Jin Gang Chuan
Kriegsdrama // Drei Regisseure zeichnen für die chinesische Großproduktion „The Sacrifice – Um jeden Preis“ verantwortlich: Hu Guan („The 800“), Frant Gwo („Die wandernde Erde“) und Yang Lu („Brotherhood of Blades – Kaiserliche Assassins“). Das actionreiche Kriegsdrama erzählt in drei Episoden aus drei Perspektiven vom Kampf um eine strategisch wichtige Brücke gegen Ende des Koreakriegs, beginnend mit „Soldaten“, gefolgt von „Gegner“, gefolgt von „Schützen“. Ein Erzählstrang mit dem Titel „Brücke“ beendet das Geschehen. Leider war nicht herauszufinden, ob die drei Regisseure die Arbeit am gesamten Film gemeinsam bewältigt oder die drei Zeitschienen untereinander aufgeteilt haben und wie es sich in dem Falle mit der abschließenden Episode „Brücke“ verhält. Das Netz gibt keine Klärung dieser Frage her (begrenzte Recherchefähigkeit meinerseits nicht ausgeschlossen). So oder so wirkt der Film durchaus wie aus einem Guß, wenn man außer Acht lässt, dass sich das Segment „Gegner“ hauptsächlich in der Luft abspielt und die dort gezeigte Hauptfigur fast schon cartoonesk überzeichnet daherkommt.
Chinesen gegen Amerikaner
Die Handlung von „Soldaten“, „Gegner“ und „Schützen“ setzt gleichermaßen jeweils am Nachmittag des 12. Juli 1953 ein. Seit dem 10. Juni ist die Schlacht von Kumsong im Süden Nordkoreas im Gange. Soldaten der aus der chinesischen Volksbefreiungsarmee gebildeten Volksfreiwilligenarmee wollen eine Holzbrücke über den Bukhangang sichern. Sie wird von amerikanischen B-26-Bombern angegriffen und gerät anschließend unter schweren Beschuss von US-Haubitzen mit großer Reichweite. Den chinesischen Streitkräften gelingt es, mit ihren Katjuscha-Raketenwerfern die feindliche Artillerie auszuschalten. Auch Bomben mit Zeitzündern kommen zum Einsatz, und schließlich werfen B-29-Bomber Brandbomben über dem Gelände ab. Was die Amerikaner aus der Luft heraus zerstören, setzen die Chinesen am Boden wieder instand.
Dem Vernehmen nach dauerte die Produktion inklusive Nachproduktion von Beginn der Dreharbeiten Anfang August 2020 bis zur Fertigstellung und Kinopremiere Ende Oktober desselben Jahres weniger als drei Monate. Eine stattliche Leistung, zumal der fertige Film nicht aussieht wie mit der heißen Nadel gestrickt. Vielleicht haben die drei Regisseure parallel gedreht und damit die kurze Produktionszeit ermöglicht. Die Schauwerte sind enorm und zählen zu den Pluspunkten von „The Sacrifice – Um jeden Preis“, auch wenn vielen Einstellungen die Herkunft aus dem Computer anzusehen ist. Die mit Explosionen gespickte Action fällt fulminant aus – beeindruckend, wie die Leuchtspuren der Flugzeugabwehrkanonen gen Himmel oder die der Flugzeuggeschütze in Richtung Boden ziehen.
Der rachsüchtige US-Pilot
Die Charakterzeichnung der Protagonisten und ihre Beziehungen untereinander gehen nicht gerade in die Tiefe. Da ist Guan Lei (Jing Wu, „Die wandernde Erde“), ein vormaliger Leutnant, nun zum Sergeant degradiert, weil er auf dem Schlachtfeld beim Rauchen erwischt wurde. Wir haben Zhang Fei (Yi Zhang, „Cliff Walkers“), einen Leutnant, der ein bis dato von Guan Lei bedientes Flugzeugabwehrgeschütz kommandiert und sich ein erbittertes Duell mit dem US-Piloten Andrew Hill (Vladimir Ershov) liefert. Hill trägt den Codenamen Warzenschwein und lässt sich von Rachegefühlen leiten, weil er gerade miterlebt hat, wie sein Flügelmann abgeschossen wurde. Er benimmt sich in seinem Cockpit wie die Axt im Walde, missachtet Befehle und ist ganz Cowboy und Revolverheld. Das macht ihn nicht zum Schurken, aber es fällt auf, wie stereotyp und überdreht die Figur skizziert ist – deutlich stärker als seine heldenhaften Gegner am Boden.
Die Idee, das Geschehen nacheinander aus drei Perspektiven zu zeigen, hat ihren Reiz, allerdings verpassen die Regisseure die Chance, der Story mit der zweimaligen Wiederholung der Ereignisse neue Erkenntnisse hinzuzufügen, die das Ganze in einem anderen Licht erscheinen lassen. Man denke nur an die Virtuosität, mit der Akira Kurosawa dies in „Rashomon – Das Lustwäldchen“ (1950) inszeniert hat (zugegeben eine enorm hohe Messlatte). In „The Sacrifice – Um jeden Preis“ wirken die drei Blickwinkel letztlich redundant und selbstzweckhaft. Den Gedanken, beide Seiten eines kriegerischen Konflikts zu zeigen, hat Clint Eastwood 2006 mit „Flags of Our Fathers“ und „Letters from Iwo Jima“ konsequenter umgesetzt.
