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Always – Vom Brandbekämpfer, den sein Liebesfeuer schmerzt …

Always

Von Tonio Klein

Fantasy-Melodram // … dabei, dies darf verraten werden, stirbt er recht früh. Doch das ist nicht sein Ende. Nachdem Pete (Richard Dreyfuss) einer seiner gewohnt halsbrecherischen Einsätze gegen die Waldbrände einer erhaben schönen Gegend Montanas gerade noch einmal gutgegangen ist, wird das nächste Mal sein letztes Mal sein. Doch findet er sich wundersamerweise völlig unversehrt im Wald vor einer ganz in Weiß gekleideten Frau, die sich als Hap (Audrey Hepburn) vorstellt. Wie er denn aus dem explodierenden Flugzeug herausgekommen sei? „Du bist nicht da rausgekommen, Pete.“ Als er äußert, er müsse verrückt oder tot sein, entgegnet Hap: „Verrückt bist du nicht, Pete.“ Und weist ihn in die Regeln seiner künftigen Zwischenweltexistenz ein. Sehr kurz zusammengefasst, geht es um die Fähigkeit des Loslassens, denn Pete lässt Kollegin Dorinda (Holly Hunter, wie immer klein, aber oho) zurück, die er von Herzen liebt – und sie ihn. Aber dessen ungeachtet war die Beziehung stets fragil und nicht frei von Missverständnissen sowie einer Unfähigkeit Petes, zu seinen Gefühlen zu stehen und vor allem dies mitzuteilen und sein Leben daran auszurichten.

Hilf dir selbst, dann hilft dir ein Engel

Man kennt das aus dem Gangsterfilm, genauer dem Heist Movie, in dessen Zentrum ein großer Coup steht: Häufig von Ausstiegswilligen begangen, die nur noch dieses eine Mal auf Raubzug gehen müssten, aber danach begönne garantiert ein neues, bodenständiges Leben. Was natürlich niemals funktioniert. Man muss, wenn man diesseits der dünnen roten Linie bleiben will, dies sofort und nicht irgendwann tun. Hasardeur Pete geht es nicht anders: Aus Liebe zu Dorinda („die Goldene“!) hat er sich sogar bereit erklärt, einen zu seinem Draufgängertum so gar nicht passenden Fluglehrerjob anzunehmen, da kommt der Alarm … Bei allem Altruismus, er müsste nicht fliegen, hat gerade keinen Dienst, und ob er wirklich der Einzige wäre, der in seiner Mischung aus Tollkühnheit und unbestrittener fliegerischer Klasse den Einsatz meistern könnte, ist bei Weitem nicht sicher. Aber natürlich tut er’s doch. Und so bekommt die Rede vom „allerletzten Mal“ ihre tödliche Doppelbedeutung.

Manchmal hart am Kitsch – muss man mögen, kann man aber auch

Bis dahin übrigens hat sich Steven Spielberg, der auch in diesem Film mit spektakulärer (Flieger- und Feuer-)Action nicht geizt, überraschend viel Zeit gelassen. Wenn man sich darauf einlässt, dass dies eine Romanze ist: genau richtig gemacht! Vielleicht ist dieser Pete geradezu ein Anti-Indiana-Jones, oder sagen wir mal, eine trotz der Luftakrobatik geerdete Version des schillernden Archäologen und Alleskönners. „Always“ zeigt ausgiebig das Milieu der Rettungsflieger als eines von betont durchschnittlichen Amerikanern, die mutmaßlich weder in die Oper gehen noch Alexis de Tocquevilles „Über die Demokratie in Amerika“ jemals lesen. Und die schon gar keinen feinen Zwirn tragen, dafür aber das Herz auf dem rechten Fleck. Vielleicht ist der sehr versierte Richard Dreyfuss immer ganz knapp unter der Top-Star-Liga geblieben, weil seine Charaktere oft betont durchschnittlich wirken, fern jeglichen Glamours. Bei seinen drei Spielberg-Auftritten ahnt man indes, dass es so und nicht anders sein soll. In „Der weiße Hai“ (1975) ist er als Meeresbiologe nicht gerade prädestiniert, dem Hai den Garaus zu machen. Von dem Trio, das sich schließlich genau zu diesem Zweck auf Bootsfahrt begibt, ist sein Charakter derjenige, der bei der finalen Konfrontation außen vor bleibt – einer stirbt, einer tötet den Hai, Dreyfuss taucht (Doppelsinn beabsichtigt) danach wieder auf. In „Unheimliche Begegnung der dritten Art“ (1977) zweifelt die Dreyfuss-Figur die Autorität eines vom berühmten Regisseur François Truffaut gespielten Wissenschaftlers mit dem Argument an, dieser sei nicht mal Amerikaner. Weltgewandtheit geht anders. Wie dem auch sei, wir sehen sogenannte einfache, aber aufrechte Leute, tollkühne Männer in ihren fliegenden Kisten, die verstehen, ausgelassen ihren burschikosen Humor beim Feiern zu zelebrieren. Dies alles zu damals aktuellen wie vergangenen Popsongs, die hart am Rande des Kitsches entlangschrammen, was Spielberg aber mit tiefer Zuneigung zu diesen von ihm geliebten Durchschnittsamis zeigt. „Smoke Gets in Your Eyes“ (1959) von The Platters wird auch später noch eine so schmerzlich-schöne wie zentrale Bedeutung haben. In dem ganzen Trubel darf auch der gutherzige und lebenskluge Sidekick nicht fehlen (warum sind die eigentlich immer beleibt? John Goodman hat aber gewohnt Klasse). Und dann schenkt Pete Dorinda auch noch ein Hochzeitskleid beziehungsweise ein schleierloses weißes Kleid, welches offenbar diese Funktion haben soll. In der seinerzeit üblichen Beleuchtung sieht es leicht himmelblau und natürlich schimmernd aus; es ist im Grunde recht billig, aber Spielberg zeigt dies und die „Verwandlung“ Dorindas, wenn sie es und vor allem die Schuhe (Cinderella-Motiv!) anzieht, wie etwas Erhabenes. Wenn diese Leute es großartig finden, dann ist es großartig. Auch dies ist vielleicht eine Indiana-Jones-Umkehrung: Wenn der Schurke der gefangenen Heldin in „Jäger des verlorenen Schatzes“ (1981) ein weißes Kleid offeriert, dann aus schurkisch-sexuellen Motiven. Hier hingegen ist alles ganz ernst gemeint.

