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The Witch Next Door – Hexen hexen

The Wretched

Kinostart: 13. August 2020

Von Volker Schönenberger

Horror // Im Jahr 1985 betritt die junge Megan (Sydne Mikelle) das Haus, in dem sie für das Kind der Eigentümer als Babysitterin engagiert ist. Sie meldet sich kurz bei ihrer Mutter, wundert sich, niemanden anzutreffen, und begibt sich in den Keller, aus dem ein Geräusch zu vernehmen war. Ein Fehler …

Nachbarin Abbie bringt einen überfahrenen Hirsch heim …

Das Hier und Heute: Der etwas aufsässige Teenager Ben (John-Paul Howard) reist nach der Trennung seiner Eltern zu seinem Vater Liam (Jamison Jones), um bei ihm den Sommer zu verbringen und im Yachthafen des Küstenstädtchens zu jobben, woran ihn sein gebrochener Arm nur unwesentlich hindert. Mit seiner gleichaltrigen Kollegin Mallory (Piper Curda) freundet er sich schnell an, auch wenn ihn die verwöhnten übrigen Jugendlichen etwas nerven. Mit Papas neuer Freundin Sara (Azie Tesfai) kommt er nach kurzen Startschwierigkeiten auch einigermaßen klar.

Was ist im Nachbarhaus los?

Bei der Nachbarsfamilie allerdings geht etwas Sonderbares vor. Die Nachbarin Abbie (Zarah Mahler) macht eine Besorgnis erregende Veränderung durch, sodass sogar ihr Sohn Dillon (Blane Crockarell) vor ihr in Angst gerät. Als er verschwindet, kann sich sein Vater Ty (Kevin Bigley) anschließend nicht daran erinnern, überhaupt einen Sohn zu haben. Ben beginnt, die Familie zu beobachten.

… und verändert sich auf beängstigende Weise

Der Titel verrät bereits das Sujet, und die Handlung gibt dem Publikum stets einen großen Informationsvorsprung gegenüber Ben und Mallory: Die beiden bekommen es mit einer waschechten Hexe zu tun, die von der Nachbarin Abbie Besitz ergreift und Finsteres im Schilde führt. „The Witch Next Door“ lebt somit weniger von überraschenden Erkenntnissen und Wendungen als von der Frage, ob und wie Ben und die anderen die tödliche Bedrohung durch die Hexe wohl überstehen mögen. Eine feine Wendung gibt es kurz vor dem Finale dann aber doch. Dank des trotz einiger Beziehungsprobleme sympathischen, wenn auch nicht allzu tiefgründig porträtierten Figurenquartetts Ben, Mallory, Liam und Sara habe ich durchaus mitgefiebert. Eine Prise Coming of Age kommt zum Vorschein, gewinnt aber nur wenig Gewicht.

Es gruselt

Das Rad des Hexenhorrors wird nicht neu erfunden, dafür erweist sich der Film als ironiefreier Schocker mit versiert gestalteten visuellen Effekten, die ohne allzu viel CGI auskommen. Auch das Sounddesign inklusive eines passend dissonanten Scores spielt eine nicht unwesentliche Rolle. „The Witch Next Door“ verzichtet aber auf inflationäre Jump Scares, hier geht es mehr um die Erschaffung einer gruseligen Atmosphäre, was als gelungen bewertet werden kann. Ein wenig fühlte ich mich phasenweise an den – allerdings deutlich schlechteren Rachegeistfilm – „Der Fluch von Darkness Falls“ von 2003 erinnert.

Auch Mallory gerät in Gefahr

Bei „The Witch Next Door“ handelt es sich um den zweiten Langfilm des Regie-Brüderpaars Brett Pierce und Drew T. Pierce nach der Zombiekomödie „Deadheads“ (2011). Vater der beiden ist Bart Pierce, der ihnen bei der Umsetzung ihres Debüts kräftig unter die Arme griff, etwa als Nebendarsteller aushalf. 1981 war er an der Produkton von Sam Raimis „Tanz der Teufel“ („The Evil Dead“) beteiligt gewesen, mithin immerhin an einem großen Horrorklassiker. Laut Internet Movie Database war er für die „photographic special effects“ zuständig, ansonsten hat er aber keine nennenswerten Film-Credits zu bieten.

