RSS

Schlagwort-Archive: Kriegsdrama

The Sacrifice – Um jeden Preis: Erbitterter Kampf um eine Brücke

Jin Gang Chuan

Von Volker Schönenberger

Kriegsdrama // Drei Regisseure zeichnen für die chinesische Großproduktion „The Sacrifice – Um jeden Preis“ verantwortlich: Hu Guan („The 800“), Frant Gwo („Die wandernde Erde“) und Yang Lu („Brotherhood of Blades – Kaiserliche Assassins“). Das actionreiche Kriegsdrama erzählt in drei Episoden aus drei Perspektiven vom Kampf um eine strategisch wichtige Brücke gegen Ende des Koreakriegs, beginnend mit „Soldaten“, gefolgt von „Gegner“, gefolgt von „Schützen“. Ein Erzählstrang mit dem Titel „Brücke“ beendet das Geschehen. Leider war nicht herauszufinden, ob die drei Regisseure die Arbeit am gesamten Film gemeinsam bewältigt oder die drei Zeitschienen untereinander aufgeteilt haben und wie es sich in dem Falle mit der abschließenden Episode „Brücke“ verhält. Das Netz gibt keine Klärung dieser Frage her (begrenzte Recherchefähigkeit meinerseits nicht ausgeschlossen). So oder so wirkt der Film durchaus wie aus einem Guß, wenn man außer Acht lässt, dass sich das Segment „Gegner“ hauptsächlich in der Luft abspielt und die dort gezeigte Hauptfigur fast schon cartoonesk überzeichnet daherkommt.

Chinesen gegen Amerikaner

Die Handlung von „Soldaten“, „Gegner“ und „Schützen“ setzt gleichermaßen jeweils am Nachmittag des 12. Juli 1953 ein. Seit dem 10. Juni ist die Schlacht von Kumsong im Süden Nordkoreas im Gange. Soldaten der aus der chinesischen Volksbefreiungsarmee gebildeten Volksfreiwilligenarmee wollen eine Holzbrücke über den Bukhangang sichern. Sie wird von amerikanischen B-26-Bombern angegriffen und gerät anschließend unter schweren Beschuss von US-Haubitzen mit großer Reichweite. Den chinesischen Streitkräften gelingt es, mit ihren Katjuscha-Raketenwerfern die feindliche Artillerie auszuschalten. Auch Bomben mit Zeitzündern kommen zum Einsatz, und schließlich werfen B-29-Bomber Brandbomben über dem Gelände ab. Was die Amerikaner aus der Luft heraus zerstören, setzen die Chinesen am Boden wieder instand.

Die Soldaten wollen den Fluss erreichen …

Dem Vernehmen nach dauerte die Produktion inklusive Nachproduktion von Beginn der Dreharbeiten Anfang August 2020 bis zur Fertigstellung und Kinopremiere Ende Oktober desselben Jahres weniger als drei Monate. Eine stattliche Leistung, zumal der fertige Film nicht aussieht wie mit der heißen Nadel gestrickt. Vielleicht haben die drei Regisseure parallel gedreht und damit die kurze Produktionszeit ermöglicht. Die Schauwerte sind enorm und zählen zu den Pluspunkten von „The Sacrifice – Um jeden Preis“, auch wenn vielen Einstellungen die Herkunft aus dem Computer anzusehen ist. Die mit Explosionen gespickte Action fällt fulminant aus – beeindruckend, wie die Leuchtspuren der Flugzeugabwehrkanonen gen Himmel oder die der Flugzeuggeschütze in Richtung Boden ziehen.

Der rachsüchtige US-Pilot

Die Charakterzeichnung der Protagonisten und ihre Beziehungen untereinander gehen nicht gerade in die Tiefe. Da ist Guan Lei (Jing Wu, „Die wandernde Erde“), ein vormaliger Leutnant, nun zum Sergeant degradiert, weil er auf dem Schlachtfeld beim Rauchen erwischt wurde. Wir haben Zhang Fei (Yi Zhang, „Cliff Walkers“), einen Leutnant, der ein bis dato von Guan Lei bedientes Flugzeugabwehrgeschütz kommandiert und sich ein erbittertes Duell mit dem US-Piloten Andrew Hill (Vladimir Ershov) liefert. Hill trägt den Codenamen Warzenschwein und lässt sich von Rachegefühlen leiten, weil er gerade miterlebt hat, wie sein Flügelmann abgeschossen wurde. Er benimmt sich in seinem Cockpit wie die Axt im Walde, missachtet Befehle und ist ganz Cowboy und Revolverheld. Das macht ihn nicht zum Schurken, aber es fällt auf, wie stereotyp und überdreht die Figur skizziert ist – deutlich stärker als seine heldenhaften Gegner am Boden.

