Ant-Man and the Wasp
Kinostart: 26. Juli 2018
Von Lutz R. Bierend
Fantasy-Action // Zugegeben: „Ant-Man“ war nie ein Comic, dessen Verfilmung ich entgegengefiebert habe. Zwar versprachen die heutigen technischen Möglichkeiten einige authentischere Einblicke in das Leben als ameisengroßes Wesen, als dies bei einem Klassiker wie Jack Arnolds „Die unglaubliche Geschichte des Mr. C“ 1957 realisierbar war, aber allein von Effekten kann heutzutage an sich kein Film mehr leben. Auch „Das große Krabbeln“ von Pixar musste mehr abliefern als lediglich eine Optik, die wirklich das Gefühl vermittelte, mit millimetergroßen Kameras aufgenommen worden zu sein.
Superheld mit Unterhaltspflicht
Trotzdem überraschte „Ant-Man“ 2015 auf angenehme Weise. Nicht nur vermittelte dessen erster Schrumpfgang in der heimischen Dusche vor allem in 3D wirklich das Gefühl, wie bedrohlich eine laufende Dusche in dieser Größe sein kann, auch erzählte er für einen Marvel-Film eine relativ unaufgeregte Geschichte von einem verantwortungslosen Mann, der ein verantwortungsvoller Vater sein möchte, was sich ebenfalls in der Beziehung zwischen dem von Michael Douglas gespielten Henry Pym zu seiner Tochter Hope (Evangeline Lilly) widerspiegelte. Und auch wenn man die Wandlung vom Saulus zum fürsorglichen Familienvater inzwischen aus jedem zweiten Roland-Emmerich-Film kennt, war dies im Marvel Cinematic Universe ein Novum. Welcher Superheld hatte schon ein Kind und musste sich mit Problemen wie Umgang und Unterhaltszahlungen beschäftigen?
Auch wenn im ersten Teil bei der Verhinderung der kommerziellen kriegerischen Nutzung des Schrumpfvorgangs im weiteren Sinne die Welt gerettet wurde, passierte dies auf einer sprichwörtlich kleinen Bühne. Ohne gigantische Monster, Aliens oder andere übermächtige Superschurken, die zurück ins Weltall geschossen werden mussten. Das verlieh dem ersten Teil eine gewisse Originallität. Auch war das Marvel Cinematic Universe eher eine Randerscheinung, die gerade mal ins Spiel kam, als der von Paul Rudd verkörperte Scott Lang alias Ant-Man in ein streng geheimes Avengers-Gebäude einbrechen und dabei den Falcon überwinden muss. Doch seit „The First Avenger – Civil War“ ist Ant-Man ein freier Mitarbeiter der Avengers und „Ant Man and the Wasp“ schließt an den verloren „Bürgerkrieg“ der Avengers auf dem Leipziger Flughafen an.
Hausarrest für Ant-Man
Scott Lang hat wegen seines Einsatzes für Captain America Hausarrest und darf seinen Garten nicht verlassen eine elektronische Fußfessel stellt das sicher. Zum Glück sind seine Ex-Frau und ihr neuer Mann wesentlich umgänglicher, seit Scott im ersten Teil der gemeinsamen Tochter Cassie das Leben gerettet hat. In Teil 2 braucht er nicht einmal mehr Unterhalt zu zahlen, um Umgang mit seiner Tochter zugestanden zu bekommen, aber natürlich passiert es beim Spielen an der auf dem Grundstück aufgebauten Erlebnistour schon mal, dass Scott mit dem Fuß durch den Gartenzaun bricht und einen Großeinsatz des FBI auslöst.
Henry Pym musste in den Untergrund gehen, nachdem er zur Vernichtung der Yellowjackets das ganze Firmengebäude von Cross Technological Enterprises in Schutt und Asche gelegt hatte. Nachdem es Ant-Man im ersten Teil gelungen war, die Endlosschrumpfung ins Quantum Realm (Quantenreich) durch Modifikation seines Anzugs rückgängig zu machen, sind Pym und seine Tochter Hope besessen von der Idee, seine 1987 im subatomaren Quantenreich verlorene Frau wiederzufinden und ebenfalls zurückzuholen. Lilly darf als Wasp inzwischen den Prototypen ihres Anzugs tragen. Sein Laborgebäude hat Scott dank der Pym-Partikel auf Handkoffergröße geschrumpt, und er schafft es tatsächlich, einen Tunnel zur subatomaren Ebene aufzubauen – der erweist sich aber als noch nicht stabil.