Inspiriert von Roald Dahl

Für „The Witch Next Door“ ließen sich die Pierce-Brüder von diversen Hexen-Erzählungen und -Mythen inspirieren, darunter Roald Dahls Kinderbuch „Hexen Hexen“ („The Witches“) sowie die Sage der englischen Hexe Black Annis und die afroamerikanische Legende von Boo Hag. Heraus kam ein effektvoller Grusler, der wohl keinen Status als großer Klassiker erlangen wird, aber mit angenehmen Schauder rund anderthalb Stunden gut unterhält.

Kann Ben (r.) seinen Vater von der Bedrohung überzeugen?

Länge: 95 Min.
Altersfreigabe: FSK 16
Originaltitel: The Wretched
USA 2019
Regie: Brett Pierce, Drew T. Pierce
Drehbuch: Brett Pierce, Drew T. Pierce
Besetzung: John-Paul Howard, Piper Curda, Jamison Jones, Azie Tesfai, Zarah Mahler, Kevin Bigley, Gabriela Quezada Bloomgarden, Richard Ellis, Blane Crockarell, Juda Abner Paul, Ja’layah Washington, Amy Waller, Ross Kidder, Kasey Bell, Harry Burkey, Sydne Mikelle
Verleih: Koch Films

Copyright 2020 by Volker Schönenberger
Szenenfotos & Filmplakat: © 2020 Koch Films

 

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36 Stunden – Ein halbes Dutzend Jahre Filmriss!

36 Hours

Von Ansgar Skulme

Kriegs-Spionagethriller // Der Zweite Weltkrieg steuert auf entscheidende Schlachten zu. Wenige Tage vor der geplanten Landung in der Normandie wird Major Jefferson Pike (James Garner) nach Lissabon geschickt, um sich dort über einen Informanten zu versichern, dass die Deutschen die Invasion nach wie vor anderenorts erwarten. Dieser Plan geht jedoch gewaltig nach hinten los: Der in das Vorhaben Normandie genauestens eingeweihte Pike wird im bewusstlosen Zustand von den Deutschen entführt. Ziel: aus ihm herauszubekommen, was die Alliierten vorhaben. Major Walter Gerber (Rod Taylor) hat eine Methode entwickelt, mit der man an solche Informationen sogar gewaltfrei kommen kann, denn wer sich sicher fühlt und glaubt, dass nichts mehr passieren kann, redet durchaus bereitwillig. Seitens der SS hat man allerdings Probleme mit dem intellektuellen Gerber, der gezwungen ist, seine Wissenschaft zweckentfremdet einzusetzen, und stellt ihm den Standartenführer Otto Schack (Werner Peters) zur Seite. Schack traut weder Gerber noch der ehemaligen Konzentrationslagerinsassin Anna Hedler (Eva Marie Saint), die beim bösen Spiel mit Pike nur mitmacht, um nach langen, schlimmen Qualen ihr eigenes Leben zu retten.

Dass „36 Stunden“ nachgewiesenermaßen als Inspirationsquelle für eine frühe Episode der 1966 gestarteten ersten „Mission: Impossible“-Serie (hierzulande auch bekannt als „Kobra, übernehmen Sie!“) diente, glaubt man gern. Denkbar sogar, dass der Film einen gewissen Einfluss auf die Entwicklung des Gesamtkonzepts für die Serie hatte. Die erste „Mission: Impossible“-Episode lief in den USA etwa eineinhalb Jahre nach dem US-Kinostart von „36 Stunden“. George Seaton ist hier mit einer seiner letzten Regiearbeiten einer der bemerkenswertesten psychologisch hochambitionierten, jedoch nicht von Alfred Hitchcock inszenierten US-Thriller der 60er-Jahre gelungen, der als solcher in einem Atemzug mit beispielsweise „Mitternachtsspitzen“ (1960) oder „Die 27. Etage“ (1965) zu nennen ist.

