schlechten Menschen verwandelt hat. Auf seinem Weg begleitet ihn der Mönch Gilbert (Pete Postlethwaite), der vom Heldenmut des Ritters schwer beeindruckt ist. Eines Tages trifft Bowen auf einen Drachen namens Draco, der ihm ordentlich Paroli bietet. Der Kampf endet in einem Patt – und da Draco erzählt, er sei der letzte seiner Art, schließen der Ritter und der Drache einen Pakt: Nachdem Draco zum Schein ein Dorf angegriffen hat, lässt sich Bowen für ein kleines Salär von den Einwohnern anwerben und bringt den Drachen nach einer kurzen Jagd mutmaßlich zur Strecke.
Ausgerechnet im Dorf von Kara (Dina Meyer) geht das kleine Schauspiel schief. Von Kara erfährt Bowen auch, wie sehr die Bevölkerung unter dem unbarmherzigen Einon zu leiden hat. Zunächst sträubt sich der Ritter, gegen seinen früheren Schüler zu Felde zu ziehen. Doch als Draco ihm verrät, dass er es war, der dem Prinzen damals das Leben gerettet hatte, und er mit diesem Akt auch eigentlich den Bund zwischen Menschen und Drachen wieder erneuern wollte – was gründlich schief ging –, fühlt sich auch Bowen an seinen alten Kodex erinnert: Er will die Schwachen beschützen und nimmt mit Draco und einigen Bauern den Kampf gegen König Einon auf.
Vergnügliches Fantasy-Abenteuer wird zum Flop
Der Erfolg von „Jurassic Park“ hatte den Weg geebnet. Als „Dragonheart“ 1996 in die weltweiten Kinos kam, waren die Erwartungen bei den Produzenten von Universal groß: Während Steven Spielberg 57 digitale Sauriereffekte einsetzte, benötigte Draco stolze 182 CGI-Effekte. Und diese verschlangen ebenfalls stolze 22 Millionen Dollar der Gesamtproduktionskosten von 57 Millionen Dollar. Warum das Fantasy-Abenteuer von Regisseur Rob Cohen damals aber kein Kassenschlager wurde, kann man heute nur mutmaßen. In den USA spielte der Film gerade mal 51 Millionen Dollar ein und landete im Jahresranking sogar noch hinter „Beavis und Butt-Head machen’s in Amerika“ – was nicht heißen soll, dass das Trickabenteuer der beiden MTV-Metalheads schlecht ist. Auch in Deutschland strömten lediglich knapp über 1,5 Millionen Zuschauer in die Kinos. Das weltweite Gesamteinspielergebnis pendelte sich am Ende bei 115 Millionen Dollar ein, immerhin ein Plus, für die Erwartungen des Studios enttäuschend. Die Kinohits des Jahres 1996 waren „Independence Day“, „Twister“ und „Mission: Impossible“ – alles realistisch angehauchte und sehr technische Filme, wenn man die Aliens mal außen vor lässt. Aber vielleicht gibt es die ja auch. War die Mittelalter-Thematik vielleicht zu uninteressant für das Publikum?
An dem Film selbst kann es eigentlich nicht liegen: „Dragonheart“ ist noch immer ein im besten Sinne altmodisches Fantasy-Abenteuer, das das Herz am rechten Fleck trägt. Die Geschichte verknüpft dabei geschickt die märchenhafte Gut-gegen-Böse-Grundkonstellation mit den Zutaten eines klassischen Buddy-Movies inklusive witziger Wortgefechte und einem Schuss Selbstironie. Ritter Bowen und Draco sind sich eigentlich spinnefeind und raufen sich am Ende für das gemeinsame Ziel zusammen. Durchaus erwähnenswert: Die sonst obligatorische Liebesgeschichte fehlt hier komplett. Dina Meyer – die sich ein Jahr später in „Starship Troopers“ (1997) mit riesenhaften CGI-Käfern rumplagen durfte, – muss als widerspenstige Bauerntochter Kara niemanden anschmachten, sondern darf selbst Rachepläne gegen den bösen König Einon schmieden und mit Bowen und Draco in den Kampf ziehen. Dennis Quaid überzeugt als alternder Recke, der seine alten Werte wiederentdecken muss, ebenso wie David Thewlis als verachtenswerter Fiesling. Dazu ist auch die Filmmusik von Randy Edelman wunderbar eingängig, aber auch verspielt und pompös, wie es sich für einen Fantasyfilm gehört. Die herrlich-atmosphärischen Kulissen, darunter die Zipser Burg, wurden in der Slowakei entdeckt – der malerische Wasserfall wurde allerdings extra für den Film gebaut.
