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Bravados – Gregory Peck auf Rachefeldzug

31 Jan

The Bravados

Von Volker Schönenberger

Western // In der beschaulichen Kleinstadt Rio Arriba steht ein Großereignis an: Die vier Bankräuber Bill Zachary (Stephen Boyd), Ed Taylor (Albert Salmi), Leandro Lujan (Henry Silva) und Alfonso Parral (Lee Van Cleef) sollen um 6 Uhr früh am nächsten Morgen gehängt werden. Als Jim Douglass (Gregory Peck) einreitet, erregt das einiges Aufsehen, weil man ihn für den Henker hält. Dem Sheriff Eloy Sanchez (Herbert Rudley) gegenüber gibt sich der Farmer wortkarg über seine Motive, weshalb er 100 Meilen von seiner Farm in Winthrop nach Rio Arriba geritten ist, um vier Unbekannte hängen zu sehen. Jim trifft Josefa Velarde (Joan Collins), mit der ihn Jahre zuvor in New Orleans eine Liebelei verband.

Einsamer Reiter: Jim Douglass …

Kurz nach Jim trifft auch der Henker Mr. Simms (Joe DeRita) aus Silver City ein. Doch während die Einwohnerinnen und Einwohner Rio Arribas in der Kirche eine spätabendliche Messe abhalten, gelingt den Verurteilten die Flucht. Im Schlepptau haben sie die junge Emma Steinmetz (Kathleen Gallant) als Geisel. Ein Suchtrupp verfolgt die Flüchtlinge, bald angeführt von Jim Douglass, der die nächsten Schritte der Bande vorausahnt, weil er sie bereits sechs Monate lang jagt. Unerbittlich.

… muss kurz vor Rio Arriba seine Waffen abgeben …

Die Location Scouts von Twentieth Century Fox haben ganze Arbeit geleistet und in den zentralmexikanischen Bundesstaaten Jalisco und Michoacán Landschaften entdeckt, die ein wunderbares Setting für die Menschenjagd bilden und es Kameramann Leon Shamroy erleichtert haben, famose CinemaScope-Bilder zu erschaffen. Nicht, dass er es nicht ohnehin drauf hatte – 18 Oscar-Nominierungen von 1939 bis 1966 sprechen eine deutliche Sprache. Viermal durfte er den Academy Award als bester Kameramann entgegennehmen – 1943 für „Die Seeräuber“, zwei Jahre später für „Wilson“ (beide übrigens unter der Regie von „Bravados“-Regisseur Henry King), ein Jahr darauf für „Todsünde“ und 1964 für seine Kameraarbeit von „Cleopatra“. Vier Oscars für die Farbkamera, das sei nur erwähnt, weil er auch zweimal für Schwarzweiß-Kamera nominiert war (seinerzeit war der Kamera-Oscar dergestalt zweigeteilt).

… und erregt im Ort einiges Aufsehen

Das herrliche Landschaftspanorama bildet einen feinen Kontrast zu der Düsternis, die auf Jim Douglass lastet. Er trägt schwer am Tod seiner Frau, jagt die Viererbande, die sie auf dem Gewissen hat, so seine feste Überzeugung. Diese gerät auch nicht ins Wanken, als einer von ihnen auf Knien um sein Leben fleht und beteuert, die Frau auf dem Foto in Jims Taschenuhr niemals zuvor gesehen zu haben. Sein Hass ist zu groß, lässt keinen Raum für Mitgefühl, Milde oder gar Zweifel, ob es sich wirklich um die Mörder seiner Frau handelt. Topstar Gregory Peck („Des Königs Admiral“, 1951) erinnert hier fast ein wenig an die Antihelden des Italowesterns, die fünf bis sechs Jahre später auf der Bildfläche erscheinen sollten. Man denke nur an den in „Bravados“ auch mitwirkenden Lee Van Cleef und eine seiner Paraderollen als Colonel Mortimer, der in Sergio Leones „Für ein paar Dollar mehr“ (1965) mit einer ganz ähnlichen Motivation unterwegs ist.

