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Robert Siodmak (VI): Draculas Sohn – Kein Platz für glücklich Verliebte

04 Dez

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Son of Dracula

Von Ansgar Skulme

Horror // Zuweilen vergucken sich Frauen in den falschen Mann, aber muss es denn gleich ein Vampir sein? Katherine Caldwell (Louise Allbritton) kommt aus wohlhabendem Hause, wo sie inmitten der versumpften Südstaaten ein fürstliches Leben führt. Ihre Sehnsucht jedoch gilt dem Grafen Alucard (Lon Chaney Jr.) aus Budapest, der sich extra für sie den weiten Weg bis in die Vereinigten Staaten gemacht hat. Zumindest glaubt sie, dass er sie ehrlich lieben würde. Was sie und er darunter verstehen, ist allerdings nicht dasselbe, denn nicht nur in Alucards Nachnamen spiegelt sich das Wesen Draculas. Ihr Verlobter Frank Stanley (Robert Paige) muss hilflos mit ansehen, wie die Frau dem Vampir blindlings in die Falle geht, und der Gebeutelte begeht einen schwerwiegenden Fehler, der ihn fast um den Verstand bringt. Doch Frank gibt sich so einfach nicht geschlagen. Viel mehr noch hat Alucard die Rechnung ohne den hauseigenen Doktor der Familie Caldwell (Frank Craven) und den Vampir-Experten Professor Lazlo (J. Edward Bromberg) gemacht, die in dem bissigen Ungarn unschöne Erinnerungen an Van Helsing wecken.

Erster Universal-Film für Robert Siodmak

Bevor Robert Siodmak mit „Die Schlangenpriesterin“ den dritten gemeinsamen Film von Maria Montez, Jon Hall und Sabu für Universal inszenierte, übertrug ihm Universal als erstes Projekt für das Studio die Regie beim dritten Teil der „Dracula“-Reihe, welcher Tod Brownings „Dracula“ (1931) und Lambert Hillyers „Draculas Tochter“ (1936) folgte. Dracula tauchte wenig später auch in den beiden von Erle C. Kenton inszenierten „Frankensteins Haus“ (1944) und „Draculas Haus“ (1945) auf, ehe die Ära der klassischen Universal-Horrorfilme endete – nicht zu vergessen natürlich die Parodie „Abbott und Costello treffen Frankenstein“ (1948) von Charles Barton, in der Dracula erstmals seit dem Original aus dem Jahr 1931 wieder von Bela Lugosi gespielt wurde. „Draculas Sohn“ jedoch war der dritte und letzte Film der Horror-Ära, die Universal kurz nach Beginn der Tonfilmzeit eröffnet hatte, welcher sich nur mit dem Vampir als monströse Kreatur beschäftigte. Die beiden unter Kentons Regie entstandenen Filme hingegen bilden ein Gipfeltreffen zwischen Dracula, dem Wolfsmenschen und dem Frankensteinmonster und nahmen in gewisser Weise heutige Formate wie das Marvel Cinematic Universe und das DC Extended Universe vorweg, indem man Fantasy-Figuren, die zuvor separat in eigenen Filmen aufgetaucht waren, in gemeinsamen Filmen zusammenführte. Der beste dieser Crossover-Filme ist „Frankenstein trifft den Wolfsmenschen“ (1943) von Universals Sherlock-Holmes-Hausregisseur Roy William Neill – darin fehlte Dracula allerdings gänzlich, Bela Lugosi spielte stattdessen Frankensteins Monster.