Das Feuer ist aus, die Party kann beginnen

Und dann tritt eben die andere Frau in Weiß auf. Ob die Szene, in der Hap Pete die Haare schneidet, tatsächlich eine zärtliche Darstellung einer Kastration ist, wie Georg Seeßlen meint („Steven Spielberg und seine Filme“, 2001)? Viel wichtiger ist doch, dass Pete auch anderes „nicht mehr kann“. Also sprach Hap: „Du hast dein Leben gehabt, es ist vorbei, so oder so. Und alles, was du jetzt dir zuliebe tust, ist eine Verschwendung des Geistes.“ Was die Kritikerin Heike Kühn (zit. nach Seeßlen, s. o.) zu der Spitze veranlasste, die himmlische Liebe bekomme den Charme eines Leasingvertrages, wenn man seine nur geliehene Seele nicht mehr zweckentfremden dürfe. Denn einen Zweck habe Pete durchaus noch zu erfüllen, aber einen rein altruistischen. So wie er ebenfalls göttliche Inspiration empfangen habe, könne er diese jetzt geben und anderen Menschen Worte wie Gedanken einhauchen, bis sie sie fühlten, als seien es ihre eigenen.

Auf immer und ewig?

„Always“ ist das Remake von Victor Flemings „Kampf in den Wolken“ (1943), der die Konstellation im Militärischen durchspielte – schließlich tobte gerade der Zweite Weltkrieg. Eine Tröstung in einer Zeit, „in der Nachrichten vom Tod der Angehörigen an der Front zum amerikanischen Alltag geworden waren“ (Seeßlen). Aber ebenfalls ein Liebesfilm, in dem der Tod nicht das letzte Wort hat, und dies greift Spielberg auf. Er geht es nun viel grundsätzlicher an, was die Liebe betrifft, aber eben auch die Ewigkeit. Der Filmtitel ist ja nicht zufällig gewählt, er wird zugleich bestätigt und gebrochen. „Auf immer und ewig“, das für Spielberg so typisch märchenhafte Motiv, sowie die zumindest für die Dauer des irdischen Lebens versprochene Treue bei einer Hochzeit – dem macht der Tod einen Strich durch die Rechnung, oder wie Hap sinngemäß sagt: Für dich selbst ist es vorbei. Wenn er aber die Gnade der zeitweiligen Rückkehr erfährt, ist sein Wirken für andere noch nicht vorbei. Und so ist Petes Ewigkeit ein Frieden, den er erst noch erlangen muss, vor allem mit sich selbst. Man muss nicht religiös sein, um hierin eine Prüfung zu sehen, die sich Pete durch den größten anzunehmenden Widerspruch stellt: Das Weiterleben ist Segen und Fluch zugleich, ist unsagbares Glück und beinahe unaushaltbarer Schmerz. Nicht mehr von dieser Welt zu sein, handeln, aber nicht bewusst wahrgenommen werden zu können, mächtig und machtlos zugleich zu sein, oder wie Pete Hap einmal fragt: „Wenn ich wirklich tot bin, warum tut’s mir dann so weh?“ „Aber dennoch musst du lernen, dass du Freiheit gewähren musst, um sie selbst zu erlangen.“ Und das bedeutet, dass Pete auch lernen muss, Dorinda loszulassen, und dabei nicht nur mitansehen, sondern letztlich sogar befördern muss, dass ein anderer Mann in ihr Leben tritt …

Sehen müssen, ohne gesehen werden zu können

Bei diesem Mann handelt es sich um Ted Baker, den Brad Johnson vielleicht etwas zu idealtypisch als großen jungen Schönling gibt, gegen den Pete bei einem Mr.-Montana-Wettbewerb nicht den Hauch einer Chance hätte. Und nett ist der auch noch; wie soll Pete da nicht leiden? Wobei der Film mit dieser Figur etwas ausgesprochen Geschicktes anstellt: Nach seinem Tod ist Pete, wie sich das in Geisterfilmen gehört, „der Mann im Hintergrund“, der nur für uns sichtbar an jedem Ort sein kann und sein Inspirationswerk verrichtet. Wobei ihm, das macht seinen schmerzhaften Lernprozess ja gerade aus, ein physisches Eingreifen nicht mehr möglich ist. Scheinbar wie von selbst verrückte Gegenstände wie in „Geisterkomödie“ (1945) gibt es hier nicht! Und genau diese „Mann im Hintergrund“-Funktion hatte zu Beginn Ted eingenommen – er war immer mal wieder prominent in den Bildkader gesetzt worden, zunächst ohne Dialog, aber unübersehbar, sodass man zunächst noch gar nicht weiß, was es mit dieser so geheimnisvollen wie gutaussehenden Figur überhaupt auf sich hat. So wie Ted also erst mal ins Leben finden muss (zudem als fliegerischer Grünschnabel), so muss Pete erst mal in den Tod finden. Eine schöne spiegelbildliche Darstellung von Bewährungsproben, und dann für Pete eben doch – vielleicht – auf seinem Weg zum „Always“, wenngleich nicht auf Erden.

Zwei auf entgegengesetztem oder auf gleichem Weg?