Die Verurteilten …

Gregory Peck ist allerdings zu sauber, um als echter Vorläufer eines Italowestern-Antihelden durchzugehen. Und das Finale ist letztlich zu inkonsequent und verankert „Bravados“ damit doch sehr im klassischen US-Western, in dessen ausgehender Blütezeit Henry King ihn inszenierte. Es war die fünfte Zusammenarbeit des Regisseurs mit seinem Hauptdarsteller Peck, begonnen hatte sie 1949 mit dem Kriegsdrama „Der Kommandeur“, gefolgt vom Western „Der Scharfschütze“ (1951) und dem monumentalen Bibeldrama „David und Bathseba“ (1951). Das Liebesdrama „Schnee am Kilimandscharo“ markierte 1952 ihre bekannteste Kooperation, diese endete 1959 mit dem biografischen Drama „Die Krone des Lebens“. Im Anschluss drehte King nur noch einen Film – „Zärtlich ist die Nacht“ (1962) mit Jennifer Jones, Jason Robards und Joan Fontaine – und setzte sich zur Ruhe. Er starb 1982 im Alter von 96 Jahren in Kalifornien.

…. schaut er sich sehr genau an

Als „Bravados“ 1958 in die Kinos kam, war Gregory Peck der einzige namhafte Star in der Besetzung. Aber immerhin finden sich einige Darsteller, die etwas später zu Ruhm kamen. Und eine Darstellerin: Joan Collins hatte kurz zuvor in „Heiße Erde“ (1957) eine Nebenrolle an der Seite von James Mason, Joan Fontaine und Harry Belafonte gehabt. Ihre Laufbahn verlief in den 60er- und 70er-Jahren unspektakulär. Etwas heraus sticht der wunderliche Krabbeltier-Horrorfilm „In der Gewalt der Riesenameisen“ (1977). In den 80ern feierte sie als Biest Alexis Carrington in der Fernsehserie „Der Denver-Clan“ („Dynasty“, 1981–1989) einige Erfolge, gewann 1983 für ihre Rolle sogar einen Golden Globe. Von den Dreharbeiten zu „Heiße Erde“ kannte sie Stephen Boyd bereits, der ein Jahr später als Messala in „Ben Hur“ nachhaltig auf sich aufmerksam machte und ebenfalls einen Golden Globe gewann.

Gefangenenausbruch!

Auch Lee Van Cleef startete in den 60ern durch, obwohl er auch in den 50er-Jahren schon viel gedreht hatte – aber eben eher kleine Rollen. Auf der Leinwand debütiert hatte er 1952 in Fred Zinnemanns „12 Uhr mittags“. Den Startschuss seines späteren Erfolgs im Italowestern gab der erwähnte „Für ein paar Dollar mehr“ ab, unvergessen auch sein Auftritt als Sentenza in Sergio Leones „Zwei glorreiche Halunken“ (1966).

Mit Josefa beim Gottesdienst

Erwähnt seien dies abschließend noch Albert Salmi, der kurz vor „Bravados“ in „Die Brüder Karamasow“ (1958) von Richard Brooks sein Leinwanddebüt gegeben hatte und bis Ende der 80er vor allem als TV-Darsteller sehr gefragt war, sowie Henry Silva („Ghost Dog – Der Weg des Samurai“, 1999), aufgrund seiner markanten Gesichtszüge prädestiniert für Schurkenrollen und dafür auch gern gebucht. In „Cusack – Der Schweigsame“ (1985) ist er als Gegenspieler von Chuck Norris zu sehen, in „Nico“ (1988) tritt er gegen Steven Seagal an. Eine schöne Rolle war auch sein Part als Großwildjäger in „Der Horror-Alligator“ (1980).