Lon Chaney schafft das Bingo

Der Wolfsmensch war 1941 erst rund 10 Jahre nach Dracula und Frankenstein zum Universal-Horror gestoßen. Dies ermöglichte, dass er stets vom selben Schauspieler, Lon Chaney Jr., dargestellt wurde – wenngleich „Der Werwolf von London“ 1935 bereits von einem anderen Werwolf erzählt hatte, den in diesem Falle Henry Hull verkörperte. Nichtsdestotrotz durfte Chaney schon 1942, noch vor seinem zweiten Werwolf-Film, in „Frankenstein kehrt wieder“ auch als Frankensteins Monster die Kinoleinwände erobern; und kaum hatte Bela Lugosi ebenfalls das Monster verkörpert, machte Chaney das Trio komplett und wurde für „Draculas Sohn“ zum titelgebenden Vampir. Damit ist Chaney Jr. der einzige Schauspieler, der im Grunde alle drei Figuren, die in der „Monster Legacy DVD Collection“ von Universal sogar als Büsten enthalten sind, in Filmen des Studios verkörpert hat. Für das Vorankommen der Handlung von „Draculas Sohn“ macht es faktisch keinen Unterschied, dass es sich nicht um Dracula, sondern dessen Sprössling handelt – beide sind untot und Alucard wird im Wesentlichen so behandelt als sei er sein Vater, die Story geht auf den Umstand, dass er der Sohn ist, oder die etwaige Beziehung zum Vater so gut wie gar nicht ein. Damit schloss sich ein Kreis, da Lon Chaney Juniors wirklicher Vater nicht nur ein großer Stummfilmstar des Horror-Kinos war, sondern auch ursprünglich in Universals erstem „Dracula“-Tonfilm die Titelrolle hatte spielen sollen. Erst Chaney Seniors plötzlicher Tod brachte Bela Lugosi ins Spiel, der die Rolle zuvor auch auf der Bühne gespielt hatte.

Ein recht dramatisches Vergnügen

Robert Siodmak inszenierte „Draculas Sohn“ effizient mit kurzer Drehzeit, bei einer Vergütung von gerade einmal 125 Dollar pro Woche, jedoch trotzdem fesselnd und ziemlich pessimistisch. Strahlende Heldenfiguren sind im US-Horrorfilm der damaligen Zeit ohnehin eher selten, da die eigentlichen Helden, die die Monster zur Strecke bringen, oft älteren Semesters sind. Sogar schmückendes Schauspielerbeiwerk, welches sinngemäß einfach nur da ist, um gut auszusehen, sucht man in „Draculas Sohn“ jedoch zum Glück vergebens. Und störendes schmückendes Beiwerk waren in diesen Filmen wohlgemerkt oftmals eher Männer als Frauen! Üblicherweise findet sich in Universal-Horrorfilmen eine männliche Figur im Alter von etwa 30 bis 40 Jahren, die zu den Gegenspielern der Monster, Kreaturen und Verrückten gehört und somit das Gute repräsentiert, während oft – wenn auch nicht immer – gleichzeitig andere, gestandenere Männer in relativ großen Rollen gegen die Bedrohung vorgehen. Bekanntestes Beispiel für die zweite Kategorie: Van Helsing in „Dracula“, der in den damaligen Filmen wesentlich älter war als in der heute bekannten Adaption „Van Helsing“ mit Hugh Jackman aus dem Jahr 2004. Leider allerdings wirken die schicken jungen Männer, ob nun in Neben- oder größeren Rollen, inmitten der düsteren Storys oft reichlich deplatziert, um nicht zu sagen wie Weicheier. Während es beispielsweise Patric Knowles bei seinen Auftritten im Genre noch recht gut gelang, nicht nur den weiblichen Zuschauern etwas fürs Auge zu bieten, sondern auch als gebildeter Kopf zu überzeugen, ist die seifige Liebesgeschichte mit dem mäßig talentierten David Manners in der Rolle des John Harker im ersten „Dracula“ von 1931 ein großer Minuspunkt des Films und verdeutlicht die Problematik sozusagen im Extremfall. Manners war gewissermaßen der negative Höhepunkt, den dieser belanglose Figurentyp seinerzeit im Horrorfilm hervorbrachte – der Bedrohung überhaupt nicht gewachsen, stattdessen ständig um eine Frau kreisend. Nun gut, John Harker ist eine durch die Literatur vorgezeichnete Figur und das Problem liegt auch an den Drehbüchern und einem Regisseur wie Tod Browning, aber nicht unwesentlich eben bedauerlicherweise auch an den Darstellungen dieser Rollen durch die jeweiligen Schauspieler. Es läuft letztlich auf eine simple Gleichung hinaus: Während der alte Van Helsing das Problem löst, ist der junge Harker am Jammern um seine arme Angebetete. Wer braucht sowas in einem Spannungsfilm? Mit Manners manifestierte sich das Bild vom liebestollen, überforderten Yuppie-Verschnitt neben klugen Professoren und vielen Verrückten, Monstern und Kreaturen leider recht frühzeitig im Männerbild des US-amerikanischen Horror-Tonfilms – was nicht heißt, dass es derartige Figuren in diesem Genre nicht auch schon früher gegeben hatte.

