Baby Driver
Kinostart: 27. Juli 2017
Actionkomödie // Nach dem Abschluss der „Cornetto-Trilogie“ und seinem Ausflug ins Marvel Cinematic Universe als Drehbuchautor für „Ant-Man“ meldet sich Kult-Regisseur Edgar Wright mit einem echten Herzensprojekt zurück. Der Brite hat von einem Film geträumt, der seine zwei größten Leidenschaften verbindet: „Ich wollte schon immer mal einen Actionfilm drehen, der durch die Kraft der Musik angetrieben wird“, lässt sich Wright im Presseheft zitieren. Das Resultat ist mehr als geglückt. „Baby Driver“ ist ohne Frage einer der coolsten Filme dieses Kinojahres – und bietet einen Hammer-Soundtrack, welchen sogar Star-Lord Peter Quill in seinem Walkman in Dauerschleife rotieren lassen würde.
Wrights Haupfigur Baby (Ansel Elgort) hingegen bevorzugt einen iPod. Für jede Gelegenheit hat der junge Fluchtwagenfahrer die richtige Playlist parat. Mit Sonnenbrille im Gesicht und Kopfhörern im Ohr rast der scheue Milchbubi allen davon. Die Musik dient Baby dabei nicht nur, um in die richtige Stimmung zu kommen, vielmehr nutzt er die Beats, um den Tinnitus zu übertönen, an dem er seit seiner Kindheit leidet. Damals starben seine Eltern bei einem Autounfall, der kleine Baby saß auf dem Rücksitz. Der gehörlose Joseph (CJ Jones) wurde sein Ziehvater. Der konnte jedoch nicht verhindern, dass Baby ins kriminelle Milieu abdriftete. Gangsterboss Doc (Kevin Spacey) erkannte Babys Talente hinter dem Steuer und ließ ihn für seine clever geplanten Banküberfälle eine alte Schuld abarbeiten. Doch damit soll bald Schluss sein. Baby will aussteigen und mit der hübschen Kellnerin Debora (Lily James) in den Sonnenuntergang fahren. Aber so einfach lässt Doc seinen besten Mann nicht gehen. Gemeinsam mit Buddy (Jon Hamm), dessen Freundin Darling (Eiza Gonzalez) und dem völlig unberechenbaren Bats (Jamie Foxx) soll Baby ein letztes großes Ding durchziehen …
Von der ersten bis zur letzten Szene nimmt Edgar Wright den Fuß nicht vom Gaspedal. Dass die rasanten Verfolgungsjagden durch die Straßen von Atlanta fast ohne Computereffekte entstanden sind, ist in der heutigen Zeit kaum zu glauben. Mit ähnlicher Präzision, wie die Stuntmänner ihren Job nachgegangen sind, hat Wright auch die Musik auf jede einzelne Sequenz abgestimmt. „Baby Driver“ ist ein unnachahmlicher Mix aus Action und Musical, gepaart mit Wrights perfekt eingesetzten Schnitten, bissigem Humor und allerlei popkulturellen Referenzen.
Doch Vorsicht: Wer dem Musical-Genre generell nichts abgewinnen kann, könnte seine Probleme haben. Zwar beginnen die Figuren nicht plötzlich aus dem Stegreif mit dem Singen, aber zahlreiche Szenen von „Baby Driver“ sind mit ihren Bewegungen und Aktionen in Verbindung mit der Tonspur komplett abgestimmt und durchchoreografiert. In der berühmten Kneipenschlägerei aus „Shaun of the Dead“, während der die Billardstöcke im Takt zum Queen-Song „Don’t Stop Me Now“ auf die Zombies einprügeln, und in einigen Szenen aus „Scott Pilgrim gegen den Rest der Welt“ hatte Wright dies schon mal im kleinen Maßstab geprobt. Nun zieht er es in „Baby Driver“ hemmungslos durch. Der Film entfaltet so seinen eigenen Rhythmus, der einfach mitreißt. Übrigens: Wenn auf dem Soundtrack mal nicht „Harlem Shuffle“ von Bob & Earl, „Radar Love“ von Golden Earring oder Queens „Brighton Rock“ erklingt, wenn also fast alles ruhig ist, dann ist immer noch ein kleiner hoher Ton zu hören, der Babys nicht stillhaltenden Tinnitus simulieren soll. Dies ist eine von vielen kleinen und feinen Spielereien, mit der Wright ein weiteres Mal seinen Ideenreichtum demonstriert und welche die Fans seiner Filme so sehr lieben.