… und geraten unter schweren Beschuss

Die Idee, das Geschehen nacheinander aus drei Perspektiven zu zeigen, hat ihren Reiz, allerdings verpassen die Regisseure die Chance, der Story mit der zweimaligen Wiederholung der Ereignisse neue Erkenntnisse hinzuzufügen, die das Ganze in einem anderen Licht erscheinen lassen. Man denke nur an die Virtuosität, mit der Akira Kurosawa dies in „Rashomon – Das Lustwäldchen“ (1950) inszeniert hat (zugegeben eine enorm hohe Messlatte). In „The Sacrifice – Um jeden Preis“ wirken die drei Blickwinkel letztlich redundant und selbstzweckhaft. Den Gedanken, beide Seiten eines kriegerischen Konflikts zu zeigen, hat Clint Eastwood 2006 mit „Flags of Our Fathers“ und „Letters from Iwo Jima“ konsequenter umgesetzt.

Chinesische Helden

Viel Pathos gilt es hinzunehmen, gestützt auch durch den getragenen Streicherscore (es mögen auch Streicherklänge aus dem Synthie sein). Hier wird das Hohelied soldatischer Helden der Volksfreiwilligenarmee gesungen. „The Sacrifice – Um jeden Preis“ ist einiger grausiger Elemente zum Trotz alles andere als ein Antikriegsfilm. Hier werden Gliedmaßen abgetrennt, ein Kopf wird weggeschossen und ein direkter Treffer aus einem Flugzeuggeschütz zerfetzt einen chinesischen Soldaten in alle Windrichtungen. Die FSK vergibt bei solchen Brutalitäten in Kriegsfilmen mit ernsthaftem Anspruch seit „Der Soldat James Ryan“ (1998) ja gern mal FSK 16 selbst für ungeschnittene Fassungen, so auch in diesem Fall. Aber obwohl diese Szenen das Grauen des Krieges ungeschönt illustrieren, kommt zu keinem Zeitpunkt Antikriegsstimmung auf. Es ist eben dem Film zufolge ein guter und gerechter Kampf, den die chinesische Volksfreiwilligenarmee führt. Dass im Koreakrieg Nordkorea der ursprüngliche Aggressor war und die Volksrepublik China auch nicht unbedingt ein Mandat für ihr Eingreifen hatte, bleibt völlig außen vor (was an dieser Stelle keineswegs als Urteil über irgendeine Kriegsschuld am Koreakrieg zu verstehen sein soll, dafür ist das Thema zu komplex). Eine kritische Betrachtung des chinesischen Militäreinsatzes findet nicht statt, ist bei einer chinesischen Produktion auch nicht zu erwarten. Böse Zungen könnten nun anführen, die chinesische Filmindustrie nehme sich lediglich das oft arg bellizistische Kriegskino Hollywoods zum Vorbild. Das ist nicht von der Hand zu weisen.

An den Flugzeugabwehrgeschützen

Ganz finster wird die Heroisierung der chinesischen Streitkräfte am Ende der abschließenden Sequenz „Brücke“. Aus China kommen ja seit einiger Zeit vermehrt Kriegsdramen, die Heldenbilder zeichnen. Und da das chinesische Filmwesen zweifellos staatlicher Einflussnahme unterworfen ist, mag ein beängstigender Gedanke nicht abwegig sein: Nutzt die chinesische Führung ihre nationalen Filmproduktionen, um das eigene Volk auf eine etwaige militärische Auseinandersetzung mit den USA und Taiwan und die damit verbundenen Opfer einzuschwören? Vielleicht ein übertrieben verschwörerischer Gedanke.

