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Die große Offensive – Internationale Stars im Italo-Kriegsspektakel

20 Nov

Il grande attacco

Von Volker Schönenberger

Kriegs-Action // „Die große Offensive“ zeigt zu Beginn authentische Schwarzweiß-Bewegtbilder aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs, hauptsächlich aus deutscher Perspektive inklusive des Führers und Reichskanzlers Adolf Hitler Zu schmissigem Soundtrack laufen die Vorspann-Credits von Umberto Lenzis 1978er-Regiearbeit ab. Die Handlung setzt 1936 während der Olympischen Spiele in Berlin ein. In freundschaftlicher Atmosphäre treffen des Abends der Wehrmachtsoffizier Leutnant Manfred Roland (Stacy Keach), der kanadische Journalist Professor Sean O’Hara (John Huston), der US-Brigadegeneral Harold Foster (Henry Fonda) und die berühmte deutsche Schauspielerin Annette Ackermann (Samantha Eggar) zusammen – wobei es sich bei der Schauspielerin um eine Jüdin handelt. Das Dinner verläuft angenehm, man trinkt auf die Freundschaft und den Frieden, O’Hara verleiht seiner Hoffnung Ausdruck, die anderen in vier Jahren wiederzusehen (er spielt vermutlich auf die für Tokio vorgesehenen Olympischen Spiele 1940 an, deren Austragung Japan 1938 zurückgab und die aufgrund des Kriegs letztlich überhaupt nicht stattfanden).

Auf in den Krieg

Zeitsprung in den Mai 1942: General Foster muss akzeptieren, dass sein Sohn John (Ray Lovelock) nach missglücktem Studium ebenfalls eine militärische Laufbahn als Offizier einschlägt und an die Front versetzt wird. Im Deutschen Reich haben Roland und Ackermann mittlerweile geheiratet und müssen sich ebenfalls mit den Unbillen des Krieges herumplagen. Im November lässt sich Professor O’Hara als Kriegsberichterstatter nach Afrika versetzen.

Umberto Lenzis Kriegsausflug

Umberto Lenzi hat sich vornehmlich als Regisseur deftiger Italo-Exploitation vom Schlage „Mondo Cannibale“ (1972), „Großangriff der Zombies“ (1980) und „Cannibal Ferox – Die Rache der Kannibalen“ (1981) einen Namen gemacht, sich aber bereits in den 1960ern mit „Fünf gegen Casablanca“ (1967) und „Die zum Teufel gehen“ (1969) dem Zweiten Weltkrieg gewidmet. Bemerkenswert, dass er für seine 1978er-Regiearbeit „Il grande attacco“ eine solch illustre Darstellerriege um sich scharen konnte. Henry Fonda und Stacy Keach waren damals schon klangvolle Namen, ebenso Regie-Legende John Huston, der gern mal vor die Kamera trat – seine Regisseurs-Filmografie ist sogar kürzer als die seiner schauspielerischen Arbeiten (Huston und Fonda hatten kurz zuvor schon in „Der Polyp – Die Bestie mit den Todesarmen“ gemeinsam Italo-Luft geschnuppert). Hinzu kommen Helmut Berger als Wehrmachtsoffizier Leutnant Zimmer und Giuliano Gemma als US-Offizier Captain Martin Scott. In der englischen Sprachfassung ist obendrein Orson Welles ein paar Mal als Nachrichtensprecher zu hören.

Die Schlacht um die Mareth-Linie

Gute Voraussetzungen also für großes Kriegskino. Leider erschöpft sich „Die große Offensive“ darin, fast schon fragmentarisch Szenen mit diesen Figuren aneinanderzureihen, die für sich mal mehr, mal weniger gut funktionieren, sich aber zu keinem Zeitpunkt zu einem großen Ganzen zusammenfügen. Die Handlung kulminiert in der von November 1942 bis Mai 1943 tobenden Schlacht um die Mareth-Linie während des Tunesienfeldzugs (bei der Mareth-Linie handelte es sich um eine von der 1. Armee des italienischen Heeres gehaltene Befestigungslinie, die einige Jahre zuvor von der französischen Kolonialmacht errichtet worden war). Diese militärischen Sequenzen werden unterbrochen von Ereignissen, die das Schicksal der Schauspielerin Annette Ackermann (in den italienischen und englischen Sprachfassungen Annelise) beleuchten. Das wiederum ist zwar eine durchaus bewegende Geschichte, letztlich aber recht plakativ und klischeehaft. Und die Abschnitte stören den Erzählfluss der Kriegsszenen.

Erstmals ungekürzt in Deutschland

„Die große Offensive“ lief seinerzeit in den westdeutschen Kinos lediglich in verstümmelter Version, auch die kurz darauf erfolgte VHS-Veröffentlichung und die ersten DVDs des Films enthalten nur diese gekürzte Fassung (weshalb ich auf deren Auflistung unten verzichtet habe). Nun hat explosive media den Kriegs-Actioner im Juni 2023 erstmals vollständig hierzulande zugänglich gemacht. Dabei wurde bei den bislang fehlenden Szenen die italienische Tonspur beibehalten und untertitelt – eine übliche und akzeptable Methode. Zur Sichtung lag mir die neue DVD von explosive media vor, an der ich in puncto Bild- und Tonqualität nichts auszusetzen habe. Die Blu-ray kommt im Digipack daher, der zusätzlich auch die DVD enthält, während die DVD auch einzeln im herkömmlichen Softcase erschienen ist. Eine etwas uneinheitliche Veröffentlichung, aber sei’s drum.