Chinesische Helden
Viel Pathos gilt es hinzunehmen, gestützt auch durch den getragenen Streicherscore (es mögen auch Streicherklänge aus dem Synthie sein). Hier wird das Hohelied soldatischer Helden der Volksfreiwilligenarmee gesungen. „The Sacrifice – Um jeden Preis“ ist einiger grausiger Elemente zum Trotz alles andere als ein Antikriegsfilm. Hier werden Gliedmaßen abgetrennt, ein Kopf wird weggeschossen und ein direkter Treffer aus einem Flugzeuggeschütz zerfetzt einen chinesischen Soldaten in alle Windrichtungen. Die FSK vergibt bei solchen Brutalitäten in Kriegsfilmen mit ernsthaftem Anspruch seit „Der Soldat James Ryan“ (1998) ja gern mal FSK 16 selbst für ungeschnittene Fassungen, so auch in diesem Fall. Aber obwohl diese Szenen das Grauen des Krieges ungeschönt illustrieren, kommt zu keinem Zeitpunkt Antikriegsstimmung auf. Es ist eben dem Film zufolge ein guter und gerechter Kampf, den die chinesische Volksfreiwilligenarmee führt. Dass im Koreakrieg Nordkorea der ursprüngliche Aggressor war und die Volksrepublik China auch nicht unbedingt ein Mandat für ihr Eingreifen hatte, bleibt völlig außen vor (was an dieser Stelle keineswegs als Urteil über irgendeine Kriegsschuld am Koreakrieg zu verstehen sein soll, dafür ist das Thema zu komplex). Eine kritische Betrachtung des chinesischen Militäreinsatzes findet nicht statt, ist bei einer chinesischen Produktion auch nicht zu erwarten. Böse Zungen könnten nun anführen, die chinesische Filmindustrie nehme sich lediglich das oft arg bellizistische Kriegskino Hollywoods zum Vorbild. Das ist nicht von der Hand zu weisen.
Ganz finster wird die Heroisierung der chinesischen Streitkräfte am Ende der abschließenden Sequenz „Brücke“. Aus China kommen ja seit einiger Zeit vermehrt Kriegsdramen, die Heldenbilder zeichnen. Und da das chinesische Filmwesen zweifellos staatlicher Einflussnahme unterworfen ist, mag ein beängstigender Gedanke nicht abwegig sein: Nutzt die chinesische Führung ihre nationalen Filmproduktionen, um das eigene Volk auf eine etwaige militärische Auseinandersetzung mit den USA und Taiwan und die damit verbundenen Opfer einzuschwören? Vielleicht ein übertrieben verschwörerischer Gedanke.
Zu viel Heldentum
Visuell weiß „The Sacrifice – Um jeden Preis“ zu gefallen. Da geklotzt und nicht gekleckert wird, kommt eben schon etwas bei rum. Das Regisseurstrio verpasst aber die Gelegenheit, der Story mit den Perspektivwechseln mehr Tiefe zu geben. Dabei hat mir die dritte Episode „Schützen“ am besten gefallen, während „Gegner“ aufgrund der Überzeichnung des US-Piloten Hill am schwächsten ausfällt. „Soldaten“ liefert einen soliden Einstieg, „Brücke“ dafür einen mit viel zu viel Heldenpathos angereicherten Ausklang. Zum Klassiker des Kriegsfilmgenres wird sich „The Sacrifice – Um jeden Preis“ nicht entwickeln. Welche den Koreakrieg aufgreifenden Filme könnt Ihr empfehlen?
Veröffentlichung: 11. August 2022 als Blu-ray und DVD, 1. August 2022 als Video on Demand
Länge: 122 Min. (Blu-ray), 117 Min. (DVD)
Altersfreigabe: FSK 16
Sprachfassungen: Deutsch, Mandarin
Untertitel: Deutsch
Originaltitel: Jin Gang Chuan
CHN 2020
Regie: Hu Guan, Frant Gwo, Yang Lu
Drehbuch: Hu Guan, Rui Ge, Ningyu Zhao, Ke Zhang, Jing Yu, Gao Linyang
Besetzung: Yi Zhang, Jing Wu, Jiuxiao Li, Vision Wei, Chao Deng, Vladimir Ershov, Qiu Tian, Zhou Siyu, Hao Ou
Zusatzmaterial: Behind the Scenes (9:52 Min.), Musikvideo (4:12 Min.), Bildergalerie, Originaltrailer, Trailer, Wendecover
Label/Vertrieb: Plaion Pictures GmbH (vormals Koch Films)
Copyright 2022 by Volker Schönenberger
Szenenfotos & Doppel-Packshot: © 2022 Plaion Pictures GmbH