Wendungen und doppelte Böden

Da man als Zuschauer in die Pläne der Deutschen schon unmittelbar nach deren Auftauchen in der Geschichte eingeweiht wird und somit von vornherein transparent ist, wie sie mit Pike verfahren wollen, könnte man meinen, dass dies der Spannung schadet. Aber weit gefehlt! Seaton spielt stattdessen die triumphale Karte aus, dass man wahrhaft händeringend mit Pike zu fiebern beginnt, ob er noch rechtzeitig herausfinden wird, was mit ihm getrieben wird. Dazu kommt der Faktor, dass Major Gerber verdammt überzeugend und fundiert agiert – eine faszinierende Figur, obwohl sie gezwungenermaßen auf Seiten der Deutschen arbeitet. Diesem Gerber – zumal er von dem damals in Heldenrollen erprobten Rod Taylor gespielt wird –, traut man es mehr und mehr wirklich zu, dass er Erfolg auf ganzer Linie haben könnte. Wann findet Pike heraus, was los ist? Ist es, selbst falls es ihm gelingt, dann aber vielleicht längst zu spät? Welche Konsequenzen und für wen wird all die Zeit haben, die er im Irrglauben verliert, mögen es Stunden, Jahre oder ein ganzes Leben sein – und wie viele Informationen wird er preisgeben? Wird er sich zumindest selbst retten können oder aber vielleicht opfern müssen? Fühlt man sich einmal sicher, wird der Teppich nochmals unter den Füßen weggerissen. Von mehreren Figuren wird mit gemeinen Tricks und Finten gearbeitet.

Beflügelte Leistungen, interessante Zusammentreffen

Werner Peters wird gern einmal auf seine Hauptrolle in dem DEFA-Film „Der Untertan“ (1951) reduziert – in dem Sinne, dass in Verbindung mit seinem Namen meist dieser Film genannt wird –, konstante Erfolge hatte er aber auch noch, wenn nicht sogar vor allem als Charakterdarsteller in den 60er-Jahren. Er gehört zu den prägnantesten Erscheinungen des 60er-Genrekinos der Bundesrepublik und war zudem schon seit den 50ern ein recht gefragter Synchronsprecher. In „36 Stunden“ spielte er seine vielleicht wichtigste internationale Rolle, seine größte in einem Hollywood-Film. Sie beweist, dass in ihm ähnliches Potenzial wie in Gert Fröbe schlummerte. Spannend an dieser Besetzung ist neben seiner schauspielerischen Qualität, dass Peters als seinerzeit nach wie vor in Deutschland ansässiger Schauspieler für diese Rolle engagiert und über den großen Teich geholt wurde. Dass man für eine Nebenrolle in einem damaligen Hollywood-Film einen Schauspieler aus Übersee verpflichtete, ist – von nicht-amerikanischen Darstellern mit Englisch als Muttersprache einmal abgesehen – eher ungewöhnlich. Kein Einzelfall natürlich, aber schon einer mit einem gewissen Seltenheitswert; zumindest für eine Hollywood-Produktion, die auch tatsächlich in den USA gedreht wurde. Eher war so etwas im damaligen Hollywood-Kino anzutreffen, wenn die Szenen der entsprechenden Schauspieler in beispielsweise deren Heimatländern gedreht wurden. Das war hier aber nicht der Fall. Werner Peters drehte vor Ort in den Vereinigten Staaten und synchronisierte sich für die deutsche Fassung später, zurück in Deutschland, dann selbst.

Interessant auch, dass sich hier ansonsten Jahrzehnte zuvor aus Deutschland, Österreich und Ungarn ausgewanderte deutschsprachige Schauspieler die Klinke in die Hand geben und mit Peters direkt und indirekt zusammentreffen. Celia Lovsky, Martin Kosleck, Oscar Beregi Jr., John Banner und Sig Ruman – sie alle hört man hier in der Originalfassung Deutsch sprechen. Die deutsche Synchronfassung wurde allerdings komplett synchronisiert, es wurden also auch die Szenen neu aufgenommen, die nur aus deutschen Dialogen bestehen. Das mag sich absurd anhören, ist aufgrund der Klangunterschiede zwischen Original- und Studioton aber ein aus handwerklicher und künstlerischer Sicht nachvollziehbarer Vorgang. Somit hört man die eigenen Stimmen der Emigrierten in der deutschen Fassung also leider nicht, da die Synchronfassung natürlich vollständig in Deutschland aufgenommen wurde. Verfahrensweisen wie heute, die ermöglichen, dass Dialoge einzelner Personen für eine Synchronisation durchaus auch einfach in den USA aufgenommen werden können und der Rest in Deutschland, waren damals noch nicht realisierbar. So entsteht ein Kuriosum: Während manche der deutschsprachigen Schauspieler auch englischsprachige Dialoge im Film haben, sprechen andere in der Originalfassung komplett nur Deutsch – da sie nur mit deutschen Figuren interagieren und/oder ihre Figuren des Englischen gar nicht mächtig sind –, haben in der deutschen Fassung aber dennoch eine andere Stimme. Noch kurioser allerdings ist die Originalfassung selbst – und zwar in den Momenten, wenn inmitten all der Deutschen plötzlich Schauspieler Deutsch sprechend auftauchen, denen man sofort anmerkt, dass es nicht ihre Muttersprache ist. Warum man hier nicht konsequent blieb und Deutsche oder Österreicher besetzte, ist schwer nachvollziehbar. Die amerikanischen Akzente im Deutsch stören die Glaubwürdigkeit des Films in der Originalfassung und sorgen für unfreiwillige Komik an Stellen, wo sie nicht hinpasst – nur bei Rod Taylor ist das Vorhandensein des Akzents sehr geschickt gelöst und der Wechsel zum Englischen zudem gut begründet.

