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Der Oscar – Aufzucht und Pflege

23 Feb

So lief die lange Nacht der Academy Awards 2015

Gastbeitrag von Simon Kyprianou

Es ist Februar, im Terminkalender des geneigten Filmfans markiert und angestrichen ist also alljährlich die Oscar-Verleihung – ein erfahrungsgemäß eher durchwachsenes Ereignis in dem selten die wirklich besten Filme des Jahres nominiert sind. Mehrheitlich sind es Filme die einen Hauch von Anspruch vorweisen können, aber bloß nicht zu viel. Unlängst fragte sich ein Kritikerkollege völlig zu Recht, wieso nicht statt der Filme mit der oft dünnen Fassade des Anspruchs gute Blockbuster geehrt werden können.

Freude und Ärger schon bei den Nominierungen

Ein Blick auf die Nominierungen brachte auch wieder einigen Ärger: „American Sniper“ mit vielen Nominierungen, Bennett Millers großartiger „Foxcatcher“ nicht als bester Film nominiert, sondern lediglich für die beste Regie. „Die Entdeckung der Unendlichkeit“ zeigt großes Desinteresse am Genie eines Mathematikers und schlachtet Stephen Hawkings Leben Gazetten-artig aus, hat selbstredend ebenfalls eine Menge Nominierungen in der Tasche.

Endlos auf dem Roten Teppich

Nach zwei Uhr morgens unserer Zeit begann die Veranstaltung dann endlich, nach schier endlos erscheinenden Stunden der Plaudereien auf dem Roten Teppich (mit den gewohnt grässlichen deutschen Oscar-Moderatoren). Neil Patrick Harris führte durch den Abend. Der Star aus „How I Met Your Mother“ moderierte den Abend recht vergnüglich, inklusive „Birdman“-Auftritt in Unterhose, inklusive der obligatorischen Musical-Einlagen, inklusive der üblichen Gags. Nett und harmlos.

Bildausfall in Deutschland

Die Übertragung begann mit einer fünfminütigen Übertragungs-Störung, der die Nennung des besten Nebendarstellers zum Opfer fiel. Oscars gab’s erfreulicherweise einige für Wes Andersons „Grand Budapest Hotel“: für das Szenenbild, für Haare und Make-up, für Kostümdesign und für den Soundtrack des großen Alexandre Desplat, der in dieser Kategorie gleich zwei Mal nominiert war (auch für „The Imitation Game“).

Die Trophäe für das beste Drehbuch gewann „Birdman“, die fürs beste adaptierte Drehbuch „The Imitation Game“, dessen Autor Graham Moore eine schöne Rede auf Lager hatte. In letztgenannter Kategorie hätte man Paul Thomas Anderson den Sieg für seine geniale Thomas-Pynchon-Adaption „Inherent Vice – Natürliche Mängel“ natürlich ebenfalls gegönnt.

Sehr schön: „Ida“ gewinnt den Auslands-Oscar

Bester fremdsprachiger Film wurde nach seinem Siegeszug beim Europäischen Filmpreis erwartungsgemäß „Ida“, mit einer ebenfalls sehr schönen Rede von Pawel Pawlikowski, der seine Redezeit souverän um das Doppelte überzog. Allerdings hätte man ihn nicht ausgerechnet in dem Moment abwürgen dürfen, als er den Oscar seiner verstorbenen Frau widmete. Gewohnt peinlich beim Unterbinden von zu langen Reden, die Organisatoren.

Der Academy Award für die beste Kamera ging an den virtuosen Emmanuel Lubezki für „Birdman“. Lubezki durfte sein Genie schon unter den Regisseuren Alfonso Cuarón und Terrence Malick beweisen. Für seine Kameraarbeit zu Cuaróns Weltraumdrama „Gravity“ hatte er den Oscar bereits im vergangenen Jahr nach Hause getragen.

Grüße nach Moskau

Der Oscar für den besten Schnitt ging an Tom Cross für „Whiplash“. Erfreulich war der Oscar des besten Dokumentarfilms, der an Laura Poitras und „Citizenfour“ ging. Ob sich Edward Snowden in Moskau gefreut hat? Erfreulich ebenfalls der Oscar für die beste Hauptdarstellerin, der verdient an die göttliche Julianne Moore für „Still Alice“ ging. Marion Cotillard hätte man ihn für „Zwei Tage, eine Nacht“ aber ebenfalls gegönnt. Völlig zu Recht hat „Glory“ von John Legend und Common den Oscar für den besten Filmsong gewonnen. Das Stück aus dem Martin-Luther-King-Film „Selma“ wurde in einer wundervoll emotionalen Show dargeboten.

