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Die Falle von Tula – Der Punkt, an dem das Fass überläuft

25 Mär

The Trap

Von Ansgar Skulme

Krimidrama // Nach Jahren der Abwesenheit im Zwist mit der Familie verschlägt es den Anwalt Ralph Anderson (Richard Widmark) in seine Heimatstadt, wo er die Flucht des Gangsterbosses Victor Massonetti (Lee J. Cobb) aus dem Land vorbereiten soll. Der einstmals ambitionierte Verteidiger befindet sich längst in der Hand des Gangsters, nachdem er sich zunächst in Unkenntnis auf dessen Schergen eingelassen hatte – und die ungewollte Zusammenarbeit dann kein Ende mehr nahm. Für die Durchführung der spektakulären Massonetti-Flucht braucht Anderson allerdings die Hilfe seines Vaters (Carl Benton Reid), der vor Ort als Sheriff tätig ist und seinen zweiten Sohn (Earl Holliman) als Hilfssheriff beschäftigt. Nur mit Unterstützung der Sheriffs ist ein Entkommen über den nahegelegenen Flugplatz möglich. Zwischen den drei Andersons stehen einschneidende negative Erlebnisse miteinander, die die Vater-Sohn-Beziehungen belasten, und zwischen den beiden Brüdern zudem eine Frau: Linda (Tina Louise). Schnell ist absehbar, dass für mindestens einen der Andersons so oder so nur noch die Flucht vor Massonettis Handlangern durch brütend heißes Terrain bleibt, sollte mit dem Plan des Gangsterbosses zur Flucht etwas schieflaufen. Falls man dem Schurken obendrein absichtlich das Handwerk legen will, droht sogar eine gemeinsame Flucht mit ihm durch das schweißtreibende Gelände.

Ralph Anderson steht mit dem Rücken zur Wand

„Die Falle von Tula“ ist ein interessanter Thriller mit stattlichen Action- und Abenteuerfilm-Elementen vor Western-ähnlicher Kulisse, der einen etwas stiefmütterlich behandelten Sektor des klassischen Hollywood-Kinos sehr ansehnlich repräsentiert: die in Farbe und nicht Schwarz-Weiß produzierten Thriller und Noirs der 40er- und 50er-Jahre. Regie führte Norman Panama, der davor und danach fast ausschließlich im Komödien-Genre unterwegs gewesen ist. Panamas langjähriger Produzenten-Partner war Melvin Frank, mit dem er häufig auch gemeinsam Regie führte – bis hin zu dem Kriegsfilm „Die letzte Entscheidung“ (1952), der bereits von ihrem Komödien-Schwerpunkt abwich. Die beiden kannten sich schon aus jungen Jahren, hatten gemeinsam ihr Fach gelernt.

Schluss mit lustig!

1959 findet sich eine spannende, kurzzeitige Weggabelung in der gemeinsamen Ära von Panama und Frank, denn binnen eines Dreivierteljahres starteten zwei gemeinsame Produktionen in den US-Kinos, die gewissermaßen als Doppelschlag vom gewohnten Komödien-Muster des Duos abwichen und nur jeweils einen der beiden als Regisseur ausweisen: Der überragende, innovative Western „Der Herrscher von Kansas“, bei dem Frank die Regie innehatte, und einige Monate zuvor „Die Falle von Tula“, unter der Regie von Panama. Es wirkt rückblickend ein wenig, als seien es wohl genau diese beiden Geschichten gewesen, die Frank und Panama abseits des Komödien-Feldes unbedingt einmal hatten inszenieren wollen. 1958 und 1959 scheinen sie sich für die Realisierung dieser Projekte dann offenbar, wie bei einem Schulterschluss, fast parallel die Zeit genommen zu haben. Paramount Pictures ermöglichte beide Produktionen.