Apropos Rod Taylor: Der Film glänzt, wie eingangs angedeutet, nicht nur durch seine Nebenrollen, sondern auch das Zusammentreffen zweier vorheriger Hitchcock-Stars. Rod Taylor („Die Vögel“), dem hier zweifelsohne eine der besten Darbietungen seiner Karriere gelang, merkt man in der Rolle des Majors Gerber an, dass er Freude an den darstellerischen Möglichkeiten hatte, die sich durch diese komplexe, sehr intelligente Figur eröffneten. Er spielt Gerber ausgesprochen glaubwürdig, dabei immer wieder in extremen Situationen agierend, in denen der Figur kein Fehler unterlaufen darf. Man beginnt diesen Gerber zu mögen, immer mehr treten seine Seele und Menschlichkeit zutage, aber selbst dann noch kann man ihm nicht völlig trauen. Er scheint oft allen einen Schritt voraus zu sein – Major Pike, der SS und dem Zuschauer. Und da ist zudem die sehr würdevolle Darbietung von Eva Marie Saint („Der unsichtbare Dritte“) als im KZ gepeinigte und nun zur Lüge gezwungene starke Frau, die immer wieder neue Schläge einstecken muss und angibt, das Weinen verlernt zu haben. Angenehm auch, dass zwischen ihr und Pike keine unangemessen übertriebene Liebesgeschichte übers Knie gebrochen wird. Sie kommen sich näher, aber eher emotional, nicht körperlich – keine kitschigen Kussszenen oder dergleichen.

Unnötige Kleinigkeiten

Frei von Spoilern ist dieser Abschnitt nicht. Daher in Unkenntnis des Films bitte erst ab dem nächsten Absatz weiterlesen! Im Gegensatz zu Eva Marie Saint und Rod Taylor gibt es für den dritten großen Star im Bunde, den Hauptdarsteller James Garner, der hier auch zum Produzentengespann gehörte, leichte Punktabzüge, da er, trotz sehr guter Darbietung bis über die Hälfte der Geschichte hinaus, im letzten Drittel des Films überraschend blass wird. Gen Ende wirkt „36 Stunden“ – nachdem alle Karten auf dem Tisch liegen und der Film in Folge der langen Phase der Täuschungen die Ebene hin zur Flucht wechselt – bedauerlicherweise etwas einfallslos, Pike verliert merkwürdig an Gewicht im Rahmen des Geschehens. Stattdessen gewinnt John Banner zu einem Zeitpunkt, wo es auch richtig spannend und dramatisch hätte werden können, mit seiner auf komisch gebürsteten Rolle ein wenig zu sehr die Oberhand – noch dazu gewissermaßen aus dem Nichts. Dass hier nach allen ausgelegten Fährten, den vielen Lügen und schlau gestrickten Wendungen plötzlich ein herumalbernder Wiener mit einem lockeren Zeigefinger am Abzug im Schnellverfahren Probleme zu lösen beginnt, erscheint deplatziert. Auf der Zielgeraden gehen gewisse Vorgänge in der Geschichte dann auf einmal ein gutes Stück zu einfach. Unter anderem ist es alles andere als glaubhaft, wie sich der SS-Mann zum Abschluss leichtsinnig als Zielscheibe präsentiert, da er nur noch auf die beiden Flüchtigen achtet. Sich so fahrlässig von einem permanent herumblödelnden alten Mann abknallen zu lassen, der zudem den Eindruck macht, nicht mehr ganz bei Verstand zu sein, passt nicht zu einer solchen SS-Figur – und das dann noch als Finale des Films. Aber wenigstens gibt es in der Folge eine versöhnliche, elegant und berührend gelöste Schlussszene mit Eva Marie Saint und James Garner, die diese „36 Stunden“ abrundet und verhindert, dass der Film sich, wegen einiger schier unerklärlicher Momente, nach über einer Stunde ziemlich großartigem Kino am Ende in Banalitäten verliert.