Meisterliche Stimmen für den CGI-Drachen
Der wahre Star in „Dragonheart“ ist natürlich der Drache. Heute sind CGI-Charaktere gang und gäbe, damals steckte die Technik in den Kinderschuhen und war noch etwas Besonderes. Dennoch fügt sich Draco auch nach heutigen Sehgewohnheiten fast nahtlos und glaubhaft ins Geschehen und ebenso bei den Interaktionen mit den Mitspielern ein. Fotorealismus darf man hier natürlich nicht erwarten, aber bei einer Fantasyfigur ist dies auch nicht vonnöten. So stört es dann auch nicht, dass die Macher sich überraschenderweise dafür entschieden haben, dass Draco sein Feuer nicht aus dem Maul, sondern aus seinen Nasenlöchern speit.
Für die Mimik des Drachen orientierten sich die Macher an dem Schauspieler, der die Sprechrolle übernahm. Und das war kein Geringerer als Sean Connery (1930–2020). Der ehemalige 007-Star verleiht Draco mit seinem Timbre zugleich einen gewissen Stolz als auch eine wohlige Warmherzigkeit. Mit Mario Adorf konnte für die deutsche Synchronfassung eine ebenso hervorragende Stimme verpflichtet werden. Durch ihre Leistung vergisst man, dass Draco eine Kunstfigur ist. Er wird zu einem eigenständigen Charakter – so entsteht mit der Verbindung der Oscar-nominierten visuellen Effekte einzigartige Filmmagie.
DAS ist ein Mediabook!
Während Regisseur Rob Cohen mit der Postproduktion von „Dragonheart“ beschäftigt war, hatte er parallel schon mit den Dreharbeiten zu seinem nächsten Projekt begonnen: „Daylight“ mit Sylvester Stallone. Zum Jubiläum der Kinopremiere 25 Jahre zuvor hat das Label Turbine Medien beide Filme in schicken Mediabook-Editionen veröffentlicht. Und bei knapp 60 Seiten ist der Begriff „Buch“ wirklich mal gerechtfertigt. Nach einer sehr persönlichen Einleitung von Rob Cohen hat Autor Tobias Hohmann so ziemlich alles zusammengetragen, was es über „Dragonheart“ zu erzählen gibt. Dabei geht er nicht nur ausführlich auf die problematische Produktionsgeschichte und die digitale Pionierarbeit ein, sondern auch kurz auf die bislang vier weiteren Teile des Drachen-Franchises, die zwischen 2000 und 2020 entstanden sind.
Auch die die deutsche Synchronisation erhält ein eigenes Kapitel. Hierzu wurde extra ein Interview mit Tobias Meister geführt, der bei dem Fantasy-Abenteuer als Synchron-Regisseur und -Autor fungierte. Dazu gibt es einige stimmungsvolle Szenen- und Behind-the-Scenes-Bilder als auch Konzeptzeichnungen. Großartig! Dieser top-recherchierte Schmöker macht große Lust auf den Film! Was will man mehr? Genau: zwei Covervarianten, bei denen man überlegen muss, ob man sich Motiv A – das klassische Plakat (siehe oben) – oder Motiv B – mit allen Charakteren in Pose (siehe unten, rechts) – ins Regal stellt. Letztgenanntes ist allerdings nur exklusiv bei der Drogeriekette Müller erhältlich.