Es geht für beide Seiten um Kopf und Kragen

Das Gespann Melvin Frank / Norman Panama bildet ein relativ entlarvendes Beispiel für ein Phänomen der Filmwissenschaft, das ich sehr bedauerlich finde: Wer nur wenige Beiträge zu einem Genre innerhalb einer Epoche geleistet hat, wird gern einmal vergessen, egal wie klug, visionär, ungewöhnlich oder überzeugend seine Arbeit ist. Das gilt insbesondere dann, wenn derjenige eigentlich auf einen ganz anders gearteten Sektor – in dem Falle die Komödie – spezialisiert war oder zu sein schien. Genres werden stattdessen gern einmal anhand der Filme definiert, die von in diesem Genre häufig vertretenen Regisseuren inszeniert worden sind – auch wenn andere sogar durchaus bekannte Regisseure ebenfalls Beiträge geliefert haben, nur lediglich in dem betreffenden Genre weniger aktiv als ihre angeblich stilbildenden Kollegen oder aber selbst schlichtweg in anderen Genres aktiver gewesen sind. Dass eine einmalige Regiearbeit gebührend besprochen und eingeordnet wird – ob nun einmalig innerhalb des Genres oder einmalig in aller Gänze –, ist eine Seltenheit. Eine Ausnahme wie Charles Laughtons Regie-Tätigkeit an „Die Nacht des Jägers“ (1955) bestätigt bestenfalls die Regel, ist im Grunde aber auch primär der Tatsache geschuldet, dass Laughton durch seine Schauspieler-Tätigkeit glücklicherweise – zumindest rückblickend – genügend verdiente Aufmerksamkeit auf seine einzige federführende Spielfilm-Regiearbeit lenken konnte. Schon eher kann man da Fred Zinnemanns hinreichend geehrten Western-Abstecher „12 Uhr mittags“ als positive Ausnahme vom Fokussieren auf die üblichen Verdächtigen innerhalb der Genres werten. Oftmals scheitert das Ganze sicherlich daran, dass es gern einmal übersehen wird, wenn ein Regisseur nur einen oder zwei Filme zu einem Genre beigesteuert hat, da man diese im Kontext der jeweiligen Genres dann nicht so einfach mit in die Sammlung gespült oder irgendwo vorgeführt bekommt, sondern eher erst dann einmal bemerkt, wenn man zufällig darüber liest oder das Gesamtwerk von einem der Beteiligten zu sammeln versucht. Was man eben nicht kennt, kann man nicht analysieren oder einordnen, sondern bestenfalls unter den Tisch kehren oder ignorieren – und die schlichte Unkenntnis unzähliger Genre-Filme ist leider ein treuer Gefährte all derer, die sich beim Filmsichten zu dogmatisch am sogenannten „Kanon“ von Filmen eines Genres orientieren.

Tänze auf der Rasierklinge

Zugegeben: „Die Falle von Tula“ ist dramaturgisch ziemlich altbewährte Kost und bei weitem nicht mit so vielen Schnörkeln versehen wie „Der Herrscher von Kansas“, der seinerseits ein wirklich wichtiger Vertreter des klassischen Hollywood-Westerns und wahrscheinlich das Bedeutendste unter vielem Guten ist, was Melvin Frank und Norman Panama jemals produziert haben. Aber als farbiger Thriller der ausklingenden Noir-Ära der 40er und 50er, mit Elementen aus mehreren Genres gespickt, ist „Die Falle von Tula“ allemal ein spannender Hingucker. Innerhalb der Diskussion, ob es sich hier noch um einen Noir handelt – zumal dieses Feld für das klassische Hollywood oftmals mit dem Jahr 1958 abgeschlossen wird, in dem der Film zwar gedreht, aber noch nicht veröffentlicht wurde – oder doch eher um einen sogenannten Gangsterfilm handelt oder doch eher einen Actionthriller oder Abenteuerthriller, würde ich mich an dieser Stelle nicht abschließend positionieren wollen. Es kann ja auch mehreres gleichzeitig zutreffend sein und ohnehin zeigt sich daran, welche Spannweite der Film ins Feld führt; ganz ähnlich wie ein anderer in Farbe gedrehter Vertreter dieses Genre-Mix-Spektrums, den ich bei „Die Nacht der lebenden Texte“ bereits besprochen habe: „Blut im Schnee“ (1954). Mehr noch als diesen kann man „Die Falle von Tula“ für das spätere Actionthriller-Kino der 60er und 70er – Explosionen und rasante Autofahrten mitgedacht – durchaus als recht frühen Wegbereiter dergestalt verstehen, dass hier bereits eine vorher selten bis gar nicht dagewesene Vielzahl an Zutaten des Genres zusammentrifft, die auch noch in einem deutlich neueren, moderneren Cocktail desselben Genre-Feldes zu finden sind. Vor allem, wenn man die Farbkameraarbeit in Relation zum zeitgenössischen Handlungsort und den rasanten oder aber betont explosiven Action-Elementen betrachtet, lässt sich an der Inszenierung rückblickend schon die eine oder andere auf Produktionen in der Zukunft verweisende Fußnote ablesen. Während „Blut im Schnee“ noch recht eindeutig im Fahrwasser klassischer Noirs schwimmt und diesbezügliche Versatzstücke mit Elementen anderer Genres innovativ vermischt, steht „Die Falle von Tula“ dem, was man später unter Thriller verstand, letztlich näher als dem Noir. Aus heutiger Sicht kann man behaupten, man würde dem Film anmerken, dass er genau an der Schnittstelle vom Ende des klassischen Film noirs und dem frühen Aufkeimen des Geistes von Filmen wie „Bullitt“ (1968) entstand. In diesem relativ kurzen Zeitfenster, das Ende der 50er eine Tür langsam zu und dadurch gleichzeitig bereits eine andere aufschlägt, die hier in gewisser Hinsicht schon zehn Jahre vorgreift, kann er als Technicolor-Genrebeitrag mit Veröffentlichung vor Beginn der 60er-Jahre, im Sinne eines – mit dem Blick von heute – Epochen verbindenden Projekts, wahrscheinlich sogar beinahe als Unikat gewertet werden, hat in jedem Falle aber allenfalls wenige eindeutige Zwillingsbrüder, die gleichzeitig noch so viel altes Hollywood, aber auch bereits einen Hauch von „Bullitt“ atmen, und zudem in Farbe gedreht worden sind.