Als filmisches Bewerbungsschreiben für seine populär gewordene, ähnlich geartete Rolle in der Comedyserie „Ein Käfig voller Helden“, die auch im Jahr 1965 startete, hat „36 Stunden“ John Banner, der eigentlich Johann Banner hieß, aber vermutlich gute Dienste erwiesen, auch wenn sein Part im Gesamtbild dieses Films diskutabel ist. Es hat etwas Bemerkenswertes, dass er in der Serie, wie auch Werner Klemperer in der Rolle seines Vorgesetzten, als Mensch aus einer jüdischen Familie in einer Nazirolle auftrat und beide somit ihrer eigenen Vergangenheit Woche für Woche und Drehtag für Drehtag mit ausgesprochen viel Humor begegneten. „Ein Käfig voller Helden“ entwickelte sich in den Staaten zu einem großen Erfolg und bescherte Banner gegen Ende seines Lebens ein spätes Höchstmaß an Aufmerksamkeit, dazu Auftritte in TV-Shows und nachhaltige Bekanntheit. Leider wird der Spaßfaktor der Serie aus heutiger Sicht arg von dem hinterhältigen und besonders brutalen, noch immer erstaunlicherweise nicht abschließend geklärten Mord an dem, aufgrund seines Privatlebens sehr kontrovers diskutierten, Hauptdarsteller Bob Crane im Jahre 1978 überschattet. Sich diese Serie anzusehen, die gewissermaßen John Banners größtes Vermächtnis als Schauspieler darstellt – nachdem er sich mit „36 Stunden“ für die Rolle des Feldwebels Schultz empfohlen hatte –, hat daher einen bitteren Beigeschmack, wenn man um die Hintergründe weiß, der schwer mit der lockeren Gangart des Humors kompatibel ist. Banner, der 1973 am Tage seines 63. Geburtstages bei einem Heimatbesuch in Wiens starb, das er im Zuge seiner Flucht vor den Nazis lange Zeit nicht hatte besuchen können, erlebte das finstere Drama um Bob Crane nicht mehr.

Wir sind wieder zu langsam

In den USA wurde „36 Stunden“ schon vor mehr als zehn Jahren erstmals auf DVD herausgebracht, was Veröffentlichungen in Europa, allerdings nicht in Deutschland, zur Folge hatte. Dies ist auch insofern ärgerlich, als die Warner Brothers, bei denen die Rechte für den DVD- und Blu-ray-Vertrieb des Films liegen, zum damaligen Zeitpunkt durchaus noch aktiv darin waren, ihren Klassikern in Deutschland DVD-Veröffentlichungen zukommen zu lassen. 2017 folgte in den Staaten eine DVD-on-Demand-Neuauflage, nun gekoppelt mit einer Blu-ray, mittlerweile ist eine Direktveröffentlichung eines solchen Klassikers über Warner in Deutschland aber recht unwahrscheinlich. Man kann daher eigentlich nur hoffen, dass ein nach wie vor um Klassiker bemühtes Label irgendwann einmal Erfolg damit haben wird, die Rechte an sich zu bringen, um diesen besonderen Film wieder einem großen deutschen Publikum zugänglich zu machen. Schon allein aufgrund seiner Bedeutsamkeit hinsichtlich der vielen deutschsprachigen Schauspieler im Ensemble und aufgrund von deren denkwürdigen Lebens- und gegebenenfalls Fluchtgeschichten, nicht zuletzt weil man in diesem Film auch ungewöhnlich viele von ihnen Deutsch (miteinander) sprechen hört und weil es sich um einen recht späten Film handelt, der diverse deutschsprachige Exil-Schauspieler noch einmal versammelt. Hollywood-Produktionen mit vielen Deutschen in Nebenrollen findet man ansonsten eher im Fundus der 40er-Jahre. Diese Schauspieler aus dem Exil kennt in Deutschland heute kaum noch jemand, Anerkennung und ein kleines Denkmal haben sie aber zweifelsohne verdient. Ein solches könnte beispielsweise eine DVD-Veröffentlichung von „36 Stunden“ hierzulande sein. Dass mit dem Film schon bei seiner Produktion ähnliche Ansinnen verfolgt wurden, kann man dadurch bestätigt sehen, dass man jemanden wie Sig Ruman, der beispielsweise in „Stalag 17“ (1953) und „Sein oder Nichtsein“ (1942) deutlich größere Parts gespielt hatte, hier zumindest in einer sehr kleinen Rolle auftauchen ließ, die im Grunde jeder hätte spielen können.