Man möge nicht sagen, Spielberg sei der ewige Kitsch-Onkel. Man muss diese seine Allegorie nicht mögen, aber er hat einfach ein großes erzählerisches und gestalterisches Geschick, sie zu präsentieren, und dies auch, aber eben nicht nur im Offensichtlichen. Das ist schon mehr als ein Leasingvertrag, und bei Petes finalen Worten, wobei Näheres nicht verraten sei, darf man gern einmal die Taschentücher herausholen. Weil die Aufgabe des Loslassens eine Liebesaufgabe ist, die sich vielen auch ganz ohne das eigene Ableben stellt, hat uns dieser Film, ein Melodram über Erlösung trotz Nichtzusammenkommenkönnens, eine ganze Menge zu sagen, und das auf hohem Niveau. Wie gesagt, wenn man’s sentimental – für mich nie ein Schimpfwort – mag.

Nostalgie – und Audrey Hepburn

Es ist bekannt, dass Steven Spielberg unter den Regisseuren des klassischen Hollywoods William Wyler besonders bewundert und dies schon als Jungspund getan hat – wenngleich in seinem halbautobiografischen „Die Fabelmans“ (2022) am Ende John Ford (David Lynch) statt Wyler auftaucht. Der so filmgeschichtsbewusste Regisseur hat der wunderbaren Audrey Hepburn, deren Magie Wyler für „Ein Herz und eine Krone“ (1953) entdeckt und die er auch später noch zweimal eingesetzt hatte, eine zauberhafte letzte Rolle geschenkt. Zwei Auftritte von je ein paar Minuten, die ganz und gar ihr gehören, und ja, so stelle ich Atheist mir den Himmel vor, mit Audrey Hepburn als Engel. Sie in den ausgehenden 1980ern adäquat zu besetzen war nicht ganz einfach, denn sie war längst Ikone, was Zuschauer also unvermeidlich mitsehen und -denken. Und sie trat nur noch selten in Filmen auf, was diesen Effekt natürlich noch zu verstärken drohte. Spielberg macht mehr als nur das Beste daraus. Zum einen bestätigt er das ikonische Image – ein Engel ganz in Weiß, der weidlich beschworene bezaubernde Charme der anfänglichen Elfe, dann Stilikone, später UNICEF-Sonderbotschafterin. Die muss ja was Gutes vorhaben! Gleichzeitig bricht er dieses Bild aber auch beziehungsweise lässt die Hepburn selbst es brechen: Ihr Engel Hap ist nämlich bei aller liebevollen Zugewandtheit alles andere als übertrieben salbungsvoll, sondern ihr Charme ist durchaus offensiv. Sie guckt Pete nicht mit Du-musst-jetzt-sehr-tapfer-sein-Rehaugen an, sie haut mal eben mit einer entwaffnenden Mischung aus Lächeln und Grinsen raus, dass er tot sei. Um ihm sehr charmant, aber auch sehr deutlich zu erklären, wie das Spiel für ihn jetzt laufen werde. Umwerfend, und allein wegen ihrer rund fünf Minuten muss man diesen Film lieben! Bemerkenswert ist nicht zuletzt, dass die Hepburn (1929–1993) damals keinen Tag jünger aussah, als sie war, und auch ihre Zähne sind nicht so gerichtet und gebleicht, dass man nur mit Skibrille draufschauen kann, um nicht geblendet zu werden. Ihr Zauber ist dabei ungebrochen und erstrahlt erst recht. Das sollten sich Dauerkundinnen der ästhetischen Chirurgen einmal durch den Kopf gehen lassen; Blogbetreiber Volker hat bezogen auf den Film „I See You“ (2019) ein erschreckendes Beispiel, Helen Hunt betreffend, aufgegriffen.

Ted (r.) muss erst noch ein Licht aufgehen

Nostalgie gibt es natürlich zudem beim leitmotivischen Romantiksong, eben „Smoke Gets in Your Eyes“. Und bei diversem Popkulturellem. Wenn die „Jungs“ eine comic-artige Zeichnung und den Schriftzug „Fire Eater“ auf ihr Flugzeug gemalt haben, erinnert dies an William Wylers Dokumentarfilm „The Memphis Belle: A Story of a Flying Fortress“ (1944). Auch wenn Wyler sich mit ausgelassener Kameraderie und falscher Kriegs„romantik“ bewusst zurückgehalten hatte, ist die Verbindung meines Erachtens spürbar. Zumal Spielberg selbst einen Weltkrieg-2-Fliegereinsatz als Doppelfolge seiner Serie „Unglaubliche Geschichten“ präsentiert hatte, die zumindest hinsichtlich der gezeigten Technik stark an Wylers Werk erinnert. „Die Notlandung“ (1985) legt indes Wylers Nüchternheit ab und hat neben jeder Menge zeittypischer Populärkultur wie der Musik und den verbreiteten Pin-up-Magazinen auch von einer göttlich-märchenhaften Rettung zu künden. „Always“ führt nicht nur den offiziellen Vorlagefilm „Kampf in den Wolken“, sondern auch das hier Genannte in die Gegenwart – und in die Allgemeingültigkeit, um nicht zu sagen Ewigkeit.