Zu viel Heldentum

Visuell weiß „The Sacrifice – Um jeden Preis“ zu gefallen. Da geklotzt und nicht gekleckert wird, kommt eben schon etwas bei rum. Das Regisseurstrio verpasst aber die Gelegenheit, der Story mit den Perspektivwechseln mehr Tiefe zu geben. Dabei hat mir die dritte Episode „Schützen“ am besten gefallen, während „Gegner“ aufgrund der Überzeichnung des US-Piloten Hill am schwächsten ausfällt. „Soldaten“ liefert einen soliden Einstieg, „Brücke“ dafür einen mit viel zu viel Heldenpathos angereicherten Ausklang. Zum Klassiker des Kriegsfilmgenres wird sich „The Sacrifice – Um jeden Preis“ nicht entwickeln. Welche den Koreakrieg aufgreifenden Filme könnt Ihr empfehlen?

Warten auf die feindlichen Flieger

Veröffentlichung: 11. August 2022 als Blu-ray und DVD, 1. August 2022 als Video on Demand

Länge: 122 Min. (Blu-ray), 117 Min. (DVD)
Altersfreigabe: FSK 16
Sprachfassungen: Deutsch, Mandarin
Untertitel: Deutsch
Originaltitel: Jin Gang Chuan
CHN 2020
Regie: Hu Guan, Frant Gwo, Yang Lu
Drehbuch: Hu Guan, Rui Ge, Ningyu Zhao, Ke Zhang, Jing Yu, Gao Linyang
Besetzung: Yi Zhang, Jing Wu, Jiuxiao Li, Vision Wei, Chao Deng, Vladimir Ershov, Qiu Tian, Zhou Siyu, Hao Ou
Zusatzmaterial: Behind the Scenes (9:52 Min.), Musikvideo (4:12 Min.), Bildergalerie, Originaltrailer, Trailer, Wendecover
Label/Vertrieb: Plaion Pictures GmbH (vormals Koch Films)

Copyright 2022 by Volker Schönenberger

Szenenfotos & Doppel-Packshot: © 2022 Plaion Pictures GmbH

 
 

Schlagwörter: , , , , , , , , , , ,

Clint Eastwood (XXXIII): American Sniper – Ich bin nur ein Typ, der Tote macht

American Sniper

Von Tonio Klein

Kriegsdrama // Die halbwahre Biografie über den Kriegs„helden“ Chris Kyle als Propagandafilm, wie manche meinen? Dafür sind wir in den ersten 20 Minuten schlicht von zu vielen Kotzbrocken umgeben: etwa seinem Vater Wayne (Ben Reed), der dem Knirps Chris (Cole Konis) das Erschießen von Tieren beibringt und seine simple Weltsicht so holzschnittartig vorträgt (und mit dem Ledergürtel „unterstreicht“), dass das nicht ernsthaft unkritisch gemeint sein kann. Der junge Chris (nun Bradley Cooper) als Möchtegernmacho, seine Freundin als Flittchen, die er mit einem anderen im Bett erwischt … da sind die 1998er-Anschläge auf US-Botschaften eher nur der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt, sodass er sich sagt: Ich will kämpfen. Und wie das bei einem Eastwood-Protagonisten oft ist: Er tut es, und er gibt nicht auf, der „Mann, der tut, was er tun muss“. Was ihn auch wieder etwas sympathischer macht.

Der Krieg ist in Kyle, bevor Kyle im Krieg ist

Aber, vorsichtig gesagt, als Genie kommt er auch nicht gerade rüber. Die Phrasen, mit denen er seine Opferbereitschaft für sein Land bekundet, „weil es das beste der Welt ist“ (ja klar!) – sie wirken hohl, auswendig gelernt, eingebläut wie eben mit dem besagten Ledergürtel oder von irgendwelchen propagandistisch gewieften Offizieren/Politikern oder den hammerharten Drill Instructors. Wir lernen einen Mann näher kennen, der zwar seine spätere Frau Taya (Sienna Miller) recht sympathisch aufreißen kann – aber der im Grunde schon mit dem Krieg verheiratet ist, bevor er erstmals in ihn ziehen muss, pardon, aus seiner Sicht: darf.

Der Arm der Frau ist nichts gegen den des Krieges

„American Sniper“ ist meisterhaft darin, zu zeigen, wie der Krieg Kyles gesamtes Leben dominiert. Nicht nur schneidet er immer wieder unter Aufzeigung von Parallelen zwischen dem Irak und den USA hin und her (zum Beispiel dem Abgeben eines Schusses); auch gelingt ihm eine Verbindung auf akustischer Ebene, wenn Kyle beispielsweise mit der schwangeren Taya telefoniert und das Feuer ausbricht, sodass Taya es auch noch hören kann. Der Irakkrieg ist überall – aber nicht so, wie George W. Bush und Colin Powell das den US-Bürgern verkauft hatten!

