Halloween Ends
Kinostart: 13. Oktober 2022
Horror // Ich, Jamie Lee Curtis, Königin des Schreckens, Tochter von Janet Leigh und Tony Curtis, Mutter von Lindsay Lohan, schwöre hiermit unter Androhung von Meineid, dass Halloween Ends (2022) der letzte Halloween-Film sein wird, in dem ich jemals auftreten werde.
44 Jahre nach ihrem Kinodebüt in John Carpenters „Halloween – Die Nacht des Grauens“ (1978), in welchem sie als Laurie Strode zu einer der ersten Scream Queens der Filmgeschichte zur Ikone aufstieg, unterzeichnete Jamie Lee Curtis in der Jimmy Kimmel Show diese nicht ganz ernst gemeinte Absichtserklärung – auch ohne ihren Anwalt zu konsultieren.
Mit dem dritten Teil der von Regisseur David Gordon Green inszenierten neuen Trilogie will sich Curtis von ihrer Filmfigur endgültig verabschieden. Vorher muss sie als Laurie Strode aber das letzte Gefecht gegen ihren Erzfeind Michael Myers ausfechten, auf das Fans seit „Halloween“ (2018) und „Halloween Kills“ (2021) sehnsüchtig gewartet haben. Wer wird das vermeintlich finale Aufeinandertreffen für sich entscheiden? Die Überlebensexpertin oder das ultimative Böse?
Trügerische Idylle in Haddonfield
Vier Jahre nach den schrecklichen Ereignissen der Halloween-Nacht, in der Michael Myers erneut sein blutiges Unwesen trieb, ist im Leben von Laurie Strode (Jamie Lee Curtis) überraschend so etwas wie Ruhe und Frieden eingekehrt. Sie wohnt gemeinsam mit ihrer Enkelin Allyson (Andi Matichak) in einem neuen Haus in Haddonfield und arbeitet an einem Buch, in dem sie ihre Erlebnisse verarbeitet. Von Michael Myers fehlt seit jener Nacht jede Spur. Ihre Angst vor dem maskierten Serienkiller, die sie jahrzehntelang begleitete, ist offenbar einer neuen Zuversicht gewichen, endlich ihr altes Leben hinter sich zu lassen.
Auch äußerlich macht Laurie eine bessere Figur als noch in der Vergangenheit. Ihre neue Frisur bemerkt Officer Frank Hawkins (Will Patton), den sie zufällig im Supermarkt trifft und mit dem sie einige freundliche Worte austauscht. Als sie an einer Tankstelle dem Außenseiter Corey Cunningham (Rohan Campbell) zu Hilfe eilt, der von einigen Halbstarken drangsaliert wird, kommt ihr die Idee, ihn mit Allyson zu verkuppeln. Der Plan gelingt: Auf einer Kostümparty in einer Bar kommen Allyson und Corey einander näher. Doch niemand ahnt, dass in dem schüchternen jungen Mann eine dunkle Macht schlummert.
Neue Figur macht unnötige Probleme
Nach einem stimmungsvollen und schockierenden Prolog (inklusive einer kleinen Hommage an John Carpenter), in dem die Zuschauer und Zuschauerinnen den tragischen Vorfall aus Coreys Vergangenheit erfahren, weshalb er von Haddonfields Einwohnern größtenteils wie Dreck behandelt, wird sowie einem kurzen „Was bisher geschah“-Zusammenschnitt präsentiert „Halloween Ends“ eine trügerische Idylle. Laurie und Allyson versuchen so gut es geht, ein nahezu normales und glückliches Leben ohne großen Groll zu führen, auch wenn besonders Laurie immer wieder daran erinnert wird, dass sie mitverantwortlich für all das Leid ist, dass die Stadt ertragen musste. Wunden können heilen, aber Narben bleiben überall zurück.
Neben einigen wiederkehrenden Charakteren wird Corey als neue Figur in der „Halloween“-Trilogie von David Gordon Green präsentiert – und der Regisseur und die übrigen Autoren haben sich dafür entschieden, dem eigentlich freundlichen, aber leicht gestörten 21-Jährigen die volle Aufmerksamkeit zu schenken. Fortan begleiten wir Rohan Campbell als Corey auf seinem dunklen Pfad, den ganzen Hass, der ihm entgegengeschlagen ist, in Wut umzuwandeln und blutige Taten folgen zu lassen. Aus dem angedachten Horrorschocker wird somit zunächst ein düsteres Psychodrama, das einen Großteil der Laufzeit einnimmt und in dem zu allem Überfluss Laurie, Allyson und auch Michael Myers nahezu zu Nebenfiguren degradiert werden.
