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Zum 65. Geburtstag von Jamie Lee Curtis: Blue Steel – Fesselnder Thriller mit starker Hauptdarstellerin

22 Nov

Blue Steel

Von Christoph Leo

Actionkrimi // Gleich an ihrem ersten Tag im Dienst als Polizistin in New York City erschießt Megan Turner (Jamie Lee Curtis) in einem Supermarkt einen bewaffneten Räuber (Tom Sizemore). Der zufällig anwesende Supermarktkunde Eugene Hunt (Ron Silver) nimmt unbemerkt die Waffe des Kriminellen an sich und heftet sich nun an die Fersen von Megan. Ein spannendes Psychoduell nimmt seinen Lauf.

Der Revolver

Nach einer kurzen Anfangssequenz vor dem Intro, die kurzzeitig aus der Ego-Perspektive aufgenommen ist und für einen kleinen Augenblick schon an die Eröffnungsszene aus dem späteren „Strange Days“ (1995) erinnert, startet „Blue Steel“ (1990) mit einem Intro, das dem Publikum einen Revolver zeigt. Dieses Intro ist gleichermaßen schlicht, aber von der Farbgebung interessant gestaltet und deutet bereits an, dass eine bestimmte Waffe hier eine große Rolle spielen wird. Nachdem die junge Polizistin Megan den Räuber erschossen hat, zweifeln ihre Vorgesetzten an ihrer Geschichte und werfen ihr vor, voreilig geschossen zu haben. Assistant Chief Stanley Hoyt (Kevin Dunn) suspendiert sie gar vom Dienst.

Da die Tatwaffe fehlt, kann Megan keine Argumente anbringen, weil sich auch der Kassierer des Supermarktes nicht mehr sicher ist, ob der Räuber eine Pistole in der Hand hielt. Hier habe ich mich gefragt, ob es keine Videoaufzeichnungen in dem Laden gibt und ob dort nicht auch weitere Zeugen waren. Generell wirkt es etwas unrealistisch, wie vor allem Megans Boss Stanley Hoyt in keiner Weise gewillt ist, seiner Untergebenen zu glauben und sie zu unterstützen. Auch der anfangs überheblich wirkende Detective Nick Mann (Clancy Brown) hinterfragt den Waffeneinsatz von Megan. Es ist dabei auch fraglich, wie sich ein Zeuge – der spätere Antagonist Eugene – einfach unbemerkt nach einem Überfall und Schusswaffengebrauch aus dem Supermarkt entfernen kann. Selbst als Zeuge sollten die Polizisten diesen am Boden des Supermarktes bemerkt haben und zur Befragung vor Ort oder auf dem Revier mitnehmen. Durch diese Unachtsamkeit kann sich Eugene davonmachen und nebenbei den Revolver des Räubers mitnehmen. Warum er so handelt, wird nicht vollends klar, kann meines Erachtens aber damit erklärt werden, dass Eugene schon immer oder eine lange Zeit Mordfantasien und Stimmen in seinem Kopf hatte und er nun die Gunst der Stunde nutzt, sich eine Schusswaffe anzueignen.

Megan bei ihrer Vereidigung

Mit dem Revolver beginnt Eugene nun eine Mordserie, ritzt zuvor sogar Megans Namen in die Patronen. Diese Taten werden nicht ausgewalzt. Nachdem Megan bedingt durch ihren Schusswaffengebrauch in den Innendienst versetzt wurde, trifft sie nach Feierabend auf Eugene, der sich mit ihr anfreundet und die beiden beginnen eine Beziehung. Eine Drehbuch-Entscheidung, die ich weniger nachvollziehen konnte. Ihre Freundin Tracy Perez (Elizabeth Peña) versucht bei einer Party, Megan mit ihrem Steuerberater zu verkuppeln. Und obwohl Megan anfangs kein Interesse hat, hatte ich das Gefühl, dass das Drehbuch uns sagen will, Megan brauche einen Mann in ihrem Leben. Eugene tritt anfänglich sympathisch auf und nichts deutet darauf hin, dass dieser ein psychopatischer Mörder ist, der in Megan eine im Geiste verbundene Person sieht. Megan, von ihren männlichen Vorgesetzten und Kollegen nicht ernst genommen, bleibt in ihrer Position standhaft und lässt sich durch die Suspendierung nicht unterkriegen. Jamie Lee Curtis kann im Gegensatz zu dem schwachen Drehbuch von „Blue Steel“ darstellerisch vollends brillieren und spielt Megan selbstbewusst und überzeugt vom Beruf als Polizistin, den sie gerade erst begonnen hat. Jamie Lee Curtis trägt den Film als Hauptdarstellerin.