Alle bei „Die Nacht der lebenden Texte“ berücksichtigten Filme mit James Garner und Rod Taylor haben wir in unserer Rubrik Schauspieler aufgelistet.

Veröffentlichung (USA): 11. April 2017 als Blu-ray und DVD, 5. Juni 2007 als DVD

Länge: 115 Min.
Altersfreigabe: FSK 12
Originaltitel: 36 Hours
USA 1964
Regie: George Seaton
Drehbuch: George Seaton, nach einer Kurzgeschichte von Roald Dahl sowie einer für die Leinwand geschriebenen Geschichte von Carl K. Hittleman und Luis H. Vance
Besetzung: James Garner, Eva Marie Saint, Rod Taylor, Werner Peters, John Banner, Russell Thorson, Alan Napier, Martin Kosleck, Oscar Beregi Jr., Sig Ruman
Verleih: Metro-Goldwyn-Mayer / Warner Bros.

Copyright 2018 by Ansgar Skulme
Filmplakat: Fair Use

 

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BFG – Sophie & der Riese: Der Stoff, aus dem die Träume sind

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The BFG

Von Andreas Eckenfels

Fantasy-Abenteuer // 2016 feierten zwei große Geschichtenerzähler runden Geburtstag: Filmemacher Steven Spielberg wurde am 18. Dezember 70 Jahre alt, der 1990 verstorbene Autor Roald Dahl („James und der Riesenpfirsich) wäre am 13. September 100 Jahre alt geworden. Passend dazu erweckte Spielberg eines der bekanntesten Kinderbücher von Dahl zum Leinwandleben: „Sophiechen und der Riese“ aus dem Jahr 1982. Genau genommen, ist es nicht das erste Mal, dass der Regisseur einen Stoff von Dahl verfilmt. Auch „Gremlins – Kleine Monster“ (1984), bei dem Spielberg als Produzent tätig war, ist von einem Werk des britischen Schriftstellers inspiriert.

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Waisenkind Sophie liest mitten in der Nacht noch ein Buch …

Doch was sich eigentlich wie die perfekte Kombination für einen ordentlichen Kinohit anhörte, entpuppte sich im Sommer 2016 überraschenderweise als einer der größten Flops des Jahres. Bei geschätzten Produktionskosten von 140 Millionen US-Dollar spielte das Fantasy-Abenteuer gerade mal 178 Millionen US-Dollar weltweit ein. Danach wurde spekuliert: Hat Steven Spielberg etwa seine Magie verloren?

Erinnerungen an „E.T.“

Die inhaltlichen Parallelen zu „E.T. – Der Außerirdische“ (1982) hat Iris bereits in ihrer Kritik zum Kinostart herausgearbeitet. Die ungewöhnliche Freundschaft zwischen dem Waisenkind Sophie (Ruby Barnhill) und dem Riesen (Mark Rylance, „Bridge of Spies“) ist das Herzstück der Geschichte. Melissa Mathison (1950–2015) trug maßgeblich dazu bei, dass diese auch funktioniert. Sie verfasste sowohl für den Spielberg-Klassiker als auch für „BFG – Sophie & der Riese“ die Drehbücher. Ihr sind die Worte „For our Melissa“ im Abspann gewidmet.

