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Wenn du krepierst – lebe ich: Auf dem Highway ist die Hölle los

29 Jun

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Autostopp Rosso Sangue

Von Andreas Eckenfels

Psychothriller // „Ein geschmackloses Machwerk voller Perversitäten“, sagt die Cinema. „Ein allein auf Sex und Gewalt ausgerichtetes schäbiges Spekulationsprodukt, das wahllos gesellschaftliche Randgruppen denunziert“, schrieb das Zweitausendeins Filmlexikon. Eine schöne Idee von OFDb Filmworks, einige Zitate aus Filmrezensionen zu dem Franco-Nero-Thriller in ihrem schicken Digipack zu „Wenn du krepierst – lebe ich“ abzudrucken. Zusätzlich verspricht natürlich auch der sleazige deutsche Verleihtitel einen kleinen Drecksfilm – und dann ist auch noch David Hess, der Psycho aus Wes Cravens „The Last House on the Left – Das letzte Haus links“ (1972), erneut als irrer Sadist besetzt.

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Walter auf der Jagd

Die ersten Minuten bestätigen dann auch die dunklen Vorahnungen: Franco Nero gurgelt als italienischer Journalist Walter Mancini den Whiskey, bevor er ihn literweise in sich hineinschüttet. Auf der Jagd nimmt er seine Frau Eve (Corinne Cléry, „Geschichte der O“) ins Fadenkreuz – und erschießt dann doch einen Hirsch. Dies habe er allerdings nur getan, weil er mit Eve wenigstens noch rumvögeln könne. Das habe sie dem Hirsch voraus, wie Walter ihr mitteilt – was er dann auch gleich in die Tat umsetzt. Sie gibt sich dem Säufer wie schon viele Male zuvor widerstrebend hin.

Psycho im Auto

Als die beiden wenig später auf ihrer Reise durch den amerikanischen Westen mit ihrem Wohnwagen auf einem Campingplatz halten und ein junges Paar beim Sex beobachten, sagt er lapidar: „Sie tun dasselbe wie wir gerade“, worauf sie erwidert: „Die machen Liebe, wir haben gefickt“. Es wird klar: Walter ist ein echtes Ekel – ein obszöner, triebgesteuerter Säufer. Eve ist diesem Tier hilflos ausgeliefert. Doch sobald Anhalter Adam (David Hess) mit einem Koffer voll Geld bei dem krisengeschüttelten Paar ins Auto steigt und sie zwingt, ihn über die mexikanische Grenze zu bringen, ändert sich das „geschmacklose Machwerk“ zu einem natürlich reißerischen, aber dennoch packenden Thriller.

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Walter und Eve sollen Bankräuber Adam über die mexikanische Grenze bringen

Dies liegt vor allem daran, dass sich die Geschlechterrollen ändern: Eve ist nicht das wehrlose Opfer. Wie sich herausstellt, ist Walter ein armer Tropf, der die Tochter seines Chefs geheiratet hat. Eve ist es, die das Geld in die Ehe gebracht hat und versucht, die Beziehung mit der Reise in die USA zu retten. Weil der ebenfalls vulgäre Adam sich schnell an die hübsche Eve ranmacht, fühlt sich Walter in seiner Männlichkeit verletzt. Nur durch seine Pistole bleibt der psychopathische Bankräuber Adam in der Vormachtsstellung. Vorläufig zumindest. Denn Eve hat mit ihrem Körper eine eigene Waffe zu bieten, die sie auch einsetzt, als sie merkt, dass sich Walter niemals gegen den jüngeren Adam durchsetzen wird.

Widerlich und quälend

Der Sündenfall – nicht umsonst heißen die Figuren Adam und Eve –, der zu dem miesen Ruf von „Wenn du krepierst – lebe ich“ beigetragen hat, manifestiert sich schließlich durch die harte Vergewaltigungsszene. Adam vergeht sich an Eve und zwingt den gefesselten Walter, dabei hilflos zuzusehen. Sadistischer geht es nicht. Allerdings gebe ich hier dem Booklet-Text von Christian Kaiser recht: Regisseur Pasquale Festa Campanile inszeniert die Szene vor Lagerfeuer zwar wie in einem Softerotik-Filmchen inklusive zarter Musik von Ennio Morricone – Corinne Cléry zeigt sich komplett nackt und David Hess darf ähnlich wie in Cravens Schocker an ihr herumschlecken, dass es eine widerliche Qual ist; dennoch ist die gesamte Szene, wie der gesamte Film, hervorragend gespielt. Im letzten Drittel bekommt die Geschichte dann noch einen interessanten Dreh, mit dem man so nicht unbedingt rechnen konnte.

Ein Kind der Siebziger

„Wenn du krepierst – lebe ich“, auch unter dem Titel „Der Todes-Trip“ bekannt, ist also kein reines Psychoduell im Sinne von anderen „Anhalter“-Filmen wie „Hitcher – Der Highway Killer“ (1986). Der Film ist mehr Beziehungsdrama angereichert mit einigen Härten, rasant inszeniert und mit großartiger Besetzung. Ein Kind der Siebziger, der heute natürlich nicht mehr so schockiert wie früher. Dennoch muss man aufgrund der Abgebrühtheit einiger Szenen ab und an kräftig schlucken.

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Walter versucht erfolglos, sich zur Wehr zu setzen

Toll, dass OFDb Filmworks den dreckigen Geschlechterkrieg in einer hervorragenden Edition aus dem Hut gezaubert hat. Vorher gab es nur eine geschnittene VHS-Kassette. Neben der extrem limitierten und schon ausverkauften Hartbox gibt es eine auf 2.000 Stück beschränkte, inhaltsgleiche Fassung im Digipack. Außer DVD und Blu-ray mit deutscher, englischer und italienischer Sprachfassung sind Booklet, ein Audiokommentar von Marcus Stiglegger und auf einer zweiten DVD ein rund 80-minütiger Rückblick auf die Entstehungsgeschichte enthalten, bei der alle damaligen Protagonisten zu Wort kommen.

Alle bei „Die Nacht der lebenden Texte“ berücksichtigten Filme mit Franco Nero sind in unserer Rubrik Schauspieler aufgelistet.

Veröffentlichung: 5. Juni 2015 als limitierter Digipack (Blu-ray + DVD + Bonus-DVD)

Länge: 104 Min. (Blu-ray), 100 Min. (DVD)
Altersfreigabe: Ungeprüft
Sprachfassungen: Deutsch, Englisch, Italienisch
Untertitel: Deutsch
Originaltitel: Autostop Rosso Sangue
Internationaler Titel: Hitch-Hike
Alter deutscher Verleihtitel: Der Todes-Trip
IT 1977
Regie: Pasquale Festa Campanile
Drehbuch: Pasquale Festa Campanile, Aldo Crudo, Ottavio Jemma nach einem Roman von Peter Kane
Besetzung: Franco Nero, David Hess, Corinne Cléry
Zusatzmaterial: Audiokommentar, Dokumentation „Road to Ruin“, Bildergalerie
Vertrieb: OFDb Filmworks

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Adam macht sich an Eve ran

Copyright 2015 by Andreas Eckenfels
Fotos & Packshot: © 2015 OFDb Filmworks

 

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