Nicht nachvollziehbare Drehbuchentscheidungen

Ron Silver („Timecop“) spielt den Börsenmakler und Psychopaten Eugene, der meiner Meinung nach ebenfalls eine interessante Figur ist. Er kann sich in seinem Beruf an der Wall Street und gegenüber Megan völlig normal verhalten, sodass gegenüber anderen nichts auf seine mörderische Obsession hindeutet. In einer seltsamen Szene findet Megan es später doch heraus, als Eugene ihre Dienstwaffe ertastet und sie nun anweist, auf ihn zu zielen, genauso wie sie es im Supermarkt tat. Ich hatte ein bisschen das Gefühl, dass die Szene nur deshalb im Film gelandet ist, damit das Geschehen endlich auf die Konfrontation zwischen Megan und Eugene hinausläuft, und weniger aus einer logischen Handlungsabfolge erdacht wurde. Megan meldet den Vorfall und Eugene wird verhaftet. Zuvor gesteht er Megan, während des Überfalls in dem Supermarkt gewesen zu sein und den Revolver an sich genommen zu haben.

Nach der Verhaftung taucht Eugenes Anwalt Mel Dawson (Richard Jenkins) auf und fordert, sein Mandant sei umgehend freizulassen da es keine Beweise gebe. Eine ebenfalls fragliche Erzählweise, da Hunt immerhin gegenüber Megan den Diebstahl der Waffe und die Anwesenheit im Supermarkt zugegeben hatte. Megans Boss Stanley Hoyt knickt aber vor dem Anwalt ein und misst Megans Aussage kein Gewicht bei. Erneut sind es Männer, die Megans Glaubhaftigkeit in Frage stellen. Vermutlich wollte Regisseurin Kathryn Bigelow, die zusammen mit Eric Red auch das Drehbuch von „Blue Steel“ schrieb, einen Kommentar dazu abgeben, wie Männer in einem damals noch männerdominierten Berufsfeld die Rolle der Frau als Kollegin anzweifeln und deren Glaubhaftigkeit untergraben. Die Szenen mit Jamie Lee Curtis und ihren männlichen Gegenparts wie Kevin Dunn, Clancy Brown und Richard Jenkins sind dabei gut gespielt, da Jamie Lee Curtis sich als Megan stets zu behaupten versucht, am Ende aber aufgrund ihrer Position permanent den Kürzeren zieht. Immerhin Detective Nick Mann glaubt Megan beizeiten ihre Geschichte und will zusammen mit ihr gegen Eugene ermitteln.

Ein weiblicher „Hitcher – Der Highway-Killer“?

Den Trivia der Internet Movie Database zufolge hat Co-Drehbuchautor Eric Red geäußert, „Blue Steel“ sei eine weibliche Version von „Hitcher – Der Highway Killer“ (1986) – dessen Drehbuch hatte Red ebenfalls geschrieben. Ich zweifle etwas an dieser Aussage, weil davon am Ende nicht viel übrig geblieben ist. „Hitcher – Der Highway Killer“ liegt zwar in einigen Szenen extrem über dem logisch Machbaren, verfolgt aber eine spannende und gradlinige Thrillerhandlung, ohne immer wieder ärgerliche Drehbuchentscheidungen zu treffen, wie es in „Blue Steel“ der Fall ist (die eine oder andere lasse ich zwecks Spoilervermeidung unerwähnt). „Blue Steel“ hätte es meiner Meinung nach auch gutgetan, Megans Kampf in einem damals männerdominierten Beruf stärker herauszuarbeiten.