Es handelt sich um einen radikalen erzählerischen Bruch mit den Regeln des Slasherfilms, dem man erst einmal schlucken muss. Natürlich verstehe ich Greens Intention, zu zeigen, dass das Böse unterschiedliche Formen annehmen kann. Aber wenn er seine „Halloween“-Vision vorab konzipiert hat, wovon bei so einem großen Projekt auszugehen ist, warum hat er nicht einfach in den zwei vorigen Teilen Corey mal aufkreuzen lassen, damit er dem Publikum wenigstens schon bekannt ist? Hätte es nicht einer komplett anderen Geschichte benötigt, die eben von einem Außenseiter handelt, der langsam zum Killer heranreift, statt diese Wandlung am Ende der aktuellen Trilogie zu beleuchten? Oder einfacher ausgedrückt: Warum soll ich mich für eine komplett neue Figur interessieren, wenn ich doch den Showdown zwischen Laurie und Michael Myers herbeisehne?
Schau mir in die Augen, Michael!
Apropos Michael Myers: Früh im Film kommt es zum ersten zufälligen Aufeinandertreffen zwischen ihm und Corey. Offenbar haben dem Killer die Wunden schwer zugesetzt, die ihm der Lynchmob in „Halloween Kills“ zugefügt hat: Michael Myers ist sichtlich geschwächt. Was er in den vergangenen vier Jahren getan hat, bleibt ein Mysterium, das nicht aufgeklärt wird. Hat er gemordet? Von was hat er sich ernährt? Hat er das Verstecken hinter Büschen und Bäumen geübt? Jedenfalls verschont er überraschenderweise Corey, nachdem er ihm tief in die dunklen Augen geschaut hat. Der Maskenmann scheint dabei eine tiefe Verbindung zu dem gepeinigten jungen Mann aufzubauen und das in Corey schlummernde böse Potenzial in irgendeiner Weise zu spüren. Oder rein spekulativ: Ist es eine übernatürliche Kraft, die er mit seinem Blick nun auf Corey übertragen hat? Vielleicht hat Michael Myers mit dieser Fähigkeit auch die Schüsse, Stiche und Hiebe nach seinem Amoklauf in „Halloween Kills“ überlebt? Was er im zweiten Teil ausgehalten hat, war ja übermenschlich.
Michael Myers dient fortan mehr als ein Mentor für Corey, der ihn bei seinen Morden unterstützt. Die meisten Taten werden durch Corey ausgeführt – auch eine Enttäuschung für Fans. Als Opfer sucht er sich dabei bevorzugt Menschen aus, die ihn drangsaliert oder ungerecht behandelt haben. Die Tötungsszenen sind auf gewohnt hohem Niveau – besonders den Radio-DJ trifft es hart –, aber den hohen Body Count von „Halloween Kills“ darf man diesmal nicht erwarten. Allerdings kümmert es diesmal auch nicht groß, wer das Zeitliche segnet, da die Ermordeten zum Großteil sowieso Unsympathen waren.
Fragwürdige Liebesbeziehung
Mit der erwähnten „Kraft“ wäre es auch zu erklären, dass Corey es überhaupt schafft, dass sich Allyson in ihn verliebt. Vielleicht wurde sie von ihm wie ein Vampir in Trance versetzt? Anders ist diese fragwürdige Liaison nicht zu erklären. Allyson geht von Anfang an bei ihren Avancen in die Offensive, obwohl die Krankenschwester (eine kleine Anspielung an „Halloween 2 – Das Grauen kehrt zurück“?) schon durch seine Wutausbrüche zeitig erkennen müsste, dass Corey eine Art Dr. Jekyll und Mr. Hyde verkörpert. Klar stoßen hier zwei verwandte Seelen aufeinander, die beide viel erleiden mussten. Aber auch andere Menschen haben in Haddonfield geliebte Familienmitglieder verloren und Grausames erlebt. Fast die ganze Stadt ist durch Michael Myers traumatisiert. Da muss sie sich ausgerechnet in diesen Typen Hals über Kopf verlieben?