„Bist du überhaupt hier?“

Heimkommen? „Du bist nicht HIER“, sagt Taya zu Chris beim ersten Heimaturlaub, Schnitt, zweiter Einsatz, „Willkommen DAHEIM“, sagt ein anderer Soldat. So ist das. Wie die „Rambo“-Reihe ohne die etwas blödsinnige Glorifizierung des Kämpfertums. Denn der Legendenruf nützt dem Killer nicht viel; am Ende gefährdet er damit sogar Kameraden, bis man in einer irren und irre metaphorischen Sandsturmszene total die Orientierung verloren hat. Auf unterschwellige Weise fragt „American Sniper“ durchaus, was die Amis da eigentlich sollen.

Fremdkörper im oder Teil des Chaos?

Man beachte in dieser Hinsicht auch, dass die Amis in zwei Fällen nicht hinbekommen, was sie eigentlich versprechen: die kooperationswilligen Iraker zu beschützen. Eastwood ist kein Zeigefinger-Filmer, er erzählt einfach nur Geschichten, und seit er ein etwas fortgesetztes Alter hat, scheint es ihm erfreulicherweise völlig am A**** vorbeizugehen, ob diese politisch opportun sind. „Ich bin nur ein Typ, der Filme macht“, das klingt nach etwas Koketterie im Understatement, wirkt aber im Angesicht seiner Filme aufrichtig.

Getriebener „Held“

Nun halt nur ein Typ, der Tote macht. Kein Held. Eher ein Mann, der nie gelernt hat, eigenständig zu denken. Wie schon in Eastwoods beeindruckendem „Mystic River“ (2003) die Schattenseiten eines „Tun, was man tun muss“. Kyle, ein Opfer seiner Erziehung und Sozialisation. Dabei muss ein Scharfschütze nicht nur gut schießen können, sondern viele Entscheidungen allein treffen, oft in Sekunden. Auffällig häufig sagt in diesem Film jemand direkt oder per Funk zu ihm: „Ihre Entscheidung!“

Der andere scheint abgelenkt, Kyle nicht

Dass Kyle meist intuitiv richtig liegt, heißt nicht, dass man nicht das Zögern des Fingers am Abzug und den tontechnisch herausgefilterten Atem deutlich bemerkt. Anders gesagt: Er hat bei seinen Entscheidungen anscheinend einfach Glück, und sie fallen ihm schwer. Dieselbe etwas naive Haltung und Intuition wie im Politisch-Militärischen hat er übrigens auch im Privaten: Woher er wisse, dass das erste Kind ein Junge werde? „Ich weiß es einfach.“ Und klar, Kinder, die geschlagen werden … So wird auch Kyle den Sohn Colton in für Deutschland abartig jungen Jahren (Aidan McGraw, später Max Charles) zum Tierekillen mit in den Wald nehmen, so wird der durchs Schießen Traumatisierte selbst Traumatisierten mit Schießen zu helfen versuchen. Dass dieser ewige Kreislauf keine gute Idee ist – nun ja, wer bis jetzt die Biografie Kyles in diesem Punkt noch nicht kennt, wird sehen, warum. Da muss man „American Sniper“ schon gegen Vorwürfe in Schutz nehmen, vielleicht sogar ein bisschen gegen die Tatsache, dass das Ende nun einmal der Realität entspricht. Würde es das aber nicht, dann hätte man es nicht besser erfinden können. Töten zahlt sich nicht aus.

Nur scheinbare Ruhe im Zivilleben

Eastwood ist, eigentlich in nahezu allen Filmen, auch in den inhaltlich schwächeren oder problematischen, ein wahnsinnig guter Geschichtenerzähler. Er hat nichts von seiner Kraft verloren, er hat insbesondere mit Bradley Cooper einen Darsteller, der das Ambivalente der Hauptfigur gut verkörpert. Und er findet nicht nur in den Parallelmontagen und parallelisierenden Szenenwechseln/Tonüberlappungen eine filmische Sprache für seine (unbewusste?) Botschaft von der Allmacht des Krieges und der viel tieferen Verwurzelung in einer typisch provinziell-amerikanischen Sozialisation. Er findet daneben adäquate Stilmittel für die Entwicklung des Krieges selbst. Beim ersten Einsatz geht es zwar auch schon zur Sache, aber im Verlauf werden die einzelnen Gewaltszenen in immer brutalerer Nähe gezeigt und wird der Krieg beileibe nicht nur per Blick durch das Zielfernrohr sichtbar (welcher aber gleichfalls wichtig ist: Wer zielt und schießt denn da? WIR!).