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… als sie plötzlich ein merkwürdiges Geräusch hört

Lag es eventuell am Filmtitel? Immerhin kann man heutzutage bei dem „F“ im Akronym von „Big Friendly Giant“ auch an ein nicht gerade kinderfreundliches Wort denken. Schon im Videospiel-Shooter „Doom“ gab es eine Waffe, die auf die Abkürzung „BFG“ hörte, was übersetzt etwa „Verdammt große Waffe“ bedeutet. Auch wären eventuell mehr als die lediglich knapp 300.000 Besucher in Deutschland ins Kino gegangen, hätte man den hierzulande bekannten Titel „Sophiechen und der Riese“ ohne das „BFG“ genutzt. In der Romanübersetzung wird der Riese übrigens „GuRie“ für „Guter Riese“ genannt. Auch der Sommerstarttermin hat womöglich einen Teil zum Misserfolg beigetragen – Fantasystoffe schaut man doch lieber im Winter an, oder?

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Der Riese bläst mit einer Trompete die Träume in die Kinderzimmer

Magische Momente

Das Live-Motion-Capture-Verfahren der Figuren, die Animation der Gesichter und die Erschaffung der digitalen Welt der Riesen ist wunderbar gelungen. Wie der Riese durch das nächtliche London stapft und mit seiner Trompete die Träume in die Schlafzimmer der Kinder bläst, seine Höhle, in dem er den Stoff, aus dem die Träume sind, zusammenmixt, und der Ort, an dem er diese einfängt – das alles sorgt durchaus für märchenhafte Momente. Doch bei dem Zusammenspiel zwischen Ruby Barnhill und den animierten Figuren bleiben die Emotionen etwas auf der Strecke. Die Elfjährige muss den Großteil der Handlung als einzige reale Figur tragen, was nicht immer überzeugend ist.

Recht altbacken wirkt außerdem die Geschichte, bei der am Ende Queen Elizabeth (Penelope Wilton) und das britische Militär um Hilfe gebeten werden, um die neun bösen Riesen zu bekämpfen, die „BFG“ drangsalieren und Kinder fressen. Auch habe ich mich gefragt, ob sich „BFG“ ganz allein im Land der Riesen überhaupt wohlfühlen wird, wenn seine Artgenossen verschwunden sind?

Blubberwasser verursacht Furzelbäume

Kinder ab zwölf Jahren, die das Tempo vom neuesten Superheldenfilm gewohnt sind, können sich bei „BFG – Sophie & der Riese“ vielleicht schnell langweilen. Aber alle anderen Zuschauer werden sich dennoch von dem Märchen verzaubern lassen: Die Großen werden von der technischen Brillianz beeindruckt sein. Die Kleinen dürfen über die merkwürdige Sprache des Riesen und seine „Furzelbäume“ nach dem Genuss von „Blubberwasser“ lauthals lachen.

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Der Riese und Sophia werden beste Freunde

Parallel zur Spielberg-Verfilmung ist hierzulande übrigens auch die britische Zeichentrickadaption „The Big Friendly Giant – Sophie und der Riese“ von 1989 auf DVD erschienen.

Alle bei „Die Nacht der lebenden Texte“ berücksichtigten Filme von Steven Spielberg sind in unserer Rubrik Regisseure aufgelistet.

Veröffentlichung: 1. Dezember 2016 als 3D-Blu-ray, Blu-ray und DVD

Länge: 117 Min. (Blu-ray), 112 Min. (DVD)
Altersfreigabe: FSK freigegeben ohne Altersbeschränkung
Sprachfassungen: Deutsch, Englisch
Untertitel: Deutsch für Hörgeschädigte
Originaltitel: The BFG
USA/IND 2016
Regie: Steven Spielberg
Drehbuch: Melissa Mathison, nach dem Kinderbuch „Sophiechen und der Riese“ („The BFG“) von Roald Dahl
Besetzung: Ruby Barnhill, Mark Rylance, Penelope Wilton, Jemaine Clement, Rebecca Hall, Rafe Spall, Bill Hader
Zusatzmaterial: Wie BFG zum Leben erweckt wird (ca. 27 Min.), BFG und ich (ca. 2 Min), Riesensprache: Die wundervollen Wörter bei BFG (ca. 3 Min.), Die Charaktere der Reisen (ca. 5 Min.), Eine Hommage an Melisa Mathison (ca. 6 Min.), Originaltrailer in Deutsch und Engisch (je ca. 2 Min.)
Vertrieb: Constantin Film

Copyright 2017 by Andreas Eckenfels

Fotos, Packshot & Trailer: © 2016 Constantin Film

 
 

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