Die Taschenuhr mit Foto von Frau und Kind trägt Jim stets mit sich

Boyd, Salmi, Silva und van Cleef harmonieren sehr gut als vier Banditen sehr unterschiedlicher Bösartigkeit. Dies ist wichtig für den zwiespältigen Blick auf den Vergeltung suchenden Jim Douglass, denn wären sie allesamt auf einem hohen Schurkenlevel, hätte seine gnadenlose Menschenjagd höhere Berechtigung (auch wenn er aufs Lynchen aus ist, was kein feiner Zug ist). Und bei vier Kleinganoven wäre der gesamte Plot hinfällig. Ein paar größere Konflikte unter den vier Flüchtenden hätten das Geschehen vielleicht noch etwas aufpeppen können. Dass es daran mangelt, ist aber nur ein kleines Manko, der Fokus auf die Menschenjagd, bei der Douglass die vier vor sich hertreibt, gibt genug Spannung und Action her. Nicht genug allerdings für eine weibliche Hauptfigur. „Bravados“ wäre locker ohne die von Joan Collins verkörperte Josefa ausgekommen. Die Entwicklung ihrer Beziehung zu Jim Douglass verläuft vorhersehbar.

Auf der Flucht

Die immerhin noch lieferbare DVD von explosive media datiert von 2017. Im Juni 2023 hat das Label dem eine Blu-ray in feiner Bildqualität folgen lassen, welche die schönen Landschaftsaufnahmen gut zur Geltung bringt. Da es sich nicht um einen großen Klassiker handelt, gehört „Bravados“ nicht zwingend ins Westernregal, aber er wertet es auch nicht ab.

Gejagt, gestellt

Insgesamt mangelt es Henry Kings Western an Wagemut, das Genre auszuloten und voranzubringen, bei dem zum Zeitpunkt der Dreharbeiten schon über 70-jährigen Regisseur vielleicht auch zu viel verlangt. Die finale Erlösungsszene in der Kirche hätte er sich aber besser gespart. Gleichwohl hat „Bravados“ ein Fazit à la „routiniert inszeniert“ nicht verdient. Angemessen erscheint mir: Fesselnder Menschenjagd- und Rachewestern vor prächtiger Kulisse, der sein Vergeltungsmotiv hinterfragt. Welche Gregory-Peck-Western sind eure Favoriten?

Alle bei „Die Nacht der lebenden Texte“ berücksichtigten Filme von Henry King haben wir in unserer Rubrik Regisseure aufgelistet, Filme mit Joan Collins unter Schauspielerinnen, Filme mit Stephen Boyd, Lee Van Cleef, Gregory Peck und Henry Silva in der Rubrik Schauspieler.

Veröffentlichung: 15. Juni 2023 als Blu-ray, 21. April 2017 als DVD, 6. März 2006 als DVD der Reihe „Große Film-Klassiker“, 23. Mai 2005 als DVD

Länge: 98 Min. (Blu-ray), 94 Min. (DVD)
Altersfreigabe: FSK 12
Sprachfassungen: Deutsch, Englisch
Untertitel: Deutsch, Englisch
Originaltitel: The Bravados
USA 1958
Regie: Henry King
Drehbuch: Philip Yordan, nach einem Roman von Frank O’Rourke (1916–1989)
Besetzung: Gregory Peck, Joan Collins, Stephen Boyd, Albert Salmi, Henry Silva, Lee Van Cleef, Kathleen Gallant, Barry Coe, George Voskovec, Herbert Rudley, Joe DeRita, Andrew Duggan, Ken Scott, Gene Evans, Robert Adler
Zusatzmaterial 2023 & 2017: Original Kinotrailer, 2 Bildergalerien (Werbemittel & Filmstills), Wendecover
Zusatzmaterial 2006 & 2005: Postkarte, nur 2005: Booklet, Schuber
Label: explosive media
Vertrieb 2023 & 2017: Plaion Pictures
Vertrieb 2017: Al!ve AG
Label/Vertrieb 2006 & 2005: Twentieth Century Fox Home Entertainment