Wenn man – wie ich – mit billigem italienischem Kriegskino à la „Im Wendekreis des Söldners“ (1983) und „Die Rückkehr der Wildgänse“ (1986) umgehen kann, kann einen ein Star-Vehikel wie „Die große Offensive“ auch nicht schrecken. Im Gegensatz zu den genannten Streifen strahlt Umberto Lenzis Arbeit in puncto Produktionsdesign sogar eine gewisse Wertigkeit aus. Die Messlatte internationaler Großproduktionen vom Schlage „Der längste Tag“ (1962) kann das Werk allerdings zu keinem Zeitpunkt überwinden. Wie man unterschiedliche Kriegsschauplätze stimmig zu einem überzeugenden Gesamtwerk zusammenfügt, demonstrierte zwei Jahre nach „Die große Offensive“ Samuel Fuller mit „The Big Red One“ (1980). Welche italienischen Kriegsfilme könnt Ihr empfehlen?

Alle bei „Die Nacht der lebenden Texte“ berücksichtigten Filme von Umberto Lenzi haben wir in unserer Rubrik Regisseure aufgelistet, Filme mit Henry Fonda, Giuliano Gemma und Stacy Keach unter Schauspieler.

Veröffentlichung: 29. Juni 2023 als 2-Disc Edition Digipack (Blu-ray & DVD) und DVD

Länge: 107 Min. (Blu-ray), 103 Min. (DVD)
Altersfreigabe: FSK 12
Sprachfassungen: Deutsch, Englisch, Italienisch
Untertitel: Deutsch, Englisch
Originaltitel: Il grande attacco
Internationale Titel: Battle Force / The Battle of the Mareth Line / The Biggest Battle / The Greatest Battle
IT/BRD/JUG 1978
Regie: Umberto Lenzi
Drehbuch: Umberto Lenzi, Cesare Frugoni
Besetzung: Henry Fonda, Helmut Berger, Samantha Eggar, Giuliano Gemma, John Huston, Stacy Keach, Ray Lovelock, Aldo Massasso, Venantino Venantini, Ida Galli, Edwige Fenech, Aldo Barberito, Rik Battaglia, Andrea Bosic, Massimo Bonetti
Zusatzmaterial: Audiokommentar von Leonhard Elias Lemke, deutsche Kinofassung (84 Min.), italienischer Trailer, US-Trailer, Bildergalerie, nur Digipack: 16-seitiges Booklet, nur DVD: Wendecover
Label: explosive media
Vertrieb: Plaion Pictures

Copyright 2023 by Volker Schönenberger

Untere drei Packshots: © 2023 explosive media

 
 

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9 Antworten zu “Die große Offensive – Internationale Stars im Italo-Kriegsspektakel

  1. Klaus

    2024/06/15 at 13:17

    Mein Tipp ist „El Alamein 1942 – Die Hölle des Wüstenkrieges“ aus dem Jahr 2002 von Enzo Monteleone.

     
  2. Frank Warnking

    2024/06/15 at 06:28

    Jäger der Apokalypse 🙂

     
  3. christophwolfca3f310064

    2024/06/14 at 14:46

    Der Film, der Tarantinos WK2-Film den Namen lieh:

    Ein Haufen verwegener Hunde (Quel maledetto treno blindato, Enzo G. Castellari, 1978)

    Ich mochte auch

    Königstiger vor El Alamein (La Battaglia di El Alamein, Giorgio Ferroni, 1969)

    Ansonsten ist es ewig her, dass ich die ganzen Reißer mit Kommando, Leopard oder Panther im Titel gesehen habe, da verschwimmt alles in meinem Kopf.

     
  4. trekkie1180

    2024/06/14 at 12:00

    Todeskommando Panthersprung mit Klaus Kinski

     
  5. Michael Behr

    2024/06/14 at 11:23

    Puh. Tatsächlich fällt mir als reinrassiger Kriegsfilm da jetzt auch nur „Jäger der Apokalypse“ ein. Bei anderen Genres fällt es mir irgendwie leichter, über die typischen italienischen Film-Schwächen hinweg zu sehen (Zombies und Sandalen, anybody?).

     
  6. Dominik F.

    2024/06/14 at 08:29

    Todeskommando Panthersprung ist klasse. Mit Gianni Garko und Klaus Kinski.

    Danke für die Review und das Gewinnspiel! Der fehlt mir noch in meiner Lenzi Sammlung.

     
  7. Martin

    2024/06/14 at 06:43

    Ein Haufen verwegener Hunde von Castellari

     
  8. tobiasklueter

    2024/06/14 at 06:16

    Auch wenn es ein wenig als guilty pleasure durchgeht, nenne ich Jäger der Apokalypse.

     

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