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Hamburger Hill – Der Hackfleisch-Hügel von Vietnam

02 Jul

Hamburger Hill

Von Volker Schönenberger

Kriegsdrama // Wie viele große Konflikte der Menschheitsgeschichte hat auch der Vietnamkrieg eine große Bandbreite an filmischen Aufarbeitungen hervorgebracht – von reaktionärem Radau wie „Die grünen Teufel“ („The Green Berets“, 1968) mit John Wayne, „Die Rückkehr der Wildgänse“ (1986) und der zwischen 1984 und 1988 entstandenen „Missing in Action“-Reihe mit Chuck Norris bis hin zu den großen Meisterwerken wie „Apocalypse Now“ (1979) von Francis Ford Coppola, Oliver Stones „Platoon“ (1986) und Stanley Kubricks „Full Metal Jacket“ (1987). „Wir waren Helden“ (2002) mit Mel Gibson hat an der Oberfläche ein paar kritische Ansätze vorzuweisen, ergeht sich dann aber doch nur in Militarismus.

Sinnlose Offensive im Mai 1969

Viel besser macht das „Hamburger Hill“ von John Irvin („Der City Hai“), der sich die Schlacht am Hamburger Hill vorgenommen hat, eine Offensive der US-Streitkräfte im Mai 1969. Seinen englischen Namen erhielt der Hügel Dong Ap Bia aufgrund des mörderischen Beschusses durch die nordvietnamesische Artillerie, der etliche US-Soldaten zu Hackfleisch verarbeitete: 70 Gefallene und 372 Schwerverwundete.

Die Produzenten setzten beim Cast klugerweise auf Unbekannte, nicht auf Stars. Die heute bekanntesten Namen standen damals am Anfang ihrer Karrieren: Don Cheadle („Hotel Ruanda“) hatte lediglich ein paar Jahre Erfahrung in Fernsehproduktionen, für Courtney B. Vance („Die Mumie“) war es der zweite Film, für Dylan McDermott („Practice – Die Anwälte“) markierte „Hamburger Hill“ sogar das Schauspieldebüt. Er spielt Sergeant Adam Frantz, der seine Einheit in die strategisch sinnlose Offensive führen muss, darunter 14 unerfahrene Neuankömmlinge. Es liegt an ihm und seinem Sanitätsoffizier Doc (Vance), den Grünschnäbeln Grundregeln des Überlebens beizubringen – eine Aufgabe, an der die beiden zwangsläufig scheitern müssen. Sogar Eigenbeschuss (friendly fire) wird zahlreiche der GIs töten.

Vom Töten und Sterben

Der „Hamburger Hill“ kennt keine Helden, nur Soldaten, die töten und getötet werden. Das Töten ist schmutzig, das Sterben ebenfalls. Trotz einiger Konflikte zu Beginn halten die US-Infanteristen zusammen, bilden eine Zwangsgemeinschaft, die immer mehr dezimiert wird. Mit dummen Sprüchen und Lachen halten sie einander bei Laune, aber die Angst ist so allgegenwärtig wie der Schlamm, der den Hügel herabquillt. Sie wissen, dass die Erstürmung eine sinnlose Aufgabe darstellt – und eine tödliche.

Musik von Philip Glass

Etwas aufgesetzt wirken kurze Einschübe, mit denen Kritik am Bild der Soldaten in der Heimat geübt wird. Private Martin Bienstock (Tommy Swerdlow) erhält von seiner Freundin einen letzten Brief, in dem sie ihm mitteilt, sie werde aufhören, ihm zu schreiben, weil ihre College-Freunde das für falsch hielten. Etwas später bügelt Sergeant Frantz einen Kriegsreporter unwirsch ab. Das überzeugt nicht recht, ändert aber nichts an der heftigen Wirkung von „Hamburger Hill“ mit seiner Botschaft von der Sinnlosigkeit des Krieges. Kritik verursachte die die manchen zu pathetische musikalische Untermalung von Philip Glass („Koyaanisqatsi“, „Candymans Fluch“, „Die Truman Show“), doch sie kommt nur in wenigen Sequenzen überhaupt zur Geltung, so bei zwei Erstürmungs-Szenen gegen Ende. Wenn in der ersten Hälfte Musik erklingt, ist sie meist Teil der Handlung – Soldaten spielen damals aktuelle Hits. Später kommt der Film über weite Strecken völlig ohne musikalische Untermalung aus, was zur Intensität weitaus mehr beiträgt, als es ein dramatischer Score vermocht hätte.