Ein würdiges Mediabook

Nach wie vor ist fragwürdig, warum man einen Film zweimal verkauft, den der Käufer doch nur einmal braucht. Davon abgesehen ist „Always“ nun in einer würdigen Qualität und frischen Farben verfügbar, die die Berge und den blauen Himmel Montanas erstrahlen und das Feuer erglühen lassen, dass die Hitze spürbar scheint. Als Extras gibt es neben einer Bildergalerie und diversen Trailerversionen Interviews mit einigen Beteiligten. Von der Länge her nicht das Nonplusultra (Spielberg selbst gibt sich zum Beispiel nur sechs Minuten lang die Ehre), aber erhellend. Gelungen ist das Booklet von Nicolai Bühnemann. Während mitunter eine Inhaltsangabe und biografische Daten der Beteiligten präsentiert werden, wie man es auch bei Wikipedia finden kann, liefert Bühnemann einen analytischen Aufsatz, tiefgreifend, aber verständlich geschrieben, ein großer Gewinn. Hierbei geht er zunächst auf verbindende Elemente in Spielberg-Filmen wie die Bedrohung der familiären Einheit und die Bedeutung des Spektakulären ein, um sich dann ausführlich „Always“ selbst zu widmen und die beiden genannten Aspekte zusammenzuführen. Konsequent heißt das Hauptkapitel „Familienspektakel? Always als Versuch einer Synthese“. Um unbeeinflusst zu sein, hatte ich diesen Text bis hierhin nicht gelesen, und auch nach der Lektüre scheint mir eine Zusammenfassung unangebracht. Es sei nur verraten, dass das einleitende Spielberg-Zitat zum „Always“-Kapitel gut gewählt ist: In all seinen Filmen gehe es um das Element der Suche, wobei das vermutete Originalwort „quest“ noch viel mehr meint, Reise, Bewährungsprobe, Aufgabe. Ob die Fremde, in der der Held sich bewähren muss, an entlegenen Orten à la Indiana Jones, in der heimischen Barbarei à la „Schindlers Liste“ (1993) oder zwischen Leben und Tod wie in „Always“ ist, ist dabei nicht ausgemacht. Spielberg ist Einheit in Vielfalt. Wer mehr wissen möchte, muss dann schon zum Booklet selbst greifen.

Alle bei „Die Nacht der lebenden Texte“ berücksichtigten Filme von Steven Spielberg haben wir in unserer Rubrik Regisseure aufgelistet, Filme mit Audrey Hepburn unter Schauspielerinnen, Filme mit Keith David, Richard Dreyfuss, Dale Dye und John Goodman in der Rubrik Schauspieler.

Veröffentlichung: 25. Mai 2023 als 2-Disc Edition Mediabook (Blu-ray & DVD), 21. Mai 2015 als Blu-ray, 15. Mai 2003 und 3. Mai 2001 als DVD

Länge: 122 Min. (Blu-ray), 117 Min. (DVD)
Altersfreigabe: FSK 12
Sprachfassungen: Deutsch, Englisch
Untertitel: Deutsch, Englisch
Originaltitel: Always
Alter deutscher Titelzusatz: Der Feuerengel von Montana
USA 1989
Regie: Steven Spielberg
Drehbuch: Jerry Belson, nach Dalton Trumbos Drehbuch zu „Kampf in den Wolken“
Besetzung: Richard Dreyfuss, Holly Hunter, Brad Johnson, John Goodman, Audrey Hepburn, Roberts Blossom, Keith David, Ed Van Nuys, Marg Helgenberger, Dale Dye, Brian Haley, James Lashly
Zusatzmaterial Mediabook: deutscher Trailer, Originaltrailer, Interviews, Bildergalerie 20-seitiges Booklet mit einem Text von Nicolai Bühnemann
Zusatzmaterial Blu-ray: Originaltrailer, Wendecover
Zusatzmaterial DVD: Produktionsnotizen, Biografien (jeweils Texttafeln), 2 Trailer
Label/Vertrieb 2023: Plaion Pictures
Label/Vertrieb 2015/2003: Universal Pictures International Germany
Label/Vertrieb 2001: Columbia TriStar

Copyright 2023 by Tonio Klein

Szenenfotos & unterer Mediabook-Packshot: © 2023 Plaion Pictures,
gruppierter Packshot: © 2003/2015 Universal Pictures International Germany

 

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Die Fabelmans – Bewegende Bewegtbilder

The Fabelmans

Kinostart: 9. März 2023

Von Andreas Eckenfels

Drama // Es ist ein Klischee, dies zu sagen. Aber meine Filme sind wie meine Kinder. Da habe ich keinen Favoriten, erzählte Steven Spielberg während der Pressekonferenz zur Verleihung des Goldenen Ehrenbären bei der 73. Berlinale im Februar 2023. Aber ich kann Ihnen sagen, der schwierigste Dreh, den ich je gemacht habe, war „Der weiße Hai“. Und der emotionalste Film, den ich je gedreht habe, war lange Zeit „Schindlers Liste“ – jetzt ist es aber „Die Fabelmans“!

Steven Spielberg bei der Berlinale-Pressekonferenz (© Andreas Eckenfels)

Seit mehr als 50 Jahren ist Steven Spielberg im Filmgeschäft tätig. Nun folgt der mehrfache Oscar-Preisträger dem Trend anderer Regisseurskollegen, auf prägende Momente des eigenen Lebens oder die Liebe zum Film zurückzublicken. Zuletzt hatten unter anderem Kenneth Branagh mit „Belfast“ (2021), James Gray mit „Zeiten des Umbruchs“ (2022), Alejandro G. Iñárritu mit „Bardo, die erfundene Chronik einer Handvoll Wahrheiten“ (2022) und Sam Mendes mit „Empire of Light“ (2022) mehr oder weniger autobiografisch geprägte Werke mit unterschiedlichen Schwerpunkten inszeniert.

Aufregend: Sammys erster Kinobesuch mit seinen Eltern

Der Tod seines Vaters Arnold Spielberg im August 2020 und auch die Corona-Pandemie bestärkten Steven Spielberg in seinem Entschluss, dass lange geplante Projekt gemeinsam mit dem befreundeten Drehbuchautoren Tony Kushner anzugehen. Seine Mutter Leah Adler Spielberg war bereits 2017 im Alter von 97 Jahren gestorben. Ich glaube nicht, dass 2020 irgendjemand wusste, wie das Leben in einem Jahr aussehen würde. Als sich die Dinge verschlimmerten, stellte ich mir die Frage, was ich wirklich noch dringend loswerden muss, so Spielberg.

