Antithese
Von Volker Schönenberger
Kurzfilm-Horror // In der von Menschen (Igitt!) bevölkerten Stadt kann der Schriftsteller Stephen (Günther Brandl) nicht schreiben, also schnappt er sich Freundin Mia (Miriam Fontaine) und fährt in eine abgelegene Berghütte im Salzkammergut. Mia ist alles andere als begeistert von der Einöde, macht aber auch ohne Handy-Empfang gute Miene zum langweiligen Spiel. Er beginnt, fleißig in die Tasten seiner mechanischen Schreibmaschine zu hauen, sie freut sich, dass Stephen die Protagonistin seines Horrorromans Mia nennt. Noch ahnen die beiden nicht, welches Grauen sie erwartet. Ein Albtraum der jungen Frau ist nur der Auftakt …
Die Berghütten-Idylle …
Stephen deklamiert bedeutungsschwangere Sprüche aus einem alten Buch (in Latein oder Italienisch, das konnte ich nicht genau raushören) – ein Schelm, wer „Tanz der Teufel“ dabei denkt. Auch den sich in die Einöde zurückziehenden Autor kennen wir als Topos zur Genüge. Bei einem Handlungselement haben sich die Regisseure Thomas Binder und Jonas Sommer womöglich von „Stephen Kings Stark – The Dark Half“ (1993) inspirieren lassen. Ich hoffe, damit nicht zu viel zu verraten, und belasse es nun auch dabei, was die Nacherzählung der Story angeht. Da das heutige Horrorgenre ohnehin recht innovationsarm ist, muss sich ein Undergroundfilm wie „Antithese“ sicher nicht daran messen lassen, ob er neue Impulse setzt. Wichtiger ist: Setzt er die bekannten Versatzstücke zu einem stimmigen Ganzen zusammen? Das kann bejaht werden. Der Begriff „Antithese“ bezeichnet einen Gegensatz oder eine Gegenbehauptung, mehr will ich nun aber wirklich nicht verraten. Rund um diesen Gegenentwurf entspinnt sich die recht schnörkellose Story – allzu viele Wendungen verträgt ein knapp halbstündiger Film ohnehin nicht.
… von Stephen und Mia …
Visuell ist das überaus ansprechend umgesetzt worden. Das beginnt mit einem per Drohne gefilmten Bergpanorama zum Auftakt und setzt sich in einer surreal gehaltenen Albtraumsequenz fort, in der sich eine Schöne (Melody Bayer) nackt vor einem Dämon (Jonas Sommer) rekelt – inklusive in Zeitlupe gehaltenem Blutschwall. Den Regiestuhl dieser Szene überließen Sommer und Binder ihrem Beleuchter Martin Faltermeier. Apropos Blut: Ein paar blutige Effekte sind pointiert verteilt worden, alles natürlich handgemacht und schmuck. Die Schauspielkunst bewegt sich zwangsläufig auf Laiendarsteller-Niveau, aber was dem Vorabendprogramm der Fernsehsender recht ist, kann einem Undergroundfilm nur billig sein. Hauptdarsteller Günther Brandl ist in der Independent-Szene jedenfalls kein Unbekannter. Er produziert selbst Filme – etwa „Moor-Monster!“ (2014) – und hat im kürzlich an dieser Stelle rezensierten „Weakness of a Sick Mind“ einen Gastauftritt. Sein Stephen stellt mit Stimme aus dem Off zu Beginn sich selbst und seine Freundin vor – er nennt sie „Frau“, sinniert aber später darüber nach, um ihre Hand anhalten zu wollen. Voice-over ist ein gängiges Stilmittel, um auf einfache Weise Erläuterungen und Charakterisierungen hinzuzufügen, ohne Szenen drehen zu müssen, die die Handlung nicht vorantreiben. Das kann man für einfallslos halten, was es in manchen Fällen sicher ist, findet sich aber auch in Großproduktionen.
… endet, als der Schriftsteller die falschen Sprüche deklamiert
„Antithese“ ist kurzweilig geraten – ehe ich es mich versah, lief der Abspann. Aber Obacht: Im Anschluss daran folgt noch eine Szene. Regisseur Jonas Sommer erklärt im Making-of, er habe das Ende offen halten wollen, die zusätzliche Sequenz aber für Leute hinzugefügt, die einen etwas runderen Abschluss bevorzugen. Mir brachte die Szene nicht viel, aber das mag daran liegen, dass ich es nicht für kritikwürdig halte, wenn ein paar Fragen offen bleiben. Man sieht „Antithese“ nicht an, dass es sich um die erste Regiearbeit von Thomas Binder und Jonas Sommer handelt, das respektable Ergebnis sollte mindestens bei Underground-Fans auf Wohlgefallen stoßen.
Ein dämonischer …
Das österreichische Undergroundlabel Black Lava Entertainment hat der DVD von „Antithese“ sogar ein wertiges Mediabook spendiert, das zwar schmal, aber gehaltvoll ausgefallen ist. Das schön bebilderte Booklet enthüllt die gesamte Entstehungsgeschichte des Films und einige Döntjes vom Dreh. Begonnen hatte alles im November 2014 mit der Idee Thomas Binders, einen Film zu drehen – was für einen auch immer. Dreieinhalb Jahre später erblickte „Antithese“ das Licht der DVD-Welt. Wer nicht nur im Booklet darüber lesen will, findet im Bonusmaterial des Mediabooks reichlich audiovisuelles Futter inklusive eines Easter Eggs.
… Albtraum nimmt seinen Lauf
Beim vom 9. bis 11. November 2018 stattfindenden „House of Horrors“ in der Turbinenhalle Oberhausen wird es einen „Antithese“-Stand geben, auch wird der Film dort im Rahmen des „Dead End“-Awards gezeigt. Wer die Veranstaltung nicht besucht, kann „Antithese“ im Webshop von Black Lava Entertainment beziehen. Außer dem Mediabook ist auch eine auf 20 Exemplare limitierte VHS-Kassette lieferbar – ein Gimmick für Retro-Fans, die der Goldenen Ära der Videotheken und heruntergenudelten Leihvideos hinterhertrauern. Mit dem Portfolio von Black Lava bin ich überhaupt nicht vertraut. Welche Filme aus dem Sortiment des Labels könnt Ihr empfehlen?
Veröffentlichung: 3. April 2018 als DVD im auf 500 Exemplare limitierten Mediabook, als DVD in auf 50 Exemplare limitierter Hartbox und als auf 20 Exemplare limitierte VHS-Kassette
Länge: 29 Min.
Altersfreigabe: FSK ungeprüft
Sprachfassungen: Deutsch
Untertitel: Englisch
Originaltitel: Antithese
A/D 2017
Regie: Thomas Binder, Jonas Sommer (Albtraumsequenz: Martin Faltermeier)
Drehbuch: Jonas Sommer
Besetzung: Melody Bayer, Günther Brandl, Martin Faltermeier, Miriam Fontaine, Nicole Lauer
Zusatzmaterial: Making-of (12:43), Mia’s Nightmare – Making-of (3:20), The Art of SFX (5:25), deleted Intro Shots (2:56), deleted Scene: Mia’s Nightmare V 1.0 (0:59), Antithese Highspeed Shots Promo Clip (1:40), Easter Egg (1:23), 16-seitiges Booklet
Label/Vertrieb: Black Lava Entertainment
Copyright 2018 by Volker Schönenberger
Szenenfotos: © 2018 Black Lava Entertainment
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