Raw Deal
Actionthriller // Mit Anthony Manns Film noir „Raw Deal“ (deutscher Titel: „Flucht ohne Ausweg“) von 1948 und dem gleichnamigen Australo-Western von 1977 hat „Der City-Hai“ (1986) außer dem Originaltitel nichts zu tun. Die 1986er-Regiearbeit von John Irvin („Hamburger Hill“) beruht auf einem Originaldrehbuch (und den an sich in fehlerhafter Schreibweise nicht enthaltenen Bindestrich füge ich „Der City-Hai“ hinzu). Mit dem Titel „Der City-Hai“ wollte der deutsche Verleih klar erkennbar auf den Erfolgszug von „Die City-Cobra“ (1986) mit Sylvester Stallone aufspringen (der im Original im Übrigen nur „Cobra“ betitelt ist).
Die Produktion der De Laurentiis Entertainment Group startet mit einem Massaker in einem „Safe House“ des FBI, das offenbar nicht so sicher war wie erhofft. Mafiakiller ermorden die FBI-Agenten, die dort zur Bewachung des Kronzeugen Marcellino (Mordecai Lawner) abgestellt sind, und richten diesen mit einem Kopfschuss hin (ein nachhaltig beeindruckender Einstieg, der die Messlatte für das folgende Geschehen allerdings zu hoch legt). Marcellino wollte gegen den Gangsterboss Luigi Patrovita (Sam Wanamaker) aussagen, der die Fäden der Mafia in Chicago in den Händen hält.
Inoffizieller Undercovereinsatz
Unter den Toten des FBI befindet sich auch Blair Shannon (Steve Holt), Sohn des FBI-Chefs Harry Shannon (Darren McGavin). Der trauernde Vater holt seinen besten Mann zurück aus dem Ruhestand: Mark Kaminski (Arnold Schwarzenegger), vor Jahren wegen rüder Methoden genötigt, freiwillig aus dem FBI auszuscheiden, oder einer Anklage entgegenzusehen. Kaminski lebt als Sheriff in einer Südstaaten-Kleinstadt, wo er und speziell seine dem Alkohol zuletzt stärker zusprechende Frau Amy (Blanche Baker) sich überhaupt nicht wohlfühlen, seit sie aus New York weggegangen sind. In einem nicht vom FBI gedeckten inoffiziellen Einsatz heuert Shannon Kaminski an, sich undercover in Patrovitas Familie einzuschleusen. Es gelingt ihm, sich von Patrovitas Mann fürs Grobe Paulo Rocca (Paul Shenar) anheuern zu lassen, obwohl dessen rechte Hand Max Keller (Robert Davi) dem Neuling mehr als argwöhnisch gegenübersteht.
Mit „Der City-Hai“ wollte Produzentenlegende Dino De Laurentiis einen Hit einfahren, um im Anschluss eine Herzensangelegenheit zu verwirklichen: die Verfilmung von Philip K. Dicks Kurzgeschichte „Erinnerungen en gros“. Daraus wurde aber nichts, weil der Actionthriller sein Budget von etwa zehn Millionen Dollar an den Kinokassen nicht einmal doppelt einspielte, was ihn nahezu als Flop dastehen ließ. Der Misserfolg trug zum Bankrott der Produktionsfirma De Laurentiis Entertainment Group bei, weshalb die Dick-Geschichte zu Carolco Pictures wechselte. Ein glücklicher Umstand, denn De Laurentiis wollte die Hauptrolle keineswegs an Arnold Schwarzenegger geben. Nun jedoch erhielt er sie unter dem Regisseur Paul Verhoeven. Der Rest ist Geschichte und trägt den Titel „Total Recall – Die totale Erinnerung“ (1990).
Die Frau vom Glücksspieltisch
Um „Der City-Hai“ zu genießen, ist es hilfreich, beide Augen über gewisse Unzulänglichkeiten der Story zuzudrücken. Wenn es wirklich so einfach wäre, sich ins organisierte Verbrechen einzuschleusen, wie das Kaminski praktiziert, wäre es schon längst bezwungen. Ein gut durchdachter Thriller-Plot sieht anders aus, also konzentrieren wir uns auf die Action und die Interaktionen. Und die machen Spaß, angefangen mit dem Macho-Geplänkel zwischen Kaminski und Max Keller und nicht endend mit Kaminskis Casino-Bekanntschaft Monique (Kathryn Harrold), die er schnell als Informantin durchschaut – sie mag den Kerl tatsächlich, lässt sich aber aufgrund ihrer Spielschulden von Keller anheuern, den Neuen auszuspionieren.
Auch die Action passt gut in die glorreichen 80er. Das Massaker zu Beginn setzt gleich eine gnadenlose Duftmarke, spätere Schießereien wissen ebenfalls zu gefallen. Nicht zu vergessen die Schlägereien, etwa wenn Kaminski eine illegale Spielhölle aufmischt oder ihm drei Ganoven in eine Boutique folgen, in der er gerade Monique Klamotten kaufen will.