Auf der 73. Berlinale feierte „Die Fabelmans“ seine Deutschland-Premiere, bei der Steven Spielberg nach einer Laudatio von U2-Sänger Bono den Goldenen Ehrenbären entgegennahm. Wenige Tage bevor der Filmemacher bei der 95. Oscar-Verleihung auf bis zu sieben Goldbuben hoffen kann, startet die Semi-Autobiografie in den deutschen Kinos.

Ein Zugunfall und seine Folgen

Am 10. Januar 1952 steht in New Jersey für den kleinen Sammy (Mateo Zoryan) sein erster Kinobesuch an. In Begleitung seines Vaters Burt (Paul Dano) und seiner Mutter Mitzi Fabelman (Michelle Williams) will er sich „Die größte Schau der Welt“ von Cecil B. DeMille ansehen – doch die erste Vorfreude ist der Angst vor dem dunklen Saal und den gigantisch großen Menschen auf der Leinwand gewichen. Seine Eltern können Sammy mehr oder weniger beruhigen – ein unvergessliches Erlebnis nimmt seinen Lauf. Besonders der spektakuläre Zugunfall im Film geht dem Jungen nach der Vorstellung nicht mehr aus dem Kopf.

Zauberhaft: Hände werden zur Leinwand

Als Sammy zu Chanukka eine Modeleisenbahn geschenkt bekommt, stellt er den Crash immer wieder nach – bis seine Mutter ihm heimlich die Filmkamera seines Vaters gibt, damit er die Szene aufzeichnen und immer wieder ansehen kann, ohne dass er das ganze Haus aufweckt.

Sammys Leidenschaft ist geweckt, als er die eigenen bewegten Bilder sieht. Seine zwei Schwestern Natalie (Alina Brace) und Reggie (Birrie Borria) spielen fortan gern die Hauptdarstellerinnen seiner ersten filmischen Gehversuche. So freuen sie sich darüber, in haufenweise Toilettenpapier eingewickelt zu werden, um als Mumien Grusel zu verbreiten.

Auch beim Campingausflug legt Sammy die Kamera nicht aus der Hand

Auch nach dem Umzug der Familie nach Phoenix, wo Vater Burt und Bennie (Seth Rogen), der beste Freund der Fabelmans, einen besser bezahlten Job bei General Motors erhalten haben, legt Sammy (nun: Gabriel LaBelle) die Kamera nicht mehr aus der Hand. Die Wüstenlandschaft von Arizona bietet für ihn die perfekte Kulisse, um dort mit seinen Kumpeln immer aufwendigere Produktionen zu drehen, bevorzugt Western oder Kriegsfilme. Erst als Mitzi nach dem Tod ihrer Mutter in eine tiefe Depression stürzt, merkt Sammy, dass es noch andere Dinge im Leben gibt als sein Hobby, das für ihn die Welt bedeutet.

Verklärung der Ereignisse?

Die Gefahr, wenn man persönlich das eigene Leben verfilmt: Vieles wird verklärt oder lediglich durch die Nostalgiebrille betrachtet. Auch zu Beginn von „Die Fabelmans“ fühlt es sich ein wenig zu sentimental an, wie das Bild der jüdisch-amerikanischen Familie gezeichnet ist. Besonders Mutter Mitzi erhält mit ihrer ständigen Fröhlichkeit einen außergewöhnlichen Glanz. Als ein Tornado auf ihre Heimatstadt im Anflug ist, packt sie die drei Kinder ins Auto und fährt dem Wirbelwind hinterher, ohne auch nur einmal an die Gefahr zu denken. Das alles lachend und jauchzend, was natürlich auch auf die Kinder ansteckend wirkt. Einige Jahre später besorgt sich Mitzi sogar einen Affen als Haustier, um mal wieder etwas zum Lachen zu haben. Steven Spielberg ließ für Michelle Williams exakte Nachbildungen der Kleider anfertigen, die seine Mutter trug. Zu viel der Liebe für einen semi-autobiografischen Film?

Onkel Boris erzählt von seinen Erfahrungen in Hollywood

Keine Sorge. Steven Spielberg weiß, was er tut und nimmt noch rechtzeitig die richtige Ausfahrt, um seinen Film nicht in einem tiefen Eimer der Rührseligkeit zu versenken. Denn der Bruch kommt, als Sammy einige Jahre später einen Film über einen folgenschweren Campingausflug der Familie zusammenschneidet. Der Blick eines Kindes auf die Eltern, weicht nun dem eines heranwachsenden Teenagers. Die kindliche Unschuld ist ihm verloren gegangen. Steven Spielberg erklärt dies so: Ich glaube, alle Kinder haben an einem bestimmten Punkt in ihrem Leben diese Momente, in denen sie realisieren, dass ihre Eltern die ganze Zeit über ganz normale Menschen waren. Ich hatte diese Erleuchtung, als ich 16 Jahre alt war.

Liebeserklärung an die Eltern

Dennoch: „Die Fabelmans“ berichtet nicht nur über Spielbergs Jugendjahre und davon, wie er seine Leidenschaft für das Kino entdeckte. Der Film ist auch eine Liebeserklärung an seine Familie und ganz besonders an seine Eltern. Die Gegensätze zwischen Vater und Mutter nehmen großen Raum ein und leben von der brillanten Leistung ihrer Darsteller.

Arnold Spielberg war ein rational denkender Elektroingenieur, der unter anderem für General Motors und IBM arbeitete. Paul Dano gibt Burt Fabelman bodenständig, mit großer Zurückhaltung, er spricht mit ruhiger Stimme und erklärt seinem Sohn technische Dinge detailgenau. Er ist liebevoll zu seinen Kindern, auch wenn er große Gefühle nur selten zeigt und über die Arbeit mitunter die Familie vergisst. Diese Art von schauspielerischer Zurückhaltung zeigte Paul Dano auch schon als Prediger in Paul Thomas Andersons Meisterwerk „There Will Be Blood“ (2007) und als irrer Schurke The Riddler in „The Batman“ (2022) – nur diesmal driftet seine Figur natürlich nicht in den Wahnsinn ab.