Nebendarsteller souverän ins Ziel

Bei den Nebendarstellern gab’s keine Überraschungen, dort waren die Wettquoten vermutlich auch am niedrigsten: Die Oscars erhielten J. K. Simmons für seine Darstellung des besessenen Musiklehrers in „Whiplash“ und Patricia Arquette für ihre Rolle der Mutter in „Boyhood“. Beim Wettstreit um den besten Hauptdarsteller waren große Schauspieler nominiert: Michael Keaton, Steve Carell – Schauspieler die den Oscar wirklich verdient hätten. Gewonnen hat Eddie Redmayne mit einer guten, aber unbedeutenden Leistung in einem unbedeutenden Film: dem Stephen-Hawking-Biopic „Die Entdeckung der Unendichkeit“. Auch das keine Überraschung, hatte Redmayne doch zuvor schon Golden Globe, BAFTA und Screen Actors Guild Award abgeräumt – ein hundertprozentiger Dreifaltigkeits-Indikator für den Oscar (Dank für die Erkenntnis an Arthur von Filmfutter).

„Birdman“ ist der Sieger

Der beste Film und der beste Regisseur wurden in den frühen deutschen Morgenstunden gekürt, beide Oscars gingen erwartbar an „Birdman“.

Eine lange, Nacht – reich an Werbeunterbrechungen – ohne große Überraschungen also, mit Tiefen und Höhen. Am Ende kann man froh sein, dass „American Sniper“, „Die Entdeckung der Unendlichkeit“ und „Boyhood“ vergleichsweise leer ausgegangen sind. Man trauert mit Steve Carell, Michael Keaton und Bennett Miller. Man freut sich mit Laura Poitras, Julianne Moore und Pawel Pawlikowski.

Traurig war auch der Animationsfilm-Oscar. Das große Meisterwerk „Die Legende der Prinzessin Kaguya“, dieses warmherzige Meisterstück, wurde übergangen zugunste von „Baymax – Riesiges Robowabohu“.

Die komplette Siegerliste gibt es hier.

Copyright 2015 by Simon Kyprianou

 
5 Kommentare

Verfasst von - 2015/02/23 in Kino, Veranstaltungen

 

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5 Antworten zu “Der Oscar – Aufzucht und Pflege

  1. Rebecca

    2015/02/27 at 17:58

    Bezüglich Streep meinte ich, dass es viele Nominierungen gab, für die sie auch hätte ausgezeichnet werden können. Das z.B. Sandra Bullock damals den Oscar bekam, konnte und kann ich bis heute nicht nachvollziehen.
    Aber eine Nominierung ist in meinen Augen auch schon eine Auszeichnung. Und Krankheiten bzw. Symptone darzustellen, dass muss man auch erst können.
    Im Grunde genommen haben alle nominierten den Preis verdient, aber schließlich kann nur einer gewinnen.

     
  2. Arthur A.

    2015/02/26 at 02:04

    Ich denke, es ist zu einfach, Michael Keatons Leistung darauf zu reduzieren, er habe sich selbst gespielt. Das haben einige ja auch Mickey Rourke bei The Wrestler vorgeworfen. Sicher sind Anklänge seiner frühen Karriere da, doch viel eher verdient die Darbietung die Bezeichnung „die Rolle seines Lebens“, weil er vermutlich nie eine bekommen wird, die so maßgeschneidert ist. Und Redmayne hat auf die Krankheit aufmerksam gemacht, aber die Oscars werden für schauspielerische Leistungen verteilt, nicht den Charity-Faktor 😉 Naja, jedenfalls sollten sie das.

     
    • Rebecca

      2015/02/27 at 12:50

      „aber die Oscars werden für schauspielerische Leistungen verteilt“, dass ist richtig bzw. so sollte es eigentlich sein. Aber jemanden darzustellen, der an einer solchen Krankheit erkrankt ist, ist eine bemerkenswerte Leistung.
      Streep oder auch Glenn Close hatten schon viele Nominierungen, für die sie eigentlich hätten gewinnen müssen. Aber was die „Gerechtigkeit“ bei Preisverleihungen angeht, dazu muss man ja wohl nichts sagen….

       
      • V. Beautifulmountain

        2015/02/27 at 16:13

        Es gibt allerdings viele bemerkenswerte schauspielerische Leistungen. Was genau ist an der Darstellung einer Krankheit über die Maßen bemerkenswert? Krankheiten haben Symptome, die machen es doch eher einfacher, Erkrankte darzustellen.

        Und Meryl Streep ist nun wirklich kein gutes Beispiel für eine unfaire Oscar-Vergabe. Niemand wurde je häufiger nominiert, und drei Oscars haben auch nur wenige andere Schauspieler erhalten.

         
  3. Rebecca

    2015/02/23 at 17:24

    Ich bin froh, dass Michael Keaton keinen Oscar bekommen hat, weil er doch eigentlich sich selber gespielt hat!
    Den Oscar für Redmayne finde ich durchaus verdient, da er u. a. auf diese Krankheit aufmerksam macht.

     

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