Kyles Blick kennt nur ein Ziel

Im letzten Einsatz haben wir nicht zuletzt stilistisch das größte Chaos: viel Gewalt, Handkamera, Nahaufnahmen, aber auch die größtmögliche Distanz zum enorm weit entfernten gegnerischen Sniper, die Topografie einer Einkesselung durch Luftaufnahmen aus großer Entfernung, und schließlich diese Flucht im Sandsturm, bis man fast gar nichts mehr erkennen kann. Und das soll, wie manche meinen, Kriegspropaganda sein?

Ein unterschätzter, aber nicht makelloser Film

Gut, hundertprozentig rund ist „American Sniper“ nicht. Das Werk hat in den nimmer enden wollenden Kampfszenen gewisse Längen und leistet sich im Abspann ein paar himmelschreiende Kitschmomente der Heldenverklärung (sogar Ennio Morricone konnte hier für ein Musikstück gewonnen werden; ansonsten komponierte Eastwood ein sparsam eingesetztes Thema selbst und findet man ein bisschen Score). Interessanterweise können wir aber den Rest des Abspanns auf eine Weise genießen, die man heute allzu oft vermissen muss: in kompletter Stille. Da kommt man noch einmal zu sich, und obwohl diese Stille natürlich eine ganz klare dramaturgische Bedeutung hat (nämlich zu einer Trauer passen soll), können wir noch einmal innehalten und feststellen: Das war insgesamt ein ganz schön guter Film. Die letzten Dinosaurier wie Eastwood (* 1930) und Woody Allen (* 1935) sind mittlerweile nicht mehr ganz so produktiv (zumal Allen zuletzt in Hollywood mal wieder zur Unperson deklariert wurde); ich hoffe auf weitere Regiearbeiten und renne in alles Neue von ihnen rein!

Die Braut des Soldaten, da hat Taya keine Chance

Anmerkung: Die sicherlich nicht rechtslastige „Deutsche Film- und Medienbewertung“ hat es erkannt und auf den Punkt gebracht: „… obwohl Eastwood in seiner Erzählung die Kriegsanstrengungen selbst nicht hinterfragt, zeigt er (…) klar auf, was der Krieg mit Menschen macht, wie er sie verändert und wie schwierig es ist, von der Front nach Hause zu kommen. Denn den Krieg nimmt jeder Soldat in seinem Kopf mit. Mit AMERICAN SNIPER ist Clint Eastwood ein fesselnder und meisterlich fotografierter Film über den Krieg gelungen, der nicht dafür und nicht dagegen ist. Sondern eindrucksvoll davon erzählt.“ Prädikat: besonders wertvoll. Dem füge ich nichts mehr hinzu.

USA oder Irak? Egal, Kyle in seiner Welt

Zur etwas kritischer mit dem Film ins Gericht gehenden Rezension des ehemaligen „Die Nacht der lebenden Texte“-Autors Simon Kyprianou geht’s hier. Alle bei „Die Nacht der lebenden Texte“ berücksichtigten Filme von oder mit Clint Eastwood haben wir in unserer Rubrik Regisseure aufgelistet, Filme mit Sienna Miller unter Schauspielerinnen, Filme mit Bradley Cooper in der Rubrik Schauspieler.

Gruppenbild mit Sniper

Veröffentlichung: 4. Mai 2016 als 2-Disc Special Edition Blu-ray, 25. Juni 2015 als Blu-ray im limitierten Steelbook, Blu-ray und DVD

Länge: 133 Min. (Blu-ray), 127 Min. (DVD)
Altersfreigabe: FSK 16
Sprachfassungen: Deutsch, Englisch u. a.
Untertitel: Deutsch, Englisch u. a.
Originaltitel: American Sniper
USA 2014
Regie: Clint Eastwood
Drehbuch: Jason Hall, nach einer Vorlage von Chris Kyle, Scott McEwen und James Defelice
Besetzung: Bradley Cooper, Sienna Miller, Kyle Gallner, Cole Konis, Ben Reed, Elise Robertson, Luke Sunshine, Troy Vincent, Brandon Salgado Telis, Keir O’Donnell
Zusatzmaterial: Die Geschichte eines Soldaten (31:04 Min.), Making-of (28:35 Min.), nur Special Edition: „Chris Kyle – Der Mann hinter der Legende“ (30:24 Min.), „Navy Seals – In Krieg und Frieden“ (29:51 Min.), „Die Schattenseiten des Heldentums“ (20:42 Min.), US-Kinotrailer (2:22 Min.)
Label/Vertrieb: Warner Home Video