Wie Leah Adler Spielberg gab auch Mitzi Fabelman zugunsten der Familie ihre Karriere als Konzertpianistin auf. Die überbordende Lebensfreude, die Mitzi versprüht, war wohl auch bei Spielbergs Mutter vorhanden. Meine Mutter war mehr wie eine große Schwester für uns. Sie war Peter Pan. Sie hat sich einfach geweigert, erwachsen zu werden, erzählte der Regisseur einmal. Sie unterstützte ihren Sohn bestmöglich in seinem Hobby. Wohl auch, weil diese temperamentvolle Frau ihre eigenen Träume nie verwirklichen konnte. Wie Michelle Williams die Freiheitsliebe und die innere Traurigkeit spielt, die von Mitzi immer mehr Besitz ergreift, rührt zu Tränen. Ihr Tanz in der Nacht während des Campingausflugs, nur beleuchtet von zwei Autoscheinwerfern, bleibt noch lange nach dem Abspann in Erinnerung.

Sammy nimmt sein neuestes Werk unter die Lupe

Interessant: Unterbewusst verarbeitete Steven Spielberg die Gegensätze seiner Eltern – auf der einen Seite der Computer-Pionier, auf der anderen die Musikerin – bereits in „Unheimliche Begegnung der dritten Art“ (1977). Darauf machte ihn aber erst US-Talkmaster James Lipton in einem 1999 geführten Interview aufmerksam. In dem Science-Fiction-Klassiker kommunizieren die Menschen mit den Aliens bekanntermaßen via einer musikalischen Tonfolge, die von einem Computer generiert wird. Ein klarer Hinweis auf Spielbergs Eltern, auch wenn er es nicht beabsichtigt hatte, wie der Regisseur einräumte.

Sammys und Stevens Frühwerke

Doch zurück zu Sammy Fabelman: Dem zuvor recht unbekannten Gabriel LaBelle („Predator – Upgrade“) nimmt man die Neugierde und Leidenschaft jederzeit ab, die der Figur innewohnt. Nur die Kontaktlinsen, die er tragen musste, um seine braunen, in Spielbergs blau-grüne Augen zu verwandeln, lenkten mich ab und zu extrem ab.
Wie sich Sammys Blick auf seine Eltern verändert, so lässt Spielberg das Publikum auch daran teilhaben, wie sich mit jedem kleinen und großen Dreh seine Erfahrung mit dem Medium Film weiterentwickelt. Sammy verblüfft seine Eltern und sein Publikum mit immer einfallsreicheren Spezialeffekten. Um dies zu zeigen, ließ Spielberg Szenen seiner eigenen Filme mit 8- und 16-mm-Kameras nachdrehen, die er als Teenager mit Familie und Freunden inszenierte. Darunter der achtminütige Western „The Last Gunfight“ (1959), der 40-minütige Kriegsfilm „Escape to Nowhere“ (1961) sowie „Firelight“ (1964), ein 135-minütiger Science-Fiction-Film über UFOs, der 500 Dollar kostete.

Spielberg verriet allerdings, dass er es nicht lassen konnte, etwa andere Kamerawinkel als sein jugendliches, noch nicht ganz so professionelles Ich für die „Die Fabelmans“-Frühwerke ausgewählt zu haben: Ich wünschte, ich hätte die 8-mm-Filme so amateurhaft nachstellen können, wie ich sie als Kind gedreht habe. Aber im Jahr 2021, als ich den Film drehte, konnte ich einfach nicht widerstehen, einen besseren Platz für die Kamera zu finden als den, an dem ich sie 1961 platziert hatte. Das habe ich einfach nicht geschafft!

Erste Liebe: Sammy und Monica beim Abschlussball

Eine verpasste Chance gibt es bei den Heimkinoveröffentlichungen von „Die Fabelmans“: In den USA sind DVD, Blu-ray und 4K-UHD-Blu-ray bereits im Handel erhältlich. Die Originalfilme von damals haben es leider nicht ins Bonusmaterial geschafft – falls diese überhaupt noch existent sind. Das wäre eine schöne Dreingabe gewesen.

Die Wirkung von bewegten Bildern

Was Spielbergs Werk auch von vielen Filmen unterscheidet, die von leidenschaftlichen Hobbyfilmern erzählen – sei es etwa „Ich und Earl und das Mädchen“ (2016) oder auch „Super 8“ (2011) von Spielberg-Schüler J. J. Abrams –, ist, dass nicht nur witzige Filmchen gedreht werden, sondern Sammy weiß nach einiger Zeit genau, welche Wirkung und Gefühle seine bewegten Bilder inklusive des Schnitts auf seine Zuschauer und Zuschauerinnen haben werden. Sowohl bei den zwei Fassungen des Campingausflugs, von denen er eine seiner ganzen Familie, die andere nur seiner Mutter zeigt, als auch beim Schulabschlussfilm „Ditch Day“, bei dem das Mobbingopfer Sammy sich auf clevere Weise an seinen Peinigern rächt – Spielberg zeigt, dass Sammy mit seinen Aufnahmen auch Wahrheiten ans Licht bringen und Leute manipulieren kann.

Grandioses Finale in Hollywood

Über „Die Fabelmans“ ließe es sich noch viel mehr schreiben. Sei es über den herrlich schrulligen Kurzauftritt von Judd Hirsch als Onkel Boris, der ihm sogar eine Oscar-Nominierung als bester Nebendarsteller einbrachte. Oder über die hinreißende Darstellung von Chloe East als Sammys bibelfeste Freundin Monica. Die detailverliebte Ausstattung oder auch die wahrscheinlich allerletzte Filmmusik von John Williams, die ebenfalls Oscar-nominiert ist, sollte man ebenfalls nicht vergessen. Doch vor allem sollte die grandiose, finale Sequenz erwähnt werden, als Sammy seinen ersten Schritt nach Hollywood geschafft hat. Ohne die Überraschung zu verderben: Der Nachwuchsfilmemacher trifft einen berühmten Regisseur, der von einem berühmten Regisseur verkörpert wird. Und diese Szene hat sich laut Spielberg inklusive des Dialogs nahezu 1:1 so zugetragen! Unglaublich!