Es geht auch mit psychologischer Tiefe

Umso erfreulicher ist, dass Robert Paige in „Draculas Sohn“ eindrucksvoll zeigte, wie es auch anders gehen kann. Seine Figur ist alles andere als ein Jammerlappen oder ein Held nach Maß, sondern eine wirklich tragische Gestalt, die zunächst wie der klassische Universal-Mittdreißiger wirkt, dann aber Fehler macht und an den Rand des Wahnsinns gerät. Was zunächst noch nach Manners aussieht, wirkt plötzlich streckenweise beinahe wie Draculas berühmter Diener Renfield. Paige lässt seine Figur überzeugend allein gegen alle dastehen und wird von Siodmak und Kameramann George Robinson atmosphärisch, in verzweifelter Rastlosigkeit rennend, durch die Sumpflandschaften gejagt. Was diese Figur innerhalb des kurzen Films für eine Entwicklung durchmacht, ist innerhalb der Universal-Horrorfilme am besten mit dem Wolfsmenschen verglichen – und das, obwohl diese Rolle des Frank Stanley weder eine Kreatur ist noch zu einem Monster wird. Die Brüder Siodmak – Robert in der Regie und Curt als Vater der Story – gaben dem Universal-Horrorfilm damit eine relativ große Ladung psychologisch interessierter Tiefe mit. Parallelen zu „Der Wolfsmensch“ sind kein Zufall, da Curt Siodmak für diesen Film das Drehbuch verfasst hatte. Erfreulicherweise wurde in „Draculas Sohn“ zudem auch nicht daran gespart, die Diener der Caldwells zu zeigen und authentisch mit afro-amerikanischen Schauspielern zu besetzen – darunter Etta und Sam McDaniel, die Geschwister der berühmten ersten afro-amerikanischen Oscar-Preisträgerin Hattie McDaniel („Vom Winde verweht“). Eine angenehme politische Dimension und zudem ein ungewöhnliches Bild für das Horror-Genrekino der 30er und 40er, da die Filme meist in Europa spielten. Hier jedoch fand sich Dracula das erste Mal auf US-Boden wieder und auch erstmals zeigte in „Draculas Sohn“ ein Film die Transformation von einer Fledermaus in einen Vampir im Bild, mit Hilfe gut durchdachter und geschnittener Übergänge in Form von Animationen.

Dracula umzingelt von guten Nebenfiguren

Die einzige etwas enttäuschend kurzgehaltene Figur im Film ist die von Evelyn Ankers dargestellte Claire Caldwell. Die selbst aufwendig gestylt stets noch sympathisch und natürlich wirkende Ankers – zur damaligen Zeit ein bekanntes Gesicht in Universal-Filmen – spielt die Rolle jedoch überzeugend und angenehm unaufdringlich. Ankers wurde seit „Der Wolfsmensch“ gewissermaßen als reguläres weibliches Pendant von Lon Chaney Jr. in dessen Universal-Horrorfilmen etabliert. Insgesamt traten sie von 1941 bis 1945 in fünf Horrorfilmen gemeinsam auf. Darüber hinaus gibt es noch drei weitere Filme aus den Jahren 1942 bis 1944, in denen Ankers und Chaney Jr. in Nebenrollen ebenfalls mitspielten. Auch Lon Chaney Jr. machte in „Draculas Sohn“ einen recht guten Job, obwohl er für einen Vampir eine ziemlich gewöhnungsbedürftige, physisch ungewöhnlich robuste Besetzung war. Andererseits trat er nach mehr als zehn Jahren schließlich die unmittelbare Nachfolge von Bela Lugosi an, da in der ersten Fortsetzung eine Frau die Rolle des Vampirs eingenommen hatte, und konnte die Rolle zum damaligen Zeitpunkt noch relativ unproblematisch neu definieren. Obwohl Chaney Jr. als Dracula überraschend gut funktioniert, wird ihm von Robert Paiges hingebungsvoller Performance aber ebenso die Show gestohlen wie von dem damals bereits 67-jährigen Frank Craven und dem 39-jährigen J. Edward Bromberg, der allerdings eine wesentlich ältere Rolle verkörperte. Craven und Bromberg spielen eine Art doppelten Van Helsing und machen das weitaus sympathischer als der etwas steife Edward Van Sloan, der mit seiner Van-Helsing-Darstellung auf der Bühne und in den ersten beiden Tonfilmen der Universal-Reihe die Vorlage geliefert hatte. Gegen so viel gestandene schauspielerische Präsenz hatte es der im positiven Sinne bescheidene Star-Sohn Chaney Jr., der in anderen Genres auch immer wieder auffällig kleine Rollen neben seinen Horror-Hauptrollen übernahm, mit zu wenigen Szenen in diesem Film dann doch schwer. Am Ende geht es in „Draculas Sohn“ eigentlich mehr um Frank Stanley als um den Grafen Alucard, aber das verschleiern der Titel und die Regie von Siodmak lange Zeit gekonnt.