Zu viel Dialog für Arnie
Arnie tut das, was er gut kann, und bisweilen auch das, was er nicht so gut kann. Das ist allerdings nicht ihm anzulasten, sondern Drehbuch und Regie, die ihm in einigen Szenen zu viel Dialog aufbürden. „Der City-Hai“ ist jedenfalls kein Film, in welchem Schwarzenegger erinnerungswürdige One-Liner hervorgebracht hat. Es war seinerzeit in den 80ern nicht angeraten, ihn lange Erklärungen zu sprechen zu geben, was beispielsweise in einem Gespräch zwischen den Kaminski-Eheleuten zu Beginn deutlich wird: Es dient dazu, dem Publikum zu berichten, was den FBI-Mann aus New York als Sheriff ins Hinterland verschlagen hat. Derlei Informationen per Dialogen zu vermitteln, ist dramaturgisch selten eine gute Idee, erst recht nicht, wenn man das von einem Actionstar erledigen lässt, der den Eindruck erweckt, emotionslos einen auswendig gelernten Text aufzusagen (was hier wohl auch der Wahrheit entspricht).
Es sei, wie es sei – als Actioner macht sich „Der City-Hai“ einigermaßen in Schwarzeneggers 80er-Filmografie, auch wenn er bei Weitem nicht an den Status von beispielsweise „Phantom-Kommando“ (1985), „Running Man“ (1987) und „Red Heat“ (1988) heranreicht – von den großen Klassikern „Conan – Der Barbar“ (1982), „Terminator“ (1984) und „Predator“ (1987) ganz zu schweigen. Speziell der Vergleich mit „Phantom Kommando“ drängt sich auf, der weitaus besser mit der Entscheidung fährt, den Storyanteil zugunsten der Action auf ein nötiges Minimum zu reduzieren. Gleichwohl macht auch „Der City-Hai“ Arnies Ruhm als Ein-Mann-Armee im so bleihaltigen wie blutigen Showdown alle Ehre. Einschränkend sei aber angeführt, dass sein Dasein als gnadenloser Einzelkämpfer tatsächlich erst in diesem Finale zum Tragen kommt und sich zuvor nicht recht angedeutet hat.
Keine Probleme mit der Zensur
Mit Zensurkürzungen immerhin hatte der Streifen nur in der VHS-Ära zu kämpfen, alle DVDs und Blu-rays sind ungeschnitten. Wer eine der älteren Editionen im Regal stehen hat, kann mit der Neuveröffentlichung von Studiocanal Home Entertainment qualitativ hinzugewinnen. Das Label hat den Film als 4K UHD, Blu-ray und DVD erneut in den Handel gebracht. Zur Sichtung lag mir die qualitativ überzeugende Blu-ray vor, wer den Schritt zu 4K gemacht hat, mag eine Schippe drauflegen.
Alle bei „Die Nacht der lebenden Texte“ berücksichtigten Filme von John Irvin haben wir in unserer Rubrik Regisseure aufgelistet, Filme mit Robert Davi, Ed Lauter und Arnold Schwarzenegger unter Schauspieler.
Veröffentlichung: 27. Oktober 2022 als UHD Blu-ray im Steelbook, Blu-ray und DVD, 29. August 2016 als Blu-ray in großer Hartbox (3 Covermotive à 150 Exemplare), 14. September 2015 als 2-Disc Edition Mediabook (Blu-ray & DVD, 3 Covermotive à 666, 333 und 222 Exemplare), 20. Mai 2010 als Blu-ray und DVD, 30. Juli 2007 als DVD im Steelbook, 28. März 2002 und 12. Juni 2001 als DVD
Länge: 106 Min. (Blu-ray), 101 Min. (DVD)
Altersfreigabe: FSK 16
Sprachfassungen: Deutsch, Englisch, Französisch
Untertitel: Deutsch, Englisch für Hörgeschädigte, Französisch
Originaltitel: Raw Deal
USA/NL 1986
Regie: John Irvin
Drehbuch: Gary DeVore, Norman Wexler
Besetzung: Arnold Schwarzenegger, Kathryn Harrold, Sam Wanamaker, Paul Shenar, Robert Davi, Ed Lauter, Darren McGavin, Joe Regalbuto, Steven Hill, Blanche Baker, Steve Holt, Mordecai Lawner
Zusatzmaterial 2022: „Arnold Schwarzenegger – Der Mann, der Hollywood auf den Arm nahm“ (16 Min.), „Raw Deal – Ein echter Gangsterfilm“ (9 Min.), deutscher Trailer, Originaltrailer, Wendecover
Label/Vertrieb 2022: Studiocanal Home Entertainment
Label/Vertrieb 2016 & 2015: ’84 Entertainment
Label/Vertrieb 2010 und früher: Kinowelt
Copyright 2022 by Volker Schönenberger
Szenenfotos & gruppierter Packshot: © 2022 Studiocanal Home Entertainment