Copyright 2024 by Volker Schönenberger

Unterer Blu-ray- und erster DVD-Packshot: © explosive media,
unterer DVD-Packshot: © Twentieth Century Fox Home Entertainment

 
 

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21 Antworten zu “Bravados – Gregory Peck auf Rachefeldzug

  1. Thomas Oeller

    2024/04/28 at 08:56

    „Weites Land“ vorallem, aber „Duell in der Sonne“ ist auch nicht schlecht

     
  2. Lacy_Leech

    2024/04/24 at 23:10

    Der Scharfschütze, MacKennas Gold

     
  3. Stephan Eichenberg

    2024/04/23 at 09:56

    Mackenna’s Gold und How the West was Won, aber die kamen nicht an seine Kriegsfilme wie Die Kanonen von Navarone heran.

     
  4. Martin

    2024/04/22 at 11:28

    Ich mag sehr Begrabt die Wölfe in der Schlucht (unvergessen der Schuss mit der Sharps)

     
  5. Martin Burger

    2024/04/22 at 08:10

    Duell in der Sonne und Weites Land

     
  6. christophwolfca3f310064

    2024/04/21 at 18:46

    Das war der Wilde Westen (How the West Was Won, Henry Hathaway / John Ford / George Marshall, 1962)

    Begrabt die Wölfe in der Schlucht (Billy Two Hats, Ted Kotcheff, 1974)

    Mein liebster Peck-Film ist aber kein Western sondern

    Des Königs Admiral (Captain Horatio Hornblower, Raoul Walsh, 1951)

     
  7. Andreas H.

    2024/04/21 at 16:44

    „Duell in der Sonne“ und „Weites Land“ sind meine Favoriten.

     
  8. Pascal Crecelius

    2024/04/21 at 14:40

    Bis zum letzten Atemzug

     
  9. Thomas Schmidt

    2024/04/21 at 13:04

    Der Scharfschütze, den habe ich erst gestern wieder gesehen…

     
  10. ottannkatrin

    2024/04/21 at 12:10

    Bravados und Weites Land

     
  11. jsantosmorandiaz

    2024/04/20 at 23:16

    Duell in der Sonne ist mein absoluter Lieblingswestern mit Gregory Peck

     
  12. Frank Warnking

    2024/04/20 at 04:19

    Mackenna’s Gold und Weites Land 🙂

     
  13. Sascha K.

    2024/04/19 at 16:05

    Finde ihn gut als Schauspieler, habe aber keinen Western mit ihm gesehen. Favoriten wären: Das war der wilde Westen und Weites Land.

     
  14. mikmiklaerm44bc7edd43

    2024/04/19 at 14:27

    Da werfe ich mal, neben den genannten Weites Land und Der Scharfschütze, Begrabt die Wölfe in der Schlucht in den Raum.

     
  15. trekkie1180

    2024/04/19 at 14:21

    abrechnung am gun hill

     
  16. Andreas Laskowski

    2024/04/19 at 12:16

    fällt mir momentan nichts ein

     
  17. Ralf Staude

    2024/04/19 at 11:51

    The Big Country/Weites Land von William Wyler

     
  18. karstenknipps14

    2024/04/19 at 11:20

    Mackenna’s Gold

     
  19. Michael Behr

    2024/04/19 at 09:42

    Auch wenn er da „nur“ eine Ensemble-Rolle hat, nenne ich mal „How the West Was Won“, da ich ein Herz für Filme mit episodenhafter Struktur habe.

     
  20. Dirk Busch

    2024/04/19 at 09:08

    Ich werfe mal Weites Land in den Ring.

     
  21. Erik

    2024/04/19 at 08:26

    Der Scharfschütze.

     

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