Waffenhändler will Pym-Partikel stibitzen
Von hier an kann man sich eigentlich eine weitere Inhaltsangabe sparen, denn die Geschichte verläuft in der Dramaturgie eines mittelmäßigen Videospiel-Adventures. Besorge die notwendige Energiequelle! Vermeide es, dabei vom FBI erwischt zu werden! Vermeide es, vom betrügerischen illegalen Waffenhändler um deine Pym-Partikel gebracht zu werden, und vermeide die unbesiegbar erscheinende Ghost (Hannah John-Kamen), die die Energie des Quantenreiches zur Lösung ihrer persönlichen Probleme anzapfen will!
Leider fehlt dem Film alles, was den ersten „Ant-Man“ besonders gemacht hat. Langs Wunsch, seiner Tochter ein Vater zu sein, ist nur noch ein Vehikel, um Witze darüber zu machen, wie das FBI an der Nase herumgeführt wird. Die ironischen Spielereien mit dem Perspektivwechsel zwischen Ameisengröße (in welcher der Zweikampf zwischen Yellowjacket und Ant-Man auf der Spielzeug-Eisenbahn ein großes Actionsspektakel war), und der Außenperspektive (wo nur ein paar Lichter aufblitzen, während „Thomas, die kleine Eisenbahn“ gemütlich ihre Runden im Kinderzimmer dreht), fallen komplett unter den Tisch.
Wie geht es weiter?
Wenn Evangeline Lilly es in der Presse als feministische Errungenschaft feiert, dass „Ant-Man and the Wasp“ der erste Marvel-Film ist, bei dem eine weibliche Superheldin im Titel auftaucht, dann ist man geneigt, patriarchale Verschwörungstheorien zu entwickeln, weil die männlichen Macher dafür kein inspirierteres Drehbuch zur Verfügung gestellt haben. Bedauerlich, denn Lilly macht ihre Rolle als Superheldin äußerst anständig und ist als Superheldin fast überzeugender als Paul Rudd in der zweiten Titelrolle. Will man der Gerüchteküche des Internets glauben schenken, ist der Zweck des offenen Endes von „Ant-Man and the Wasp“ (Spoiler-Warnung für alle die „Avengers – Infinity War“ noch nicht gesehen haben,) eine Hintertür zu finden, damit es auch nach dem zerstörerischen Finale von „Avengers – Infinity War“ einen weiteren „Spider-Man“- oder „Doctor Strange“-Film geben kann.
Das Marvel Cinematic Universe gestaltet sich langsam zu einer großen Fernsehserie, bei der jeder einzelne Marvel-Film wie eine Folge innerhalb dieser Serie behandelt wird. Leider ist „Ant-Man and the Wasp“ eine der belangloseren Folgen, die man eigentlich nur sehen muss, weil das Ende vielleicht eine Bedeutung für die nächste Folge hat und im zweiten Teil von „Avengers – Infinity War“ wichtig wird. Im Fernsehen oder bei Netflix mag man solche uninspirierten Episoden verschmerzen, aber wenn man für so eine Folge den Preis einer Kinokarte bezahlen soll, muss man es sich genau überlegen, ob man sich nicht doch auf die Zusammenfassung in der nächsten Folge beschränken sollte. Sollten die Gerüchte wahr sein, wird es diese sicherlich in „Infinity War 2“ geben und wenn sich dessen Macher auf den relvanten Inhalt von „Ant-Man and the Wasp“ beschränken, wird das keine fünf Minuten dauern. In der gesparten Zeit und mit dem gesparten Geld kann man lieber mit seinen Kindern ein Eis essen gehen. Das ist bei diesem Wetter unterhaltsamer.
Alle bei „Die Nacht der lebenden Texte“ berücksichtigten Filme mit Evangeline Lilly und Michelle Pfeiffer haben wir in unserer Rubrik Schauspieler aufgelistet, Filme mit David Dastmalchian, Michael Douglas, Laurence Fishburne, Walton Goggins und Michael Peña unter Schauspieler.
Länge: 118 Min.
Altersfreigabe: FSK 12
Originaltitel: Ant-Man and the Wasp
USA 2018
Regie: Peyton Reed
Drehbuch: Chris McKenna, Erik Sommers, Paul Rudd, Andrew Barrer, Gabriel Ferrari
Besetzung: Paul Rudd, Evangeline Lilly, Michael Peña, Walton Goggins, Bobby Cannavale, Judy Greer, Michelle Pfeiffer, Laurence Fishburne, Michael Douglas, David Dastmalchian
Verleih: Walt Disney Studios Motion Pictures Germany
Copyright 2018 by Lutz R. Bierend
Filmplakat, Fotos & Trailer: © 2018 Disney / Marvel Studios (Fotos: Ben Rothstein)