Die Liebesgeschichte wirkt nicht gerade überzeugend, dient aber erzählerisch dazu, dass Allyson mit ihrer geliebten Großmutter bricht. Laurie erkennt bald, dass Corey nicht der bedauernswerte nette Kerl ist, den sie vor ein paar Jugendlichen schützen musste. Wie ein trotziger Teenager will Allyson von ihren Befürchtungen nichts wissen und plant nun doch, Haddonfield zu verlassen – was sie zu Beginn des Films noch komplett abgelehnt hatte. Ein schwerer Schlag für Laurie.
Durchwachsene Halloween-Stimmung
Die Filmmusik von John Carpenter sorgt wie immer für angenehmen Schauer, aber auch wenn die Handlung wenige Tage vor und am 31. Oktober 2022 stattfindet, kommt diesmal kaum Halloween-Stimmung auf. Zwar gibt es einige hübsche Kürbisköpfe zu bestaunen, aber die herbstliche Atmosphäre, die sonst unheilvoll mit dem heruntergefallenen Laub durch die Straßen von Haddonfield weht, wird diesmal nur sehr dezent eingesetzt.
Und nach dem recht langen Dramaabschnitt, in dem Rohan Campbell mit seinem griesgrämig aufgesetzten Gesichtsausdruck ein wenig an Hayden Christensen als Anakin Skywalker erinnert, und der unglaubwürdigen Lovestory kommt es nach einem kleinen Storytwist dann doch endlich zum großen Finale zwischen Laurie Strode und Michael Myers.
Laurie Strode vs. Michael Myers
Es gab schon einige Duelle zwischen Heldin und Antagonist: Nicht nur im Original-„Halloween“, bei dem man am Ende ein Unentschieden konstatieren kann, auch in „Halloween 2 – Das Grauen kehrt zurück“ (1981), „Halloween H20“ (1998), „Halloween – Resurrection“ (2002) und „Halloween“ (2018) trafen beide schon einmal mit unterschiedlichem Ausgang aufeinander.
Wie der Showdown diesmal ausgeht, wird natürlich nicht verraten. Nur so viel: Das fortgeschrittene Alter von Laurie Strode und Michael Myers wird durchaus in dem harten und kompromisslosen, wenn auch etwas kurzen Kampf eingebaut. Beide verfügen eben nicht mehr über die Kräfte und Reflexe, die sie noch vor 44 Jahren hatten.
Wann geht’s weiter?
Im Finale seines finalen Teils liefert David Gordon Green also dann wenigstens doch noch zufriedenstellend ab. „Halloween Ends“ kann dies aber auch nicht mehr großartig retten. Der Versuch, die Story ungewohnten Mustern folgen zu lassen, ist zwar aller Ehren wert, hätte aber besser in einem eigenständigen Film oder einem erneuten Reboot reingepasst und nicht innerhalb der Strode-Zeitlinie. Green hat mit seiner Trilogie zuvor großen Fanservice abgeliefert, da wirkt dieser Bruch völlig fehl am Platz. Ein enttäuschendes Ende.
Es ist davon auszugehen, dass Michael Myers wie jede Horrorikone wieder auf die Leinwand zurückkehren wird – mit oder ohne Laurie Strode, die dann wahrscheinlich wirklich nicht mehr von der mittlerweile 63-jährigen Jamie Lee Curtis verkörpert werden wird, die in allen Teilen mit voller Leidenschaft bei der Sache war. Man soll aber gerade im Horrorgenre niemals nie sagen. Das Franchise wird natürlich weiter gemolken werden. In sechs Jahren steht schließlich der 50. Geburtstag von Carpenters Klassiker an. Und wir Horrorfreunde werden einem nächsten und übernächsten Teil erneut entgegenfiebern.
Alle bei „Die Nacht der lebenden Texte“ berücksichtigten Filme von John Carpenter sind in unserer Rubrik Regisseure aufgelistet – auch Produktionsbeteiligungen. Filme mit Jamie Lee Curtis haben wir in unserer Rubrik Schauspielerinnen aufgeführt.
Länge: 111 Min.
Altersfreigabe: FSK 18
Originaltitel: Halloween Ends
USA 2022
Regie: David Gordon Green
Drehbuch: David Gordon Green, Danny McBride, Paul Brad Logan, Chris Bernier
Besetzung: Jamie Lee Curtis, Kyle Richards, Andi Matichak, Will Patton,Rohan Campbell, Candice Rose, Destiny Mone, Keraun Harris, Joey Harris, Jaxon Goldenberg, Marteen
Verleih: Universal Pictures Germany
Copyright 2022 by Andreas Eckenfels
Filmplakate & Szenenfotos: © 2022 Universal Pictures Germany