Emotionale Achterbahnfahrt

Filme sind Träume, die du niemals vergisst!, sagt Mutter Mitzi zu ihrem Sohn vor seinem ersten Kinobesuch, um ihn zu beruhigen. Später merkt sie, dass Sammy auch die Kontrolle über diese Träume haben will. Denn Träume würden ihm Angst machen, wie er erwidert. Spielberg hat stets seine Ängste in seinen Filmen verarbeitet – und so seinen Traum gelebt. Mit dem warmherzigen und hervorragend gespielten Familiendrama „Die Fabelmans“ erzählt er einfühlsam seine persönliche Coming-of-Age-Geschichte und über die Macht des Kinos. Dabei verzichtet er auf das große Spektakel, das er sonst auf der Leinwand zelebriert. Spielberg fokussiert sich ganz und gar auf das Geschichtenerzählen und bewegende Bilder – und schickt uns so auf eine emotionale Achterbahnfahrt. Der Meisterregisseur weiß eben genau, wie er sein Publikum zum Lachen und zum Weinen bringt.

Der Goldene Ehrenbären-Preisträger Steven Spielberg mit dem Künstlerischen Leiter der Berlinale, Carlo Chatrian (l.), Laudator Bono (2. v. l.) und Berlinale-Geschäftsführerin Mariëtte Rissenbeek (r.) (© Richard Hübner / Berlinale 2023)

Und wenn es nach ihm geht, ist sein filmisches Schaffen noch lange nicht beendet. Ich bin ein wenig beunruhigt, wenn man mir sagt, dass ich schon ein ganzes Leben gelebt haben soll, denn ich bin noch nicht fertig und will weiterarbeiten. Ich will weiter lernen und entdecken und mir selbst und manchmal auch Ihnen einen gehörigen Schrecken einjagen, sagte der inzwischen 76-jährige Steven Spielberg in seiner Dankesrede und nahm den Goldenen Ehrenbären für sein Lebenswerk entgegen.

Alle bei „Die Nacht der lebenden Texte“ berücksichtigten Filme von Steven Spielberg haben wir in unserer Rubrik Regisseure aufgelistet, Filme mit Michelle Williams unter Schauspielerinnen und mit Paul Dano unter Schauspieler.

Länge: 151 Min.
Altersfreigabe: FSK 12
Originaltitel: The Fabelmans
USA 2022
Regie: Steven Spielberg
Drehbuch: Steven Spielberg, Tony Kushner
Besetzung: Paul Dano, Michelle Williams, Gabriel LaBelle, Judd Hirsch, Seth Rogen, Mateo Zoryan, Keeley Karsten, Chloe East, Jeannie Berlin, Julia Butters, Robin Bartlett, Isabelle Kusman, Sophia Kopera, Sam Rechner, Chandler Lovelle, Alina Brace, Birdie Borria
Verleih: Universal Pictures International Germany

Copyright 2023 by Andreas Eckenfels

Filmplakat & Trailer: © 2023 Universal Pictures International Germany,
Szenenfotos: © Storyteller Distribution Co., LLC. All rights reserved.

 

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Horror für Halloween (XXI): … Und die Alpträume gehen weiter – Neues aus der Zwielichtzone

Night Gallery

Von Lars Johansen

Episoden-Horror // Rod Serling, der Drehbuchautor dieses dreiteiligen Pilotfilms wurde durch „The Twilight Zone – Unwahrscheinliche Geschichten“ eine amerikanische Institution des Science-Fiction-Kinos. Na gut, nicht des Kinos im eigentlichen Sinn, aber wenigstens die Sehgewohnheiten vieler fantastischer Autoren und Regisseure hat er durch seine Arbeit nachhaltig verändert. Von 1959 bis 1964 schuf er mit dieser bahnbrechenden Serie eine intelligente und empathische Sicht auf die filmische Fantastik. Er und Gene Roddenberry, Schöpfer von „Raumschiff Enterprise“ („Star Trek“), haben das Genre der Science Fiction nachhaltig verändert. Bei Serling lappte dieses immer schon ins rein Fantastische über. 1969, fünf Jahre nach dem Ende von „The Twilight Zone“, begann er mit der Produktion einer neuen Serie, die „Night Gallery“ beziehungsweise „Rod Serling’s Night Gallery“ hieß und sich mehr auf den Bereich Mystery und Horror konzentrierte. Sie schaffte immerhin drei Staffeln, die teilweise auch in Deutschland ausgestrahlt wurden.

„Ein Häppchen für den toten Erbonkel!“

Am 8. November 1969 startete der Pilotfilm in den USA. Er umfasste drei Segmente, die alle von Serling geschrieben, aber von drei verschiedenen Regisseuren realisiert wurden. Wie schon bei „ The Twilight Zone“ tauchte Serling selbst als Erzähler auf, diesmal in einer Art Museum oder Galerie, wo Bilder hingen, die eine besondere Geschichte enthielten. Für das Drehbuch des Pilotfilms erhielt Serling den „Edgar-Allan-Poe-Award“, die Serie selbst wurde zweimal für den Emmy nominiert. In den 70ern liefen einige Folgen im ZDF im Rahmen der Reihe „Das kleine Fernsehspiel“. Eine gute Idee, den Pilotfilm mit dem Titel „… Und die Alpträume gehen weiter“ jetzt wieder zugänglich zu machen, denn er ist es wert, gesehen zu werden. Auch wenn die Episoden qualitativ durchaus Unterschiede aufweisen, sinkt das Niveau bei keiner wirklich allzusehr ab.