Ferner zeigt der Film, warum Lee J. Cobb, der sich schon hier ein paar Mal recht clever am mimischen und gestischen Fundus der Mafiosi-Klischees bedient, in den späten 60er- sowie den 70er-Jahren auch im italienischen Genre-Kino ein gern gesehener Gast war. Besonders legendär dabei sein Auftritt in Damiano Damianis „Don Mariano weiß von nichts“ (1968), wo er einen sehr charismatischen Paten mit kultverdächtig überheblichen Sprüchen spielte. Richard Widmark beweist in „Die Falle von Tula“ währenddessen – in einer ursprünglich für William Holden vorgesehenen Rolle – einmal mehr, wie gut er es beherrschte, seine Bekanntheit als Star in ausgewählten Rollen gegen das Hemd eines normalen, verletzlichen, gar gebrochenen Menschen einzutauschen, der vielleicht zum Helden werden mag, aber dennoch ungemein verwundbar und bodenständig wirkt. Bemerkenswert vor allem angesichts der Tatsache, dass es sich ja eigentlich um gar keinen Normalbürger handelt, sondern einen Anwalt mit dick gefüllter Brieftasche, den er hier spielt, der aber menschlich ungemein hart auf den Boden der Tatsachen zurückgekommen ist. Der große Star Widmark kitzelt also innerhalb eines Action-Streifens das Menschliche und Ruhige, gewissermaßen das Ehrlichste aus einer Figur heraus, die im Grunde aber auch einmal selbst so etwas wie ein Star war oder zumindest von kriminellen Stars engagiert wurde – das ist eine schauspielerische Leistung, die man nicht unterschätzen sollte. Der Filmstar überstrahlt also nicht etwa, sondern macht im Gegenteil sogar eine abgehobene Figur, die sich im Vorfeld der erzählten Geschichte einmal im Kontext von Star-Allüren bewegt hat, auf Anhieb wieder zum kleinlauten, glaubwürdigen Menschen im Kreis seiner Familie.

Die Flucht führt durch brütende Hitze

Tina Louise meistert daneben die einzige Frauenrolle tapfer – eine Figur, die auf ihre Art ebenfalls eine sehr schmerzhafte Bewährungsprobe durchlaufen muss, aus der es beinahe kein Entkommen für sie gibt, ohne sich irgendwie dauerhaft schuldig zu fühlen. Die emotional überzeugend transportierten Auftritte von Carl Benton Reid als Vater, in dessen Brust mindestens zwei Herzen schlagen, und Earl Holliman als sich selbst emotional quälender, zerrissener Bruder der Hauptfigur runden das Gesamtbild in diesem auf sehr wenige Figuren begrenzten Film angenehm ab. Lorne Greene ist in einer seiner letzten Kinorollen zu sehen, die entstanden, ehe er das Zepter beim Serien-Dauerbrenner „Bonanza“ übernahm, hat aber leider nur wenige Szenen – sein Part als enger Vertrauter Massonettis hätte mehr hergegeben.