Bislang in Deutschland nur geschnitten

In Deutschland ist „Hamburger Hill“ nur geschnitten erhältlich. Auf der alten deutschen DVD fehlen mehr als vier Minuten, der Neuveröffentlichung fehlt immerhin auch noch eine Szene von 104 Sekunden, womöglich aufgrund eines Kopierfehlers. Für eine ungeschnittene Fassung muss es dann also die Lionsgate-DVD aus dem Vereinigten Königreich oder den USA sein. „Hamburger Hill“ hat sich seinen Status als bedeutsamer filmischer Kriegskommentar verdient.

Alle bei „Die Nacht der lebenden Texte“ berücksichtigten Filme von John Irvin haben wir in unserer Rubrik Regisseure aufgelistet, Filme mit Don Cheadle unter Schauspieler.

Veröffentlichung: 3. Mai 2012 als Blu-ray und DVD, 2. Oktober 2002 als DVD

Länge: 109 Min. (Blu-ray), 104 Min. (DVD)
Altersfreigabe: FSK 16
Sprachfassungen: Deutsch, Englisch
Untertitel: Deutsch
Originaltitel: Hamburger Hill
USA 1987
Regie: John Irvin
Drehbuch: James Carabatsos
Besetzung: Anthony Barrile, Michael Boatman, Don Cheadle, Dylan McDermott, Courtney B. Vance, Michael Dolan, Don James, Michael A. Nickles, Daniel O’Shea, Tim Quill, Tegan West
Zusatzmaterial: keine Angabe
Vertrieb: Concorde Home Entertainment

Copyright 2017 by Volker Schönenberger
Packshot: © 2012 Concorde Home Entertainment

 
 

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2 Antworten zu “Hamburger Hill – Der Hackfleisch-Hügel von Vietnam

  1. Torben Bergmüller

    2018/06/17 at 13:55

    Das überzeugt nicht recht,

    Wo ist denn da jetzt ein Argument versteckt? Warum soll das nicht überzeugen? Warum sollte ein Frontsoldat nicht genervt sein, von einem dummen Reporter? Warum sollte eine Freundin nicht mit fadenscheinigen Gründen per Brief Schluß machen? Wo wirkt das aufgesetzt? Das ihre Freunde den Briefkontakt das für falsch halten? ist doch eine Tatsache, daß Frauen auf diese Art von sozialer Kontrolle und Druck ihrer Peergroup reagieren. Das es in den USA heute Kritik, am damaligen Verhalten der „Heimatfront“ gibt, ist doch auch nichts neues. Siehe Miniserie Der Vietnamkrieg-Trauma einer Generation von 2011. Ob man das als BRDeutscher versteht oder nicht, spielt eigentlich keine Rolle.

     
    • V. Beautifulmountain

      2018/06/18 at 05:48

      Das wirkte auf mich eben aufgesetzt, störte den Handlungsfluss. Es ist ja völlig in Ordnung, wenn es dich überzeugt hat. Mir war es aber störend aufgefallen. Das hat weniger mit dem Realitätsbezug zu tun als mit der Inszenierung, und sicher nichts damit, dass ich Deutscher bin. Konnte das offenbar nicht ausreichend in Worte fassen, dass meine Kritik daran verständlich wird. Teilen muss man sie sowieso nicht.

       

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