Auftakt nach M. R. James

Die erste Geschichte „The Cemetery“ ist inspiriert von der Geistergeschichte „Der Kupferstich“ („The Mezzotint“) von Montague Rhodes James: Jeremy Evans (Roddy McDowall) beschleunigt den Tod seines Onkels, indem er ihn eiskalter Luft aussetzt. Nachdem er das Erbe angetreten hat, verändert sich ein Bild, das neben der Treppe hängt und den angrenzenden Friedhof zeigt, auf welchem der Onkel begraben wurde. Eine seltsame Gestalt scheint das Grab zu verlassen und sich dem Haus immer weiter zu nähern. Schließlich klopft es mitten in der Nacht an der Vordertür. Sollte sich dahinter wirklich etwas Dunkles verbergen oder steckt nur der Butler Osmond (Ossie Davis) dahinter, der seinen ehemaligen Herren rächen will? Regisseur Boris Sagal ist ein Routinier, der viel fürs Fernsehen gearbeitet hat und zwei Jahre später mit „Der Omega-Mann“ („The Omega Man“) seinen vielleicht bekanntesten Spielfilm realisierte, der mit Charlton Heston in der Hauptrolle eindrucksvollen Science-Fiction-Horror ergab. Hier haben wir am Ende einen hübschen Dreh, der die rationale Erklärung für das Gesehene ad absurdum führt und in reinem Horror mündet.

„Nein, Großvater, das ist naturblond.“

„The Escape Route“ lautet der Titel des dritten Segments. Hier geht es um einen alten Nazi, Joseph Strobe (Richard Kiley), der in Südamerika lebt und Angst davor hat, erkannt und seiner gerechten Strafe zugeführt zu werden. Jeden Tag geht er in ein Museum und schaut das Bild eines Fischers in idyllischer Landschaft an. Irgendwann gelingt es ihm, sich in das Gemälde hineinzuversetzen und dort zu leben. Eines Tages erkennt ihn ein Überlebender, Bleum (Sam Jaffe), aus Deutschland wieder. Strobe tötet ihn und flieht für immer in das Bild. Das aber ist an eine andere Stelle gehängt worden und so endet er in einem völlig anderen Bild. Regisseur Barry Shear ist ein Fernsehroutinier und so ist die Episode eher konventionell geraten und bietet ein furchtbar moralisches Ende. Die Bösen müssen eben bei Serling bestraft werden und manchmal ist das leider ein wenig vorhersehbar. Trotzdem gönnt man Strobe seine harte Strafe von Herzen.

Regiedebüt von Steven Spielberg

„Eyes“ ist der Name der zweiten Episode und ich habe sie mir bis zum Schluss aufgespart, weil sie zwei großartige Besetzungscoups aufweist. Zum einen ist es eine der letzten Rollen von Joan Crawford, die hier die reiche, böse und hartherzige Claudia Menlo spielt, welche blind ist und einem armen Mann seine Augen abkauft, die ihr von ihrem Arzt, Dr. Frank Heatherton (Barry Sullivan), transplantiert werden, damit sie einmal im Leben für ein paar Stunden sehen kann, um ihre Schätze zu bewundern. Sie erpresst ihn dazu, weil er es als unethisch ablehnt. Aber natürlich geht das nur bedingt gut. Der zweite Coup ist, dass Steven Spielberg hier sein Debüt als Regisseur feiern kann. Beides funktioniert, denn die Crawford ist großartig in ihrer Rolle und Spielberg beweist schon hier, dass er zu Höherem berufen war. Glas und Spiegel tauchen immer wieder symbolisch in den Bildern auf und die Strafe bekommt wirklich eine dramatische Tiefe, die in ihrer gleichzeitigen Banalität der Auflösung Abgründe auftut, welche erstaunliche Qualitäten erreichen.

„Wir transplantieren erst einmal die Haare, dann die Augen und dann …“

Mir persönlich hat die erste Episode am besten gefallen, aber das möge jeder für sich entscheiden, denn endlich kann man „… Und die Alpträume gehen weiter“ wieder sehen. Denn nachdem er 1987 auf Video veröffentlicht worden war, erschien er erst 2019 endlich auf DVD. Extras gibt es leider keine, auch Untertitel für die englische Fassung sind nicht mit an Bord, aber erfreulicherweise hat sich das kleine Label Pidax des Pilotfilms angenommen und ihn in ordentlicher Qualität veröffentlicht. Bei Bild und Ton sollte man von einem Fernsehfilm aus den späten 60ern keine Wunder erwarten, aber das Ergebnis ist solide geworden. Wer angenehmen, nicht unintelligenten Grusel mag, ist hier einigermaßen aufgehoben, und allein Spielberg bei seinen ersten Gehversuchen zuzuschauen, ist den Erwerb jederzeit wert.

Alle bei „Die Nacht der lebenden Texte“ berücksichtigten Filme von Steven Spielberg haben wir in unserer Rubrik Regisseure aufgelistet, Filme mit Roddy McDowall und Barry Sullivan unter Schauspieler.

„Spieglein, Spieglein, ich brech’ dir alle Knochen, wenn du mich noch einmal alt nennst.“

Veröffentlichung: 18. Oktober 2019 als DVD

Länge: 94 Min.
Altersfreigabe: FSK 16
Sprachfassungen: Deutsch, Englisch
Untertitel: keine
Originaltitel: Night Gallery
USA 1969
Regie: Barry Shear, Steven Spielberg, Boris Sagal
Drehbuch: Rod Serling
Besetzung: Joan Crawford, Ossie Davis, Roddy McDowall, Barry Sullivan, Tom Boswell, Sam Jaffe
Zusatzmaterial: Trailershow
Label: Pidax Film
Vertrieb: Al!ve AG

Copyright 2020 by Lars Johansen

Szenenfotos & Packshots: © 2019 Pidax Film

 

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