Wie ein junger Clint Eastwood
Zur namhaften Besetzung braucht man nicht viel sagen: Die beiden Oscar-Preisträger Kevin Spacey und Jamie Foxx, „Mad Men“-Star Jon Hamm, Jon Bernthal aus „The Walking Dead“ und Eiza González („From Dusk Till Dawn“) genießen es sichtlich, ihre abgedrehten Charaktere mit Leben zu füllen. Ansel Elgort („Das Schicksal ist ein mieser Verräter“) wirkt als wortkarger Held so, wie es sich Filmfreak Wright gewünscht hatte: wie ein junger Clint Eastwood oder Steve McQueen, der erst dann aufblüht, wenn er hinter einem Steuer sitzt – oder mit seiner von Lily James gespielten Angebeteten über Songs philosophiert, in denen ein „Baby“ oder eine „Deborah“ besungen werden.
Alle bei „Die Nacht der lebenden Texte“ berücksichtigten Filme von Edgar Wright haben wir in unserer Rubrik Regisseure aufgelistet, Filme mit Jamie Foxx und Kevin Spacey in der Rubrik Schauspieler.
Länge: 112 Min.
Altersfreigabe: FSK 16
Originaltitel: Baby Driver
GB/USA 2017
Regie: Edgar Wright
Drehbuch: Edgar Wright
Besetzung: Ansel Elgort, Jon Bernthal, Jon Hamm, Kevin Spacey, Lily James, Eiza González, Jamie Foxx, Micah Howard, CJ Jones
Verleih: Sony Pictures
Copyright 2017 by Andreas Eckenfels
Filmplakat, Fotos & Trailer: © 2017 Sony Pictures
Evil Ash
2017/08/02 at 20:26
Hallo Starks7!
Danke für deinen Kommentar. Den Begriff Musical habe ich in der Überschrift rein plakativ gewählt, im Text wollte ich damit zum Ausdruck bringen, wie einige der Szenen konstruiert sind. Auch wenn die Figuren nicht singen, trägt für mich die Verbindung von Bewegung und Musik durchaus Grundzüge eines Musicals. Dennoch habe ich mich gegen „Action-Musical“ als Genre entschieden, sondern „Actionkomödie“ geschrieben, weil dies für mich die treffendere Bezeichnung ist, da, wie du richtig schreibst, die Musik von Wright eben als Stilmittel eingesetzt wird.
Grüße,
Andreas
Starks7
2017/08/02 at 17:18
Gut geschrieben, auch wenn ich „Musical“ trotz der omnipräsenten Verwendung von Musik als Stilmittel doch als irreführende Bezeichnung für den Film empfinde.
Ela
2017/07/27 at 16:31
Ich konnte „Baby Driver“ vor vier Wochen schon in der OV-Sneak genießen und hab auch schon den Soundtrack (Doppel-CD). Musik und Film machen richtig Laune und das gesamte Schauspiel-Ensemble hatte ganz offensichtlich noch mehr Spaß beim Drehen.
Babys Ziehvater ist allerdings nicht blind sondern stumm und fast taub, wie könnte er sonst die Zeichensprache verstehen 😉
Vor ca. 5 Jahren hat Egar Wright seine Film-Idee bereits in einem Musikvideo eingebracht (Mint Royal – Blue Song) mit bekannten Gesichtern aus Spaced, Mighty Boosh und der Cornetto-Trilogie. Wem das Video gefällt, dem sollte eigentlich auch der Film gefallen und wer den Film schon gesehen hat, wird einiges wiedererkennen.
Evil Ash
2017/07/30 at 11:50
Hallo Ela!
Danke für den Hinweis. Du hast natürlich völlig recht: Joseph ist gehörlos, nicht blind. Wir haben das geändert. Vielen Dank auch für das Musikvideo, das kannte ich noch nicht. Richtig gut!
Grüße,
Andreas