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Hotel Ruanda – Im Zentrum des Völkermords von Ruanda

20 Jan

Hotel Rwanda

Von Volker Schönenberger

Kriegsdrama // Der 1954 geborene und seit 1989 in zweiter Ehe mit einer Tutsi-Frau verheiratete Hutu Paul Rusesabagina wurde im April 1994 zum Manager des Hôtel des Mille Collines in Ruandas Hauptstadt Kigali ernannt. Kurz zuvor hatte der Völkermord in Ruanda begonnen, Rusesabaginas weißer Vorgänger auf dem Posten war nach Belgien ausgeflogen worden. Einen Abriss der entsetzlichen Ereignisse könnt Ihr in meiner Rezension von Raoul Pecks Kriegsdrama „Als das Morden begann“ (2005) nachlesen. Paul Rusesabagina gelang es wiederholt, mordlüsterne Hutu-Milizen und -Zivilisten am Eindringen ins Hotel zu hindern, in das sich mehr als 1.200 Angehörige der Tutsi-Minderheit Ruandas geflüchtet hatten. Der Hotelmanager gilt somit als ihr Lebensretter.

Verzicht auf grausame Machetenszenen

Der nordirische Regisseur Terry George, 2012 Oscargewinner für seinen Kurzfilm „The Shore“, adaptierte den Stoff zehn Jahre später für die große Leinwand. Für das Originaldrehbuch wurden er und sein Co-Autor Keir Pearson 2005 für den Oscar nominiert. George verzichtete auf die Zurschaustellung brutalster Gewalt, was er seinerzeit im Interview begründete: Wie kann ich das Unmögliche auf die Leinwand bringen und zeigen, wie Menschen andere Menschen mit Macheten zerhacken? Es wäre nicht auszuhalten gewesen. Ich wollte und konnte das Entsetzliche nicht realitätsnah 1:1 zeigen. Die unabhängige Produktion wurde in Südafrika gedreht und wartet mit prominenter Besetzung auf: Als belgischer Blauhelm-Offizier Colonel Oliver ist Nick Nolte zu sehen. Joaquin Phoenix spielt den Journalisten Jack Daglish, und als Direktor der nationalen belgischen Fluglinie Sabena tritt Jean Reno in Erscheinung.

Hauptrolle für Don Cheadle

Die Rolle des Paul Rusesabagina übernahm Don Cheadle, der im Marvel Cinematic Universe als Captain Rhodes alias War Machine zu sehen ist (unter anderem in „Avengers – Endgame“ und „The First Avenger – Civil War“). Kurz nach seinem Dienstantritt nimmt Rusesabagina die Warnsignale wahr. Die Spannungen sind in Kigali an jeder Straßenecke zu spüren. Hutu wetzen bereits ihre Macheten. Nach dem Tod des ruandischen Staatschefs Juvénal Habyarimana beim Abschuss des Präsidentenflugzeugs am 6. April 1994 eskalieren die Ereignisse. Die Hutus starten ihre Jagd auf die verhassten Tutsi, die sie nur „Kakerlaken“ nennen. Das Morden beginnt. Mit Müh und Not kann der Manager seine Tutsi-Frau Tatiana (Sophie Okonedo), die Kinder und einige Bekannte und Freunde ins Hotel lotsen.

Paul Rusesabagina (r.) will die Menschen nicht im Stich lassen

„Hotel Ruanda“ bildet die historischen Eckpunkte des Völkermords einigermaßen korrekt ab, soweit ich das beurteilen kann. Ob das auch für die Darstellung von Paul Rusesabagina gilt, ist umstritten, da dem Hotelmanager später einige fragwürdige Verhaltensweisen vorgeworfen worden sind. An der Verkörperung der Figur durch Don Cheadle hingegen gibt es nichts auszusetzen. Der Amerikaner schlüpft tief in die Rolle des dienstbeflissenen und eloquenten afrikanischen Managers, der immer wieder versucht, mit Worten die Situation zu entschärfen und seine Schutzbefohlenen vor dem Schlimmsten zu bewahren. Man spürt geradezu, wie Rusesabagina in der Ausweglosigkeit nach einem Ausweg sucht. Obwohl viele Haupt- und Nebenfiguren auftreten und es keine Einmann-Show ist, lebt „Hotel Ruanda“ sehr von Cheadles eindrucksvoller Leistung, zumal er in nahezu jeder Szene auftritt.