Copyright 2022 by Tonio Klein
Szenenfotos & 3er-Packshot: © 2015 Warner Home Video

 
 

Schlagwörter: , , , , , , , ,

1917 – Im Westen was Neues

1917

Kinostart: 16. Januar 2020

Von Volker Schönenberger

Kriegsdrama // Die beiden Golden Globes für den besten Film in der Drama-Kategorie und Sam Mendes als Regisseur sind schon Hausnummern. Am 9. Februar kann „1917“ bei der Oscarverleihung mit satten zehn Nominierungen noch einen drauflegen und am Ende sogar Quentin Tarantino in die Suppe spucken: Der Gute hat zwar bereits zwei Academy Awards zu Hause, jedoch lediglich für die Drehbücher von „Pulp Fiction“ und „Django Unchained“. Das ist zwar aller Ehren wert, aber Tarantino schielt natürlich auf die Oscars für die beste Regie und den besten Film, hat „Once Upon a Time in Hollywood“ doch immerhin den Golden Globe als bester Film in der Kategorie Musical/Komödie abgeräumt. Ein heißes Rennen deutet sich also an. Und wer weiß, ob nicht noch einer der anderen Filme und Regisseure zum lachenden Dritten wird? Mendes hat den Regie-Oscar immerhin schon 2000 für „American Beauty“ erhalten, der ihm zuvor auch seinen ersten Golden Globe beschert hatte.

General Erinmore hat ein Himmelfahrtskommando zu vergeben

Bei dem Erster-Weltkriegs-Drama „1917“ handelt es sich um einen sogenannten One-Take-Movie, also einen Film, der den Eindruck erweckt, in einem Take ohne Schnitte gedreht worden zu sein. Dabei bedient sich Kameramann Roger Deakins bisweilen eines Tricks, den auch Alfred Hitchcocks Kameraleute 1948 für „Cocktail für eine Leiche“ („Rope“) angewandt hatten: eine kurze stockdunkle Einstellung. Bei Hitchcock war es beispielsweise der Rücken eines Mannes im dunklen Anzug, auf den die Kamera zielte, um aufzuzoomen, bis der gesamte Bildschirm dunkel war. Dann ein unsichtbarer Schnitt, die Kamera zoomt ab und die Handlung setzt sich fort. In „1917“ hat diese Funktion beispielsweise ein lichtloser Bunkerraum in einer der Schützengraben-Anlagen, den die Protagonisten durchschreiten. Zuständig für den Schnitt war übrigens Christopher Nolans Stamm-Cutter Lee Smith, 2018 für Nolans „Dunkirk“ mit dem Oscar für den Schnitt prämiert. Für „1917“ ist er allerdings nicht nominiert worden – vielleicht waren es der Academy einfach zu wenige Schnitte, um Smiths Arbeit als preiswürdig zu erachten.

Zweiter Oscar für Kameramann Roger Deakins?

So oder so sehe ich „1917“ als Oscar-Favoriten in der Kategorie Kamera. Inklusive „1917“ hat Roger Deakins es auf satte 15 Oscar-Nominierungen gebracht, beginnend 1995 für „Die Verurteilten“ („The Shawshank Redemption“). Doch der Stamm-Kameramann der Coen-Brüder erhielt den Academy Award erst 2018 für seine Arbeit an „Blade Runner 2049“. Nun winkt der zweite Oscar, und verdient wäre er allemal. Wenn die Kamera den beiden Lance Corporals Blake (Dean-Charles Chapman) und Schofield (George MacKay) gleich zu Beginn durch eine mit Soldaten gefüllte Schützengraben-Anlage folgt, mal hinter den beiden herschwebt, sie dann überholt und von vorn zeigt, während hinter ihnen die Soldatenmassen zu sehen sind, durch die der Kameramann eben noch hindurchgeschritten sein muss, ahnt man, welcher logistische Aufwand und welches Auge für die richtige Einstellung dahinterstecken.