Das waren noch Zeiten

Leider sind die Zeiten vorbei, als US-amerikanische Major-Labels hauseigene Klassiker bei uns als DVD-Premieren auf den Markt brachten. 2004 jedoch sah die Welt anders aus und „Draculas Sohn“ gehörte zu einer Reihe von Fortsetzungen der bekannten Universal-Horrorfilme um Dracula, Frankenstein und den Wolfsmenschen, die in einer großen Box mitsamt dreier Statuen der besagten Figuren erstmals veröffentlicht wurden und eigens dafür sogar eine direkt für die DVDs erstellte deutsche Synchronisation erhielten. Diese „Universal Monster Legacy DVD Collection“, die neben den Dracula-, Frankenstein- und Wolfsmensch-Filmen auch noch ein paar weitere Horrorklassiker des Studios enthält, kann man getrost als die im Gesamtumfang wahrscheinlich aufwendigste DVD-Veröffentlichung von Hollywood-Klassikern bezeichnen, die ein aus einem damaligen Studio hervorgegangenes Label in Deutschland jemals realisiert hat. In den USA fiel die Legacy Collection sogar noch umfangreicher aus und beinhaltete auch die zeitgenössischen Fortsetzungen zu „Der Unsichtbare“ (1933) und „Der Schrecken vom Amazonas“ (1954), welche in Deutschland mittlerweile aber fast gänzlich durch andere Labels veröffentlicht worden sind. Die Box als gesamte hält zudem reichlich Bonusmaterial, Trailer und Audiokommentare bereit.

Alle bei „Die Nacht der lebenden Texte“ berücksichtigten Filme von Robert Siodmak sind in unserer Rubrik Regisseure aufgelistet, solche mit Lon Chaney Jr. in der Rubrik Schauspieler.

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Veröffentlichung: 14. Oktober 2004 als DVD in der „The Monster Legacy DVD Collection“ (18 Filme, 3 Deko-Büsten)

Länge: 77 Min.
Altersfreigabe: FSK 16
Sprachfassungen: Deutsch, Englisch, Französisch
Untertitel: Englisch für Hörgeschädigte, Deutsch, Französisch, Niederländisch
Originaltitel: Son of Dracula
USA 1943
Regie: Robert Siodmak
Drehbuch: Eric Taylor, nach einer Geschichte von Curt Siodmak
Besetzung: Lon Chaney Jr., Frank Craven, Robert Paige, Louise Allbritton, J. Edward Bromberg, Evelyn Ankers, Pat Moriarity, Etta McDaniel, Adeline De Walt Reynolds, Jess Lee Brooks
Zusatzmaterial: Original-Wiederaufführungstrailer
Vertrieb: Universal Pictures Germany GmbH

Copyright 2016 by Ansgar Skulme
Filmplakat: Fair Use, Packshot: © Universal Pictures Germany GmbH

 

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