Weltpremiere und Publikumspreis beim TIFF

Seine Weltpremiere feierte „Hotel Ruanda“ im September 2004 beim Toronto International Film Festival (TIFF), wo das Werk sogleich mit dem Publikumspreis prämiert wurde. Auftakt einer Vielzahl von Nominierungen und Auszeichnungen, darunter Oscar-Nominierungen für Hauptdarsteller Don Cheadle, Nebendarstellerin Sophie Okonedo und das Originaldrehbuch. 2006 gab es den Humanitas-Preis.

„Hotel Ruanda“ ist sowohl hochspannender Geschichtsunterricht als auch Emotionskino. Bei manchen Kritikern nahm der eine Aspekt zu breiten Raum ein, bei anderen der andere. Einige Male wird es in der Tat sehr gefühlig, aber Hand aufs Herz: Wie kann es das nicht sein? Für mich hat das Werk diese Balance sehr gut gehalten. Ein solcher Film tut gut daran, auf DVD und Blu-ray mit Begleitmaterial aufzuwarten. In diesem Fall empfehle ich insbesondere die viertelstündige Doku „Return to Rwanda“, die eine Reise von Paul Rusesabagina zu Originalschauplätzen der Ereignisse zeigt.

Einen bitteren Nachgeschmack erhalten die Ereignisse um Paul Rusesabagina, als er im August 2020 in Kigali unter Terrorismusverdacht festgenommen wurde. Dennoch bleibt „Hotel Ruanda“ ein bewegendes Mahnmal über den Völkermord in Ruanda, in einer Reihe mit „Als das Morden begann“, „Shooting Dogs“ (2005) und „Ruanda – The Day God Walked Away“ (2009). Allesamt keine leichte Kost, aber wichtige Filme, welche die Erinnerung an bis zu eine Million Tote bewahren. Welche filmischen Aufarbeitungen des Völkermords haben euch berührt?

Alle bei „Die Nacht der lebenden Texte“ berücksichtigten Filme mit Don Cheadle, Nick Nolte, Joaquin Phoenix und Jean Reno haben wir in unserer Rubrik Schauspieler aufgelistet.

Veröffentlichung: 28. Oktober 2001 als Blu-ray, 3. April 2009 und 19. Dezember 2005 als DVD

Länge: 122 Min. (Blu-ray), 117 Min. (DVD)
Altersfreigabe: FSK 12
Sprachfassungen: Deutsch, Englisch
Untertitel: Deutsch für Hörgeschädigte, Englisch
Originaltitel: Hotel Rwanda
GB/RSA/IT/USA 2004
Regie: Terry George
Drehbuch: Keir Pearson, Terry George
Besetzung: Don Cheadle, Sophie Okonedo, Joaquin Phoenix, Xolani Mali, Desmond Dube, Hakeem Kae-Kazim, Tony Kgoroge, Rosie Motene, Neil McCarthy, Mabutho „Kid“ Sithole, Nick Nolte, Fana Mokoena, Jeremiah Ndlovu, Lebo Mashile, Antonio Davis Lyons, Leleti Khumalo, Jean Reno
Zusatzmaterial: Audiokommentar mit Terry George, Paul Rusesabagina und Wyclef Jean, „A Message for Peace: Making Hotel Rwanda“ (28 Min.), Dokumentation „Return to Rwanda“ (15 Min.), Featurette (5 Min.), Interviews mit Cast & Crew (10 Min.), Selected Scenes mit und ohne Audiokommentar (21 Min.), Don Cheadle (5 Textseiten), Sophie Okonedo (2 Textseiten), deutscher und englischer Trailer, englischer TV-Spot, Trailershow, Wendecover
Label/Vertrieb: Universum Film (Leonine)

Copyright 2022 by Volker Schönenberger

Szenenfoto & unterer Packshot: © Leonine

 
 

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6 Antworten zu “Hotel Ruanda – Im Zentrum des Völkermords von Ruanda

  1. Andreas Michaelis

    2022/12/10 at 12:18

    Hotel Ruanda stellt das ganze schon sehr gut dar. Das Grauen wird hier sehr passend dargestellt.

     
  2. Samara

    2022/12/10 at 10:52

    Mir fällt da leider auch kein Film ein.

     
  3. Frank Warnking

    2022/12/10 at 04:37

    kenne da keinen anderen 😦

     
  4. Michael Behr

    2022/12/09 at 20:45

    Da habe ich tatsächlich keinen einzigen gesehen, wie ich gestehen muss.

     
  5. Björn Kramer

    2022/12/09 at 12:47

    Der junge im gestreiften Pyjama 😿😿😿😿

     
    • Volker Schönenberger

      2022/12/09 at 13:13

      Ich meinte tatsächlich die Filme über den Völkermord in Ruanda, aber egal. An der Verlosung nimmst du natürlich trotzdem teil.

       

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