Der deutsche Rückzug – ein Hinterhalt

Deakins’ Kamera hat meist die beiden Protagonisten Blake und Schofield im Fokus, die im Frühjahr 1917 an der Westfront im umkämpften Nordfrankreich zu einer lebensgefährlichen Mission abkommandiert werden: Deutsche Truppen haben sich zur sogenannten Siegfriedstellung (Hindenburg Line) zurückgezogen. In Erwartung eines leichten Siegs bereitet sich ein britisches Regiment auf die Erstürmung dieser Linie vor, doch alliierte Aufklärer haben herausgefunden, dass die Deutschen die feindliche Attacke mit ihrem Rückzug provozieren wollen und bis an die Zähne bewaffnet nur darauf warten. Dem britischen Regiment droht eine vernichtende Niederlage, der Angriff muss abgeblasen werden. Doch weil die Kommunikationskanäle unterbrochen sind, müssen Kuriere die Nachricht zu Fuß überbringen – und da kommen Blake und Schofield ins Spiel. Die Zeit drängt, sie brechen umgehend auf. Ein Fußmarsch durch Tod und Verwüstung erwartet das Duo.

Also ziehen Blake (l.) und Schofield los

Zu Beginn ganz ohne kriegerische Handlungen und Gefechte auskommend, gelingt Sam Mendes schon mit den ersten Schritten der beiden Soldaten aus dem Schützengraben hinein ins Niemandsland zwischen den britischen und deutschen Linien eine heftige Antikriegsbotschaft. Blake und Schofield robben sich durch den Schlamm, versuchen Krater zur Deckung zu nutzen, in denen tote Soldaten in den Pfützen vor sich hin verwesen. Zur Orientierung ihres Wegs hat man sie auf einen Leichnam hingewiesen, der sich im Draht verfangen hat und an dem sie sich vorbeizwängen müssen. Das sind intensive Bilder, die die ganze Sinnlosigkeit des Krieges offenbaren.

Tod im Schützengraben

Verweise auf die Grabenkämpfe des Ersten Weltkriegs eignen sich ohnehin vorzüglich für Antikriegsappelle, waren sie doch geprägt von unter ungeheuren Opfern erzielten Raumgewinnen, die für den Ausgang des Krieges völlig bedeutungslos gerieten. Beim nächsten Gegenangriff musste man sich oft wieder zurückziehen. Nicht umsonst zählt Erich Maria Remarques „Im Westen nichts Neues“ zu den großen Antikriegsromanen, Lewis Milestones 1930er-Verfilmung zu den besten Antikriegsfilmen überhaupt, und auch Delbert Manns fürs Fernsehen gedrehte zweite Adaption hat Format. Als großer Antikriegsfilm mit dem Sujet des Grabenkriegs im Ersten Weltkrieg sei auch die deutsche Produktion „Westfront 1918 – Vier von der Infanterie“ (1930) von Georg Wilhelm Pabst genannt, und Stanley Kubricks „Wege zum Ruhm“ von 1957 gehört ebenfalls in diese Aufzählung.

Durch verlassene Stellungen der Deutschen

Wird „1917“ dereinst in einem Antikriegs-Atemzug mit diesen Werken genannt werden? Die Zeit wird es zeigen, ich halte es jedenfalls für möglich, da Sam Mendes die Sinnlosigkeit des Kriegsgetümmels und die Narben, die es bei den Menschen und in den Landschaften hinterlässt, vortrefflich visualisiert. Die Set- und Produktionsdesigner haben ganze Arbeit geleistet, ob in den Schützengräben, dem zerbombten Schlachtfeld oder einer in Stücke geschossenenen Ortschaft, die es zu durchqueren gilt – ein rabenschwarzer Trip, der die Eingeweide zusammenziehen lässt. Nicht umsonst fällt die bisherige Rezeption durch Filmkritik und Publikum gleichermaßen hervorragend aus, und dem schließe ich mich vorbehaltlos an.

Kann Captain Smith helfen?