Der Ton macht die Musik
Wie auch bei „Daylight“ hat Turbine Medien für „Dragonheart“ nicht nur das Bild erneut überarbeitet, sondern auch alles bisher erhältliche Bonusmaterial zusammengetragen – bei den Blu-ray-Erstveröffentlichungen des Lizenzgebers Universal herrschte bei den Extras noch komplette Leere. Ebenso hat auch „Dragonheart“ zwei Blu-rays spendiert bekommen – aus Platzgründen ist eine davon mit Dolby-Atmos-Tonspuren in der deutschen und der englischen Fassung und die andere Scheibe jeweils mit Auro 3D ausgestattet. Mangels technischer Ausstattung und dünner Wände konnte ich hier nicht ausgiebig testen, aber Tonfreaks sollten auf jeden Fall voll auf ihre Kosten kommen. Zur Not die Nachbarn mit auf die Couch einladen und Draco einfach durch alle Boxen fliegen lassen. Dann gibt’s keinen Ärger.
Damit nicht genug: Turbine Medien hat eine weitere Fleißarbeit geleistet und auch die deutsche Originaltonspur in DTS 5.1 und DTS 2.0 rekonstruiert. Diese war zuletzt im Kino, auf VHS und Laserdisc zu hören. Das leichte Lispeln, welches Mario Adorfs Stimme in der DVD- und Blu-ray-Fassung hat, ist hier weg – materialbedingt allerdings in den Atmos- und Auro-Tonspuren noch zu hören. Eine kurze Erläuterung hierzu hat Turbine Medien im movieside-Forum gegeben. Zudem ist auch ein kleiner Fluch nur in der Originalsynchro vorhanden, welchen Draco fast genau nach 30 Minuten Spielzeit von sich gibt, nachdem er hart auf der Lichtung aufgeschlagen ist. Ein kleiner Tipp: Er beginnt mit einem S und endet mit cheiße.
Alle bei „Die Nacht der lebenden Texte“ berücksichtigten Filme von Rob Cohen haben wir in unserer Rubrik Regisseure aufgelistet, Regisseure aufgelistet, Filme mit Dina Meyer unter Schauspielerinnen, Filme mit Sean Connery, Pete Postlethwaite, Dennis Quaid, David Thewlis und Brian Thompson in der Rubrik Schauspieler.
Veröffentlichung: 30. April 2021 als 2-Disc Limited Edition Mediabook in zwei Cover-Varianten (jeweils 2 Blu-rays), 12. November 2020 als Teil der „Dragonheart 5 Movie Collection“, jeweils Blu-rays und DVDs, 12. April 2012 als Blu-ray, 14. August 2003 als DVD
Länge: 103 Min. (Blu-ray), 99 Min. (DVD)
Altersfreigabe: FSK 12
Sprachfassungen: Deutsch, Englisch
Untertitel: Deutsch, Deutsch für Hörgeschädigte, Englisch, Englisch für Hörgeschädigte
Originaltitel: DragonHeart
USA 1996
Regie: Rob Cohen
Drehbuch: Charles Edward Pogue
Besetzung: Dennis Quaid, Sean Connery (nur Stimme Originalfassung), Mario Adorf (nur Stimme deutsche Synchro), David Thewlis, Pete Postlethwaite, Dina Meyer, Jason Isaacs, Brian Thompson, Lee Oakes, Wolf Christian, Terry O’Neill, Peter Hric, Eva Vejmelková, Julie Christie, John Gielgud (nur Stimme Originalfassung)
Zusatzmaterial Mediabook: Audiokommentar von Regisseur Rob Cohen, Making-of: Dokumentation mit den Stars und Machern (45 Min.), 2 entfernte Szenen, US-Teaser, -Trailer und -TV-Spots, deutscher Kinotrailer, Das Dragonheart-Archiv: umfangreiche Fotogalerien, 60-seitiges Booklet mit einem Vorwort von Rob Cohen und Texten von Tobias Hohmann
Zusatzmaterial Blu-ray & DVD: keins
Label/Vertrieb Mediabook: Turbine Medien
Label/Vertrieb Blu-ray & DVD: Universal Pictures Germany GmbH
Copyright 2021 by Andreas Eckenfels
Szenenfotos & unterer Mediabook-Packshot: © 2021 Turbine Medien,
Blu-ray-Packshot: © 2011 Universal Pictures Germany GmbH