So hat sich Megan ihren ersten Tag im Dienst nicht vorgestellt

Das klingt alles relativ negativ und ich muss gestehen, dass ich das Drehbuch des Films als den großen Schwachpunkt des Actionkrimis ansehe. Das ist bedauerlich, da die Schauspielerinnen und Schauspieler – allen voran Jamie Lee Curtis – durchweg super spielen, die Prämisse sehr spannend ist und der Film sehr gut aussieht. Auch die Kameraarbeit ist hervorzuheben, besonders im erwähnten Intro oder im Finale finden sich einige interessanten Kamerafahrten und Einstellungen. Der Soundtrack von Brad Fiedel verhält sich eher unauffällig, unterstreicht das Geschehen in den richtigen Momenten aber mit bedrohlichen Klängen. Neben Jamie Lee Curtis liefert Ron Silver als beängstigender Psychopath eine klasse Leistung ab, auch Richard Jenkins als knallharter Rechtsanwalt bleibt im Gedächtnis. Mit einem logischeren Drehbuch hätte hier ein kleines Thriller-Meisterwerk herauskommen können. So finde ich „Blue Steel“ zwar spannend, gut gespielt und inszeniert, aber er hebt sich wenig aus dem Mittelmaß vergleichbarer Thriller wie zum Beispiel „Der Feind in meinem Bett“ (1991) mit Julia Roberts ab. Jamie Lee Curtis hingegen spielt herausragend und ich hätte sie gern in ähnlichen Rollen gesehen.

Jamie Lee Curtis

Jamie Lee Curtis wird am 22. November 1958 in Los Angeles als Tochter der Hollywoodlegenden Tony Curtis und Janet Leigh geboren. Janet Leigh kennen wir unter anderem aus Orson Welles’ „Im Zeichen des Bösen“ (1958) und Alfred Hitchcocks „Psycho“ (1960). Tony Curtis erlangte Berühmtheit durch Rollen in Richard Fleischers „Die Wikinger“ (1958) und Billy Wilders „Manche mögen’s heiß“ (1959).

Nach der Trennung der Eltern bleibt Jamie Lee Curtis bei ihrer Mutter. Sie beginnt ihre Karriere mit kleinen Rollen in Fernsehserien wie zum Beispiel 1977 in „Quincy“ (1976–1983) und „Columbo“ (1971–1978) sowie 1978 in „Drei Engel für Charlie“ (1976–1981). Bis dann die erste Hauptrolle als Laurie Strode in John Carpenters „Halloween – Die Nacht des Grauens“ (1978) Jamie Lee Curtis im Alter von knapp 20 Jahren unsterblich macht. Unter der Regie von John Carpenter spielt sie auch in „The Fog – Nebel des Grauens“ (1980). Es folgen weitere Rollen in Horrorfilmen wie „Prom Night – Die Nacht des Schlächters“ (1980) und „Monster im Nachtexpress“ (1980). 1981 tritt sie erneut als Laurie Strode in „Halloween 2 – Das Grauen kehrt zurück“ in Erscheinung. Bis 1983 folgen unter anderem Auftritte in Fernsehfilmen, bis Curtis 1983 die Prostituierte Ophelia in John Landis’ „Die Glücksritter“ spielt, was ihr einen BAFTA Award als beste Nebendarstellerin einbringt. Danach spielt sie bis 1988 überwiegend in Dramen mit und kann sich so von ihrem Horrorimage lösen. „Ein Fisch namens Wanda“ (1988) bringt ihr ihre erste Golden-Globe-Nominierung als beste Nebendarstellerin. Ihren ersten Golden Globe erhält Jamie Lee Curtis 1990 für die Serie „Alles außer Liebe“ (1989–1992), in der sie in allen 56 Episoden die Hauptfigur Hannah Miller verkörpert. James Camerons „True Lies – Wahre Lügen“ (1994) bringt ihr 1995 den zweiten Golden Globe (der fürs Heimkino lange Zeit schmerzlich vermisste Actionthriller ist für 2024 ja nun endlich in 4K-Restauration angekündigt). In den folgenden Jahren dreht Jamie Lee Curtis einige Komödien, bis sie 1998 zu ihren Ursprüngen zurückkehrt und in „Halloween H20 – 20 Jahre später“ erneut als Laurie Strode den Kampf gegen Michael Myers aufnimmt. 2002 folg ein erneuter kurzer Auftritt in „Halloween – Resurrection“.