Die Büchse der Paramount-Pandora

Spätestens durch die Veröffentlichung dieses Films in Deutschland bei Pidax kann man den langen Bann, der hierzulande über Paramount-Klassikern geschwebt zu haben schien, nun wohl endgültig als gebrochen ansehen, denn seitdem Paramount seine Klassiker kaum noch selbst in der Bundesrepublik auf DVD veröffentlichte, herrschte mangels Sublizenznehmern – woran auch immer dieser Mangel nun primär gelegen haben mag – jahrelang eine traurige Flaute. Hoffentlich wird nun der Weg für viele weitere Sublizenzen frei und der reichhaltige Paramount-Klassiker-Fundus endlich ausgiebig auch bei uns auf DVD und Blu-ray verfügbar.

Dass das Bildformat während des Vorspanns oberflächlich betrachtet unsachgemäß beschnitten wirkt, liegt übrigens daran, dass es auch eine sogenannte „horizontale“ Version bzw. „VistaVision“-Version im Format 1,96:1 gibt. VistaVision war eine Format-Erfindung von Paramount – deren Antwort auf CinemaScope. Das Format 1,37:1, welches dem sogenannten „Vollbild“ entspricht und auch hier auf DVD vorliegt, ist für die „spherical version“ genannte Version von „Die Falle von Tula“ aber dennoch korrekt. Man kann sich den Unterschied zwischen beiden Versionen im weitesten Sinne so vorstellen, dass ein Film wie Quentin Tarantinos „The Hateful Eight“ (2015) neben der geläufigen Kinofassung ja auch parallel in einer 70mm-Fassung veröffentlicht wurde. Zwar ist dieser Tarantino auch in der geläufigen Kinofassung natürlich kein Vollbild-Film, allerdings war VistaVision gewissermaßen ein Vorbild für den 70mm-Prozess – und dahingehend greift der Vergleich, denn die übliche Kinofassung von „The Hateful Eight“ sieht ja genau wie die vorliegende DVD-Fassung von „Die Falle von Tula“ eben trotzdem nicht so aus, als hätte man ständig ein nicht mehr alle Inhalte wiedergebendes Bild vor sich und könnte nur in der anderen Fassung alles richtig erkennen. Die damit zusammenhängenden technischen Feinheiten können Fachleute weitaus besser erläutern – ich bin dafür kein Experte. Nichtsdestotrotz ist es im Allgemeinen üblich, die VistaVision-Version der betreffenden Paramount-Filme, sofern eben verfügbar und gewollt, im entsprechend breiteren Format auf DVD zu veröffentlichen. Von vielen Filmen gibt es meines Wissens auch nur diese VistaVision-Fassung als offizielle Version. Warum sich bei „Die Falle von Tula“ eine Vollbild-Variation bis heute behauptet hat, die damals offenbar schon zeitgleich im Kino veröffentlicht wurde, entzieht sich meiner Kenntnis. Auch die Vista-Fassung ist aber für die Nachwelt erhalten und in digitaler Qualität verfügbar.

So erklärt sich jedenfalls die Tatsache, dass für diesen Film eine zwar etwas überraschend wirkende, gewissermaßen aber dennoch offiziell abgesegnete Vollbild-Fassung im Umlauf ist, die sich auch auf der Pidax-DVD findet, obwohl das 1,37:1-Format im Kino eigentlich schon ab der Saison 1953/1954 abgelöst worden war. All das ist insofern hervorzuheben, als es tatsächlich viele Vollbild-Fassungen von CinemaScope-Filmen aus der damaligen Zeit gibt, die wirklich nur durch simplen Zoom zur Vollbild-Fassung werden, so dass also den ganzen Film über auffällig rechts und/oder links Bildinhalte fehlen – was manchmal sogar mit nachträglich eingefügten „Schwenks“ kompensiert wird, die gewissermaßen von rechts nach links oder umgekehrt am Bild entlangfahren. Es ist wichtig, gedanklich eine klare Trennung zu ziehen zwischen solchen Bildfassungen, die hauptsächlich erstellt worden sind, um Scope-Filme an das Format von früheren TV-Geräten anzupassen, wobei man sich allerdings notdürftiger Mittel bediente, und der vorliegenden Fassung des VistaVision-Films „Die Falle von Tula“, die eben eher mit dem Spannungsfeld zwischen einer 70mm-Roadshow-Fassung und einer normalen Kinofassung zu vergleichen ist.