Regisseur Sam Mendes und seine Ko-Drehbuchautorin Krysty Wilson-Cairns ließen sich von ihrem jeweiligen Großvater zu „1917“ inspirieren, wie beide im Interview bekundeten. Mendes’ Großvater zog 1916 mit 17 Jahren in den Krieg und kämpfte bis zum Ende, der von Wilson-Cairns weckte bei seiner Enkelin das Interesse an historischen Ereignissen. Mendes begründete seine Entscheidung, einen One-Shot-Movie zu drehen, damit, dass das Publikum zu Beginn ohne jegliche Exposition auf die beiden Protagonisten treffe und sie somit nicht wirklich kennenlerne. Die One-Shot-Technik erlaube es den Zuschauern, mit den beiden zu leben und jeden ihrer Atemzüge mit ihnen zu atmen, die Uhr herunterticken zu sehen. Bei der Bewertung als One-Shot-Movie kann hintangestellt bleiben, dass „1917“ keineswegs in Echtzeit spielt, wie es genau genommen sein sollte. Dann würde die Handlung zwei Stunden dauern – so lang ist der Film. Die Mission der beiden Protagonisten beginnt allerdings bei Tageslicht und dauert über die Nacht hinaus bis zum nächsten Tag. Da wollen wir mal nicht so sein. Wie die im Film nicht zu sehenden Stunden überbrückt werden, will ich nicht ausführen, man könnte es als Spoiler sehen. Es handelt sich somit nicht um einen „echten“ One-Shot-Film wie beispielsweise den deutschen Thriller „Victoria“ (2015), der tatsächlich in einem einzigen Take gedreht wurde, das ändert aber nichts an der Brillanz der technischen Umsetzung. Kameramann Roger Deakins wollte im Interview nicht verraten, wie viele Schnitte genau in „1917“ enthalten sind.

Minirollen für arrivierte Stars

Wenn Sam Mendes ruft, begnügen sich auch namhafte Akteure mit Minirollen: So sehen wir Oscar-Preisträger Colin Firth („The King’s Speech – Die Rede des Königs“) zu Beginn als General Erinmore, der die beiden Lance Corporals auf das Himmelfahrtskommando schickt. Mark Strong („Kingsman – The Secret Service“) ist als Captain Smith zu sehen, der den Weg der beiden Kuriere kreuzt. Benedict Cumberbatch („Doctor Strange“) schließlich tritt als Colonel MacKenzie in Erscheinung, dem die beiden Lance Corporals die Botschaft überbringen sollen, die ihn von der Attacke abhält.

Ein zerschossener Ort ist zu durchqueren

Zuletzt hatte 2010 ein Kriegsfilm die Oscars als bester Film und für die beste Regie abgeräumt: „Tödliches Kommando – The Hurt Locker“ von Kathryn Bigelow. Auch das nach einer längeren Pause – 1999 war Steven Spielberg als bester Regisseur für „Der Soldat James Ryan“ prämiert worden (als bester Film wurde in jenem Jahr „Shakespeare in Love“ geehrt). Es wäre also gar nicht mal inflationär, würden die Academy Awards für den besten Film und die beste Regie 2020 an „1917“ gehen. Verdient wäre das auf jeden Fall, aber das mag auch für die Mitbewerber gelten. Um der Chronistenpflicht Genüge zu tun, seien hier alle zehn Nominierungen genannt: Sam Mendes’ Werk hat Aussichten auf die Oscars als bester Film, für die beste Regie und die Kamera, dazu fürs beste Originaldrehbuch, Make-up/Hairstyling, Produktionsdesign, für die beste Musik, die besten visuellen Effekte, die Tonmischung und den Tonschnitt. Unabhängig davon, wie viele es am 9. Februar werden, hat sich „1917“ einen Status als großes Kriegsdrama und womöglich gar Antikriegsfilm redlich erarbeitet. Meisterhaft!

Immer wieder Leichen

Alle bei „Die Nacht der lebenden Texte“ berücksichtigten Filme mit Benedict Cumberbatch, Colin Firth und Mark Strong haben wir in unserer Rubrik Schauspieler aufgelistet.

Wird die Botschaft Colonel MacKenzie rechtzeitig erreichen?

Länge: 119 Min.
Altersfreigabe: FSK 12
Originaltitel: 1917
GB/USA 2019
Regie: Sam Mendes
Drehbuch: Sam Mendes, Krysty Wilson-Cairns
Besetzung: George MacKay, Dean-Charles Chapman, Mark Strong, Andrew Scott, Richard Madden, Claire Duburcq, Colin Firth, Benedict Cumberbatch
Verleih: Universal Pictures Germany GmbH

Copyright 2020 by Volker Schönenberger

Filmplakat, Szenenfotos & Trailer: © 2019 Universal Pictures and Storyteller Distribution Co., LLC. All rights reserved.

 

Schlagwörter: , , , , , , , , , , , ,