Immer wieder „Halloween“

Nach weiteren Auftritten in Serien und Kinofilmen kommt es 2018 mit „Halloween“ zur Wiederbelebung des Michael-Myers-gegen-Laurie-Strode-Mythos. Der Film streicht auf einen Schlag alle Fortsetzungen des Ur-„Halloween“ aus dem Handlungsfaden des Franchises und dockt inhaltlich an eben diesen ersten Film an. Mit „Halloween Kills“ folgt 2021 die Fortsetzung, bis „Halloween Ends“ 2022 diese neue Trilogie abschließt (oder Quadrilogie, wenn man so will).

Ihren größten Erfolg verbucht Jamie Lee Curtis 2023 für die Science-Fiction Komödie „Everything Everywhere All at Once“ (2022) verbuchen, Für ihre Nebenrolle als Steuerfahnderin Deirdre Beaubeirdre gewinnt sie den Oscar als beste Nebendarstellerin. Egal ob in Filmen oder Serien, Jamie Lee Curtis ist immer sehenswert und manchmal auch grandios. Trotz ihrer Vielseitigkeit wird sie uns natürlich auch immer als eine der großartigsten Scream-Queens des Horrorgenres im Gedächtnis bleiben. Am 22. November 2023 wird sie 65 Jahre alt. Wir gratulieren und hoffen auf viele weitere interessante, lustige und spannende Rollen.

Alle bei „Die Nacht der lebenden Texte“ berücksichtigten Filme von Kathryn Bigelow haben wir in unserer Rubrik Regisseure aufgelistet, Filme mit Jamie Lee Curtis und Louise Fletcher unter Schauspielerinnen, Filme mit Clancy Brown, Kevin Dunn, Richard Jenkins und Tom Sizemore in der Rubrik Schauspieler.

Veröffentlichung: 6. Dezember 2018 als Blu-ray und DVD, 18. Oktober 2012 als Blu-ray, 3. September 2003 als DVD

Länge: 102 Min. (Blu-ray), 98 Min. (DVD)
Altersfreigabe: FSK 16
Sprachfassungen: Deutsch, Englisch
Untertitel: Deutsch
Originaltitel: Blue Steel
USA 1990
Regie: Kathryn Bigelow
Drehbuch: Kathryn Bigelow, Eric Red
Besetzung: Jamie Lee Curtis, Ron Silver, Clancy Brown, Elizabeth Peña, Louise Fletcher, Philip Bosco, Kevin Dunn, Richard Jenkins, Markus Flanagan, Mary Mara, Mike Hodge, Mike Starr, Tom Sizemore
Zusatzmaterial 2018: Originaltrailer, Trailershow, Wendecover
Zusatzmaterial Concorde: Originaltrailer, Trailershow, nur DVD: Bildergalerie, Police Special (Texttafeln), Besetzung/Stab (Texttafeln), Produktionsnotizen (Texttafeln), 4-seitiges Booklet, nur Blu-ray (da DVD ohne großes FSK-Siegel): Wendecover
Label/Vertrieb 2018: Studiocanal Home Entertainment
Label/Vertrieb 2012 & 2003: Concorde Home Video

Copyright 2023 by Christoph Leo

Szenenfotos & gruppierter Packshot: © 2018 Studiocanal Home Entertainment

 

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