Ihr Vater und eine Frau haben einen Keil zwischen die Brüder getrieben

Farblich macht das Bild der DVD ebenfalls Freude. Etwas missglückt ist lediglich die Qualität der deutschen Tonspur, was mir am grenzwertigen Einsatz digitaler Rauschfilter zu liegen scheint oder zumindest ähnlich klingt. Ein Phänomen, was ich von Pidax so eigentlich nicht kenne, wohl aber aus früheren Zeiten von anderen Labels. Wenn der deutsche Ton der mir vorliegenden „Premiere Nostalgie“-Fassung, so wie hier, klar besser als auf der deutschen DVD ist, gibt mir das zwangsläufig zu denken. Schade, da die deutsche Fassung sehr lohnt – schon allein, weil sie den vielbeschäftigten und hochbegabten Arnold Marquis, der vom fiesen Schurken bis zum großen Helden im Laufe seiner Karriere alle Sparten in großen Mengen abgedeckt hat, für Richard Widmark einmal mehr wunderbar geerdet, besonnen und natürlich präsentiert, während Marquis auf der anderen Seite auch in vielen Rollen für diverse Schauspieler sehr überkandidelt daherzukommen vermochte, wenn es denn von ihm verlangt wurde. Es ist eine Freude, Marquis in „Die Falle von Tula“ gewissermaßen einmal so richtig stinknormal wirkend zu hören. Innerhalb der Masse seiner Rollen findet sich der normale Marquis, der klingt wie von nebenan, natürlich des Öfteren einmal, unter seinen Stars erscheint es mir jedoch vor allem bei Richard Widmark immer wieder besonders authentisch und dabei besonders sensibel getroffen.

Prägnant ist diese Synchronfassung allerdings auch, weil hier zum letzten Mal Wolf Martini als deutsche Stimme von Lee J. Cobb zu hören ist. Martini starb Anfang Juni 1959, knapp drei Monate bevor der Film Ende August in die deutschen Kinos kam, im Alter von nur 48 Jahren. Er hatte Cobb zuvor auch in einer seiner berühmtesten Rollen in „Die 12 Geschworenen“ synchronisiert. Mit Wolf Martini verlor die deutsche Synchronisation eine ihrer im positiven Sinne dreckigsten Stimmen – er passte auf einige hervorragend, wie etwa Sterling Hayden, Ted de Corsia, Anthony Quinn und Ward Bond, aber auch auf Lee J. Cobb in einer idealen Art und Weise, die nur schwer zu toppen ist. Da der Film bereits im Sommer 1958 gedreht wurde und schon im Januar 1959 in den US-Kinos lief, ist es schwer zu bewerten, wie knapp vor Martinis Tod die deutsche Fassung fertiggestellt wurde und ob es eventuell sogar seine finale Synchronrolle gewesen ist. Dass eine Synchronfassung aus den 50ern rund ein Vierteljahr nach dem Tod eines mitwirkenden Sprechers zum Kinostart kommt, ist auch für damalige Verhältnisse, aus meiner Sicht, ein ziemlich auffälliger Zeitraum und scheint auf den ersten Blick nahezulegen, dass er nur wenige Tage nach Beendigung der Arbeiten verstorben ist. Dass die Fassung sehenden Auges bereits frühzeitig fertiggestellt, dann aber ein halbes Jahr oder länger nicht veröffentlicht wurde, kommt mir eher unwahrscheinlich vor, ist aber dennoch im Bereich des Möglichen. Denkbar auch, dass man es einem ursprünglich früher angestrebten Kinostart in Deutschland zu verdanken hat, dass Wolf Martini hier noch zu hören ist. Die Rolle ist wie geschaffen für alles, was ihn als Stimme von Lee J. Cobb auszeichnet, und rundet diese leider letztlich nur kurze Phase, in der er dessen deutsche Stimme war und sich gerade zu etablieren begann, praktisch perfekt ab.

Alle bei „Die Nacht der lebenden Texte“ berücksichtigten Filme mit Lee J. Cobb und Richard Widmark haben wir in unserer Rubrik Schauspieler aufgelistet.

Veröffentlichung: 13. März 2020 als DVD

Länge: 81 Min.
Altersfreigabe: FSK 12
Sprachfassungen: Deutsch, Englisch
Untertitel: keine
Originaltitel: The Trap
USA 1959
Regie: Norman Panama
Drehbuch: Richard Alan Simmons, Norman Panama
Besetzung: Richard Widmark, Lee J. Cobb, Tina Louise, Earl Holliman, Carl Benton Reid, Lorne Greene, Richard Shannon, Peter Baldwin, Chuck Wassil, Walter Coy
Zusatzmaterial: Nachdruck der Illustrierten Film-Bühne Nr. 4906
Label: Pidax Film
Vertrieb: Al!ve AG

Copyright 2020 by Ansgar Skulme

Szenenfotos & unterer Packshot: